Auf der Überholspur: ElementumFreiburg fördert hochbegabte Kinder Lernen & Fördern | 20.08.2018 | Isabel Barquero

Manche Kinder lernen rasend schnell. Das mag sich zwar wie der Traum aller Eltern anhören, ist aber in der Realität nicht einfach. Hochbegabte brauchen die richtige Förderung – und ihre Eltern oft gute Nerven. Denn viele der Kinder sind unterfordert, stören und werden sozial auffällig.

Ratsuchende Eltern werden oft alleine gelassen. In Freiburg ist es anders: Seit 2009 berät Annette Graf-Winkler Betroffene im ElementumFreiburg. Der findefuchs-Autorin Isabel Barquero erklärt die 49-jährige Leiterin, wie Eltern Hochbegabung feststellen können und ihre Kinder richtig fördern.

findefuchs: Woran erkennt man Hochbegabung?
Graf-Winkler: Hochbegabte Menschen erkennt man ganz gut an ihrer schnellen Auffassungsgabe, an ihrem großen Wissensdrang. An der Art, wie sie Informationen verarbeiten und an ihrem schlussfolgernden Denken.

findefuchs: Was sind auffällige Verhaltensmuster?
Graf-Winkler: Das ist total unterschiedlich, weil Begabung und Persönlichkeit miteinander angeschaut werden müssen. Es gibt zum Beispiel Kinder, die total still und ruhig sind, aber auch total intelligent. Diese fallen natürlich nicht so schnell auf. Es gibt Kinder, die deutlich lebhafter sind und Ärger oder Stress in der Klasse verbreiten. Damit wollen sie darauf hinweisen, dass sie unterfordert sind. Es gibt auch Kinder, die ein ganz großes Spezialwissen haben, meistens im Bereich der Technik oder auch im Umgang mit Zahlen. Diese Kinder können Dinge, die sie für ihr Alter noch gar nicht wissen oder können müssen.

findefuchs: Wie viele Kinder in Freiburg sind hochbegabt?
Graf-Winkler: Ab einem IQ von 130 wird man als hochbegabt bezeichnet, das sind zwei Prozent aller Einwohner, egal ob Mädchen oder Junge, egal welches Alter. Für die Bevölkerung in Deutschland gilt das Gleiche, es sind immer diese zwei Prozent. Allerdings werden nur maximal 50 Prozent aller hochbegabten Kinder entdeckt – und davon sind wiederum 75 Prozent Jungs. Wo sind denn die ganzen Mädchen, die wir nicht entdecken?

Die Systemische Beraterin und Begabungspädagogin Annette Graf-Winkler.

findefuchs: Wieso bleiben diese Mädchen unentdeckt?
Graf-Winkler: Weil sie stiller sind und nicht auffallen. Deswegen sollten sich Eltern genau anschauen, was ihre Töchter machen – vor allem im Kindergarten. Wer den Verdacht hat, dass sein Kind hochbegabt ist, kann für eine Einschätzung oder Testung zu uns kommen.

findefuchs: Was passiert nach der Diagnose?
Graf-Winkler: Wir gehen danach oft in die Schulen, um Lehrer und Schulleitung gemeinsam mit den Eltern zu informieren. Aber ohne Zahlenwerte zu nennen. Ich habe genügend Möglichkeiten zu beschreiben, was ich bei diesem Kind gesehen habe. Ich schaue mir unter anderem Konzentrationsfähigkeit, Wahrnehmung, Ehrgeiz, Motivation oder Leistungsfreude an. Das alles sind wichtige Dinge, die es neben der Begabung für die Entwicklung eines Kindes braucht. Daher ist der ganzheitliche Blick wichtig.

findefuchs: Welche Möglichkeiten der Förderung gibt es?
Graf-Winkler: Ich biete einen Kurs an der Hector-Akademie in Persönlichkeitsbildung an, in dem wir viel durch Spielsituationen üben. In Freiburg gibt es zudem das Freiburg Seminar e.V. und das Schülerstudium: Hierbei können Schüler, die in der Kursstufe sind, an der Universität eine Fachvorlesung besuchen und Prüfungen machen.

findefuchs: Schüler können natürlich auch Klassen überspringen. Dabei besteht aber auch die Gefahr, dass sie sich sozial isolieren.
Graf-Winkler: Das ist immer eine ganz individuelle, abzuwägende Entscheidung. Es gibt Kinder, da kann es durchaus sinnvoll sein. Dieses Springen gehört aber immer begleitet. Außerdem muss das Kind mit diesem Prozess einverstanden sein. Wichtig ist, nicht das ganze soziale Leben auf die Schule zu reduzieren. Der Altersunterschied wird bei diesen Kindern immer da sein. Sehr deutlich wird er beim Übertritt von der Grundschule in eine weiterführende Schule und wenn es in Richtung Pubertät geht. Dann merkt man natürlich die Diskrepanz, schon alleine an der körperlichen, seelischen und geistigen Reife. Diese Kinder fühlen sich oftmals irgendwie fehl am Platz.

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