Falltüren der Realität: Bildgewaltiger Mystery-Thriller um den Erfinder einer rätselhaften Multiversums-Formel 4Film | 26.10.2023 | Erika Weisser

Szene "Die Theroie von allem"

Deutsches Kino, wie es nur selten zu sehen ist: Timm Krögers „Theorie von Allem“ ist große Filmkunst. Von Beginn an rätselhaft und im Lauf der Ereignisse zunehmend unheimlich, ist dieser in Schwarz-Weiß gehaltene Arthaus-­Streifen eine stimmungsvolle Hommage an den Film Noir. Ein bemerkenswerter Genrefilm mit kontinuierlich steigender Spannung, den auch die Veranstalter der Filmfestspiele in Venedig bemerkten: Der zweite in Krögers Regie entstandene Spielfilm wurde als einzige deutsche Produktion für den Wettbewerb um den Goldenen Löwen nominiert. Er feierte in Venedig Weltpremiere, ging hernach aber leer aus.

In Farbe ist nur die Eingangsszene: Eine Fernseh-Talkshow in den 1970er- Jahren, in der ein mit dem hektischen Geschwätz des Moderators offenbar überforderter älterer Mann versucht, mit ihm über seinen Roman ins Gespräch zu kommen. „Die Theorie von Allem“ lautet sein Titel und der Autor Johannes Leinert entwirft darin eine Vielweltentheorie, nach der es Multiversen gibt – also andere Welten, die neben der bekannten Welt existieren.

Und während der Moderator die Beschreibung einiger rätselhafter Vorkommnisse, die sich 1962 in einem Schweizer Bergdorf zugetragen haben sollen, als psychotische Science Fiction abtut, behauptet Leinert, alles selbst erlebt zu haben. Sichtlich verwirrt verlässt er die Runde – nicht ohne eine Nachricht an eine Karin in die Kamera zu sprechen.

Kurz darauf – beziehungswiese zwölf Jahre früher – sitzt dieser Johannes Leinert zusammen mit seinem Doktorvater Julius Strathen in einem Zug, der sie zu einem internationalen Physikerkongress in ein Nobelhotel in den Alpen bringt. Dort soll ein iranischer Quantentheoretiker einen Vortrag zu seiner bahnbrechenden neuen Theorie von Allem halten. Dissertant Leinert glaubt, selbst die Formel für diese Multiversumstheorie gefunden zu haben und fiebert dem Austausch mit dem „Meister“ entgegen. Doch der verspätet sich; die geistreiche Gesellschaft vertreibt sich derweil die Zeit mit schicken Dinnerpartys und eleganten Skiausflügen.

Dabei begegnet Leinert einer äußerst mysteriösen Frau, die er zu kennen glaubt – und die mehr von ihm weiß als sie wissen kann: Karin. Sie rettet ihn zwar nach einem Skiunfall, verschwindet dann aber. Als kurz darauf genau an der Stelle, an der sie ihn rettete, die Leiche eines umstrittenen Kollegen des immer todesnäher wirkenden Strathen gefunden wird, ist er überzeugt, dass er mit seiner Theorie von den Parallel-­Universen richtig liegt. Zumal der erschlagene Professor plötzlich wieder kerngesund herumspaziert.

Ein großartiges labyrinthisches Rätsel, über das man sich noch lange staunend den Kopf zerbrechen kann.

Die Theorie von allem
Deutschland/Schweiz 2022
Regie: Timm Kröger
Mit: Jan Bülow, Olivia Ross, Hanns Zischler, Gottfried Breitfuß, David Bennent, Philippe Graber u. a.
Verleih: Neue Visionen
Laufzeit: 118 Minuten
Start: 26. Oktober 2023

Foto: © Neue Visionen