„David-gegen-Goliath“: Interview mit Biersommelier Jan Czerny Freiburg geht aus | 01.01.2018 | Dominik Bloedner

Vor etwa drei Jahren hatte die Craft-Bier-Welle auch Freiburg erreicht. Der Wirbel war beachtlich, viele Brauerinnen und Brauer haben wild experimentiert. Doch heute findet man die Biere nur in wenigen Kneipen auf der Karte und in wenigen Läden. Wir haben beim Denzlinger Brauer und Biersommelier Jan Czerny (48) nachgefragt.

Herr Czerny, ist der Trend vorbei?
Czerny: Nein, Craft-Biere werden vielerorts angeboten. Auch möchte ich nicht von einem Trend sprechen.
Trends kommen und gehen, aber diese modernen kreativen Biere werden bleiben und einen gewissen Marktanteil gewinnen, er ist im kleinen einstelligen Bereich, wird aber wachsen. Zum Vergleich: In den USA liegt der Marktanteil von Craft-Bieren bei 15 Prozent. Wir müssen dieses noch kleine und junge Pflänzchen Craft-Bier hegen und schützen. Zu schnell können Trittbrettfahrer diesen momentanen „Hype“ für sich nutzen, um Geld zu verdienen. Auch in Freiburg.

Wo liegt das Problem?
Czerny: Man muss kritisch hinterfragen, wer wie und wo braut und welchen Anteil er überhaupt am Prozess und am fertigen Produkt hat. Ein Bierrezept kann man sich aus dem Internet herunterladen, damit zu einer regionalen Brauerei gehen und diese beauftragen, dieses Bier zu brauen. Mit bunten Etiketten versehen wird es dann als Craft-Bier verkauft.

Eine Definition, bitte!
Czerny: Nicht jedes Bier ist kreativ und darf sich Craft-Bier nennen, nur weil etwas mehr Hopfen verwendet wurde oder der Filter umgangen wurde und das Bier nun plötzlich naturtrüb ist! Das machen inzwischen ja auch Großbrauereien wie Beckʼs. Craft-Brauer sollten unabhängig, kreativ und leidenschaftlich sein und eine kritische Einstellung gegenüber dem industrialisierten Biermarkt mitbringen. Craft-Bier ist immer eine „David gegen Goliath“-Geschichte. Diese Werte müssen dem Verbraucher vermittelt werden.

Viele sträuben sich noch.
Czerny: Man trinkt das, was man schon kennt. Und es gibt hier ja auch einige gute regionale Brauereien. Aber die meisten Brauer produzieren ihr Pils, Helles, Weizen und dann vielleicht noch einen weiteren traditionellen Bier-Stil. Hopfensorten und Hefestämme sind immer die gleichen, es fehlt der Mut zu Neuem. Es wird lange dauern, bis die Verbraucher diese Trinkgewohnheiten ablegen.

Schrecken die hohen Preise ab?
Czerny: Man muss einen Unterschied machen zwischen dem Durstlöscher Bier und dem Genussgetränk. Spezialitäten wie India Pale Ale (IPA) oder Imperial Stout sind in der Herstellung kostenintensiver und zeitaufwendiger als Pils oder Helles, somit ist der höhere Preis gerechtfertigt. In Deutschland sind noch nicht so viele Konsumenten bereit für hohe Bierpreise. Andere Länder wie Italien haben eine andere Kultur und sind gewohnt, mehr Geld für Speisen und Getränke auszugeben. Oder sie hatten nie eine mit der deutschen vergleichbare Bierkultur und sind viel offener gegenüber neuen Bierstilen, wie in Nordamerika und Skandinavien.

IPA kennt man inzwischen. Gibt es neue Trends?
Czerny: Es wird weiter viel herumexperimentiert und ausprobiert. Sauerbier ist für mich der wohl interessanteste Trend. Ich liebe alte saure Bierstile wie die Gose, Berliner Weiße, Geuze aus Belgien und auch Lambic. Holzfassgereifte Biere findet man häufiger wie auch Biere mit Zutaten wie Kaffee, Kakao, Eukalyptus, Orangen, Limetten bis hin zu Austernschalen – welche nicht nach dem deutschen Reinheitsgebot zugelassen wären.

Foto: © Patrick von Aue