Aus dem Leim gegangen: Streit um die Fassade der Freiburger Uni-Bibliothek geht vor Gericht KARRIERE & CAMPUS | 02.05.2019 | Philip Thomas

Uni Bibliothek in Freiburg

In der Fassade der Unibibliothek soll sich das 1911 eröffnete Kollegiengebäude I spiegeln. Um vor herabfallenden Metallteilen zu schützen, spiegelt sich seit Mitte August 2018 auch ein Bauzaun.

Denn von der Konstruktion aus Glas und Stahl sind schon zwei Blechteile heruntergefallen. Während die Studierenden genervt sind, geben sich Bauträger und Fassadenfirma gegenseitig die Schuld am Schlamassel.

Nach den Possen um geblendete Autofahrer, zerstörte Bodenplatten, undichte Decken und defekte Drehtüren wird die Freiburger Universitätsbibliothek ihr größtes Politikum nicht los: die Fassade. Im August 2018 hat sich ein Blech von der Größe eines Smartphones gelöst. Es krachte von der Außenhülle der 53 Millionen Euro teuren Bibliothek zu Boden. Anfang April fiel erneut ein Teil in die Tiefe. Dieses Mal sogar noch größer als das erste. Verletzt wurde in beiden Fällen niemand, abgesperrt wurde der Bereich trotzdem. Die entsprechenden Fassadenteile wurden abmontiert.

Ein in der Bibliothek angestellter Student fragt sich angesichts des Bauzauns, warum die Arbeiten so lange dauern. Und wieso die Angelegenheit so kompliziert ist. „Wegen der Absperrung ist es schwierig, sicher vor der UB und nicht auf der Straße zu stehen. Außerdem blockiert der Zaun Platz für Fahrräder“, sagt er. Grund für die zähe Vorgehensweise ist vor allem ein Streit zwischen dem Bauträger und der zuständigen Fassadenfirma. Die Universität selbst hält sich in der Angelegenheit zurück. „Wir sind nur die Nutzer des Gebäudes und können dazu nichts beitragen“, sagt Nicolas Scherger, Pressesprecher der Uni, auf Anfrage und verweist auf den Bauträger: das Amt für Vermögen und Bau Baden-Württemberg.

»Undicht und nicht mangelfrei«

„Wir haben die Firma Früh beauftragt, die Fassade zu bauen. Als Bauherr kann man erwarten, dass die Fassade mangelfrei ist. Das ist nicht der Fall“, sagt Amtsleiter Karl-Heinz Bühler. Ihm zufolge hat die Konstruktion gravierende Mängel. „Seit mehreren Monaten ist die Fassade an mehreren Stellen undicht. Außerdem lösen sich Verklebungen von Halteschienen auf der Rückseite von Blechpaneelen. Die Firma Früh weigert sich seit Monaten, diese beiden Mängel zu beheben.“ Anton Früh sieht das anders. Der Geschäftsführer der für den Fassadenbau beauftragten Firma Metallbau Früh GmbH aus Umkirch spricht von einer „Mangelbehauptung“.

„Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Gartentor und das lässt sich nicht richtig öffnen. Dann liegt natürlich ein Mangel vor. Wenn allerdings jemand das Tor eintritt, dann ist das kein Mangel am Bau, sondern eine Beschädigung“, erklärt der Ingenieur. Der bildhafte Tritt sei im Falle der Bibliothek durch Fassadenkletterer geschehen. Für solche Belastungen seien die dort angebrachten Teile nicht gemacht. „Die Kletterer springen für Reinigungsmaßnahmen auf den Blechen herum“, sagt Früh. Bühler widerspricht: „Dass sich die Verklebung löst, hat nicht mit der Reinigung zu tun.“ Auch dort, wo keine Fassadenkletterer gewesen seien, gebe es Probleme.

»Kletterer springen auf den Blechen herum«

„Die Firma Früh hat Fristen verstreichen lassen und keinen Lösungsvorschlag gemacht“, sagt Bühler. Das Recht auf Reparatur habe man in Umkirch verspielt. Früh entgegnet: „Wir haben Vorschläge und Berechnungen gemacht, das liegt alles auf dem Tisch, aber dafür muss man auch etwas bezahlen.“ Weil sich die Bauarbeiten bis zum Sommer 2015 verzögerten, habe die Fassade laut Früh insgesamt zehn Millionen Euro gekostet. Das Amt spricht von 7,5 Millionen Euro. „Uns fehlen knapp vier Millionen Euro in der Kasse. Das Amt soll seine Zeche bezahlen“, sagt der Geschäftsführer. Beide Seiten kommunizieren mittlerweile über ihre Anwälte. Der Streit geht vor Gericht. „Ich habe keine Ahnung, wie das ausgeht“, sagt Früh.

Nur in einem ist man sich einig: So einen Fall habe man noch nicht erlebt. Das Amt möchte die Firma Früh nicht mehr auf die Baustelle in der Innenstadt lassen. Für weitere Maßnahmen soll nun ein anderer Betrieb beauftragt werden. Eine neue, mechanische Befestigung sei bereits entwickelt und steht laut Bühler „kurz vor der Freigabe und Umsetzung“. Früh kritisiert: „Die Kontrolle der Fassaden, welche wir der Vermögen und Bau nach dem Sturm am Rosenmontag angeboten haben, wurde uns untersagt.“ Er ist überzeugt: „Wenn dann der Sturm aber tatsächlich Schaden angerichtet hat und etwas passiert, wird man sicherlich einmal mehr mit dem Finger auf uns zeigen.“ 

Pannen-Chronik 

Blendende Fassade, langsame Tür, volle Plätze

Mai 2014
Die Fassade blendet. Die Uni spannt Sonnensegel.

Juli 2015
Die UB wird eröffnet. Statt 40 kostet sie 53 Millionen Euro.

Juli 2015
Kurz nach dem Start bricht der Steinboden im Eingangsbereich wegen einer schweren Lieferung. Die UB legt Holzplatten aus und bessert sieben Monate später nach.

Oktober 2015
„Oase der Entschleunigung“ nennt fudder.de die Drehtür am Haupteingang. Die UB optimiert, die Tür geht schneller.

Februar 2016
Die 1200 Arbeitsplätze der UB sind ständig belegt. Rote Pausenuhren sollen helfen.

Mai 2016
Die Fassade ist undicht. Im Gebäude stehen Eimer, um Regenwasser aufzufangen.

Juli 2016
Die schräge Tür beim Café Libresso ist dauernd defekt. Ihr Motorantrieb fällt aus. Gegen den Willen des Architekten Heinrich Degelo wird sie durch eine senkrechte ersetzt.

November 2016
Das Satiremagazin Extra 3 kürt Deutschlands irrste Bibliothek. Die Freiburger UB landet auf den ersten drei Plätzen.

Juni 2017
UB-Mitarbeiter klagen im chilli-Artikel über Kopfschmerzen, trockene Augen, Lärm und zu wenig Personal. 

August 2018 
Ein Blech der Fassadenverkleidung löst sich und fällt herab. Verletzt wird niemand, die UB wird trotzdem abgesperrt. 

März 2019
Erneut fällt ein Fassadenteil innerhalb der Umzäunung hinab.

Foto: © Philip Thomas