Ran an den Fels! Genießerpfad Karlsruher Grat Freizeit | 27.06.2020 | Nicole Kemper

Mann schaut auf einem Felsen in die Ferne

Alpenfeeling zum Ausprobieren gibt es auch im Schwarzwald – der Karlsruher Grat bei Ottenhöfen bietet die perfekte alpine Anfängerstrecke mit einem wildromantischen Vorspiel.

Die Finger suchen Halt an kleinen Gesteinsvorsprüngen, die linke Stiefelspitze hat in einer Einkerbung eine winzige Standfläche gefunden. Der rechte Fuß tastet nach dem nächsten Tritt, der wieder ein paar Zentimeter Höhe gewinnen lässt. Schließlich erreichen die Hände die obere Felskante und hieven den Körper hinauf auf das vermeintliche Plateau. Doch die Hoffnung auf ein Ende der Zitterpartie zerbirst in dem Moment, als der Blick über die Kante hinweg einer senkrecht abfallenden Wand in die Tiefe folgt: Hier ist kein Weiterkommen, die einzige Option ist das vorsichtige Zurückhangeln zur letzten Gabelung und ein neuer Versuch. Eine Wegmarkierung gibt es nicht, lediglich schwach glänzende Abriebstellen geben Hinweis auf die meistbegangenen Passagen.

Karlsruher Geniesserpfad

Die abwechslungsreiche Rundwanderweg bietet romantische Impressionen, weite Ausblicke und für Geübte eine kleine Portion Nervenkitzel im Fels.

Spätestens an dieser Stelle ist klar: Die Wanderung auf dem Karlsruher Grat ist kein Sonntagsspaziergang. Bereits der Name erinnert mahnend an das Risiko, das ein Fehltritt auf der alpinen Passage birgt. Seinen ursprünglichen Namen ‚Eichhaldenfirst‘ trug der Grat, bis vor über hundert Jahren das Klettern als Freizeitsport populär wurde und sich mehrere tödliche Unfälle ereignet hatten. Daraufhin benannte ihn die Gemeinde Ottenhöfen im Jahr 1926 als Memento für die verunglückten Karlsruher um. Doch keine Panik: Da parallel zum felsigen Kletterabschnitt in nur wenigen Metern Entfernung eine gut erreichbare Umgehungsstrecke verläuft, können Wanderer auch vor Ort die Reißleine ziehen und den Grat jederzeit verlassen. Dies macht die Tour zur perfekten alpinen Anfängerstrecke, auf die sich die Wanderer zudem mit einem wild-romantischen Vorspiel einstellen können.

Edelfrauengrab-Wasserfälle

Gottschlaegtal mit Wasserfall

Sagenumwoben: Über sieben Kaskaden stürzen die Edelfrauengrab-Wasserfälle ins Tal hinab.

Der Weg hinauf zum Grat führt nämlich zunächst vom Wanderparkplatz „Edelfrauengrab-Wasserfälle“ entlang des Gottschlägbachs durch das Naturschutzgebiet Gottschlägtal. Am Fuß der Wasserfälle befindet sich das sagenumwobene Edelfrauengrab, das direkt neben den steil herabfallenden Wassermassen hinter einer Höhle verborgen liegen soll. Die profane Erklärung für das Landschaftsphänomen ist der berühmte stete Tropfen, der den Felsen an dieser Stelle aushöhlte.

Eine Legende berichtet allerdings auch von einem schaurigen Geheimnis: Glaubt man ihr, so ruhen im Gestein die Gebeine einer untreuen Schlossherrin, die an dieser Stelle lebendig begraben wurde. Dies war ihre Strafe dafür, dass sie sich nicht nur  während der kreuzzugbedingten Abwesenheit ihres Gatten mit einem Liebhaber vergnügt, sondern darüber hinaus auch den Mord an den dabei gezeugten sieben (!) Kindern in Auftrag gegeben hatte. Der just zurückgekehrte Ritter rettete den Säuglingen das Leben und ließ die Brüder heimlich aufziehen. Sieben Jahre später richtete er ein großes Fest aus, bei dem die Kinder zu Harfenklängen von ihrem Schicksal sangen. Von den Gästen gefragt, was sie mit einer so unmenschlichen Mutter tun würde, sprach die Burgherrin ihr Todesurteil selbst aus: „Die sollte lebendig eingemauert werden!“ Vom Edelfrauengrab folgt der schmale Schluchtenpfad dem Bachlauf mal links-, mal rechtsseitig weiter hinan, über Brücken, Stege und Treppen und durch ein dschungelartiges Grün aus bemoosten Felsen, Farnen, Buschwerk und Bäumen.

Hochprozentiges am Wegesrand

Oberhalb der Wasserfälle führt ein breiterer Waldweg weiter in Richtung Grat und wartet an einer Gabelung mit einer wohltuenden Überraschung auf. Auf einem Miniaturgebäude mit geschlossenen Fensterläden prangt eine Preisliste, die kostengünstige Limonaden, Wasser, Bier und auch Schnaps verzeichnet. Ein Blick hinter die Fassade lässt durstige Kehlen jubilieren: Ein Brunnentrog im Inneren beherbergt mehrere Getränkekisten mit wassergekühlten Flaschen, darüber befindet sich auf einem Regal Hochprozentiges aus Obst und Kräutern. Die Selbstbedienung erfolgt auf Vertrauensbasis, ein kleines Kässchen hängt bereit. Dieser sogenannte Schnapsbrunnen ist eine lokale Besonderheit. Rund um Sasbachwalden gibt es sogar zwei eigene Themenwege, die mit wenig Kilometern, aber viel Prozenten an über zehn solcher frei zugänglichen Versorgungsstationen vorbeiführen.

Vom Brunnen führt der weiter ansteigende Pfad vorbei am Ausblick Herrenschrofen  und schließlich zum Höhepunkt der Tour. Die Kletterpassage auf dem Karlsruher Grat misst zwar nur zirka 400 Meter in der Länge, für diese sollte man allerdings mindestens eine halbe bis ganze Stunde Kletter- und auch unbedingt Verweilzeit einplanen, denn die atemberaubenden Panoramablicke lassen immer wieder innehalten und staunen. Wenn der Grat erfolgreich bewältigt wurde, stehen den Wanderern an der ersten Weggabelung verschiedene Optionen für den Weitermarsch offen: Die kürzeste Variante biegt nun nach links ab, um in einem Bogen um den Steinbruch herum zum Ausgangspunkt am Wanderparkplatz zu führen, die offizielle Route folgt dem Genießerpfad am Bosensteiner Eck und dem Aussichtsfelsen Brennte Schroffen nach Ottenhöfen. Mit im Gepäck auf jeder der möglichen Routen: eine gehörige Portion Stolz und unvergessliche Eindrücke von der bestandenen Gratwanderung.

Info

Start: Wanderparkplatz Edelfrauengrab-Wasserfälle (hinter dem Kieswerk)
(alternativer Start für ÖPNV-Reisende: Bahnhof Ottenhöfen)

Länge: ca. 12 km
Dauer: 2,5 bis 5 Stunden
Auf- und Abstieg:
712 Höhenmeter
www.ottenhoefen-tourismus.de

Fotos: © Nicole Kemper