Bei den German Blues Awards gehen drei Auszeichnungen nach Südbaden Kultur | 23.10.2020 | Philip Thomas

Festival So sehen Sieger aus: (v.l.n.r.) Harald Brückel, Bernd Fahle, Hermann Sumser vom Freiburg Blues Festival mit Laudator Ulrich von Kirchbach.

Südbaden hat den Blues. Immerhin räumte die Region bei den German Blues Awards 2020 gleich dreimal ab. Der Freiburger Michael Oertel wurde als bester Gitarrenspieler, das ChaBah in Kandern als beste Location und das Freiburg Blues Festival als bestes Festival ausgezeichnet. Die Preisträger freut’s. Sie wissen: Ihre Musik ist mehr als missmutige Männer.

Der Preisträger gibt sich bescheiden. „Es ist schön, da reingerutscht zu sein“, sagt Michael Oertel. Mit seinem Sieg bei den German Blues Awards 2020 als bester Gitarrist habe er wegen der starken Konkurrenz nicht gerechnet. Die Kategorie war mit Szenegrößen wie Kai Strauss schließlich hochkarätig besetzt. „Vielleicht ist es mein Alter“, überlegt der 32-Jährige.

Dem Blues verbunden sei Oertel schon immer. „Ich bin damit aufgewachsen“, erinnert sich der Musiker, der bereits mit drei Jahren am Keyboard klimperte. Zwar spielte Oertel als 16-Jähriger mal in einer Metal-Core-Band und hatte seine Punk-Phase, auch damals habe er aber die Blues-Platten seiner Eltern gehört und Songs von ACDC auf der Gitarre gezupft. „Mit dem Instrument kann man viel sagen“, so Oertel.

Der Freiburger versteht Blues als Spektrum: „Wenn Hörer nach einem Konzert unsere Vielseitigkeit loben, ist das ein schönes Kompliment.“ Entsprechend vielfältig sind seine Einflüsse. Diese reichen vom balladischen Sound Eric Claptons über den Folk von Bob Dylan bis hin zum Rock von Oasis, Led Zeppelin und Pink Floyd. Nicht immer stießen Oertels Ideen auf Zuspruch: „Es gibt auch Leute, die sagen, das ist gar kein Blues.“ Für den Gitarristen kein Beinbruch: „Wer Musik macht, muss lernen, dass es nicht jedem gefällt.“ Die Auszeichnung sei deswegen eine schöne Bestätigung: „Wir fühlen uns angekommen.“

Metal-Core und Punk-Phase in der Jugend

Wo seine Musik heute steht? „Eher im Underground“, schätzt Oertel. Viele Leute hätten ein bestimmtes Bild vom Blues: Mancher sei gedanklich schnell bei älteren Herren, die laut klagen und ständig auf der Route 66 unterwegs sind: „Es gibt in dem Bereich einige Vorurteile.“ Ein Klischee stimme allerdings: Blues wird in kleinen Clubs gespielt. „Die Besucher sitzen eng beieinander“, sagt Oertel, der in den Sommermonaten deswegen auf große Biergärten ausgewichen ist und sich nun fragt, was der Corona-Winter bringt.

Michael Oertel

Michael Oertel, Gewinner der Kategorie „Gitarre“.

Harald Brückel wurde von den Teilnehmern des Online-Votings bei den German Blues Awards gleich doppelt ausgezeichnet: sowohl als Betreiber des besten Blues Clubs, dem Chanderner Bahnhof oder ChaBah in Kandern, als auch als 2. Vorsitzender des besten Blues Festivals in Deutschland, dem Freiburger Blues Festival. Letzteres ist mit sechs Jahren noch vergleichsweise jung: „Da war die Nominierung schon ein Erfolg.“

„Dieses Jahr wurde der Südwesten entdeckt“, sagt der 50-Jährige über die drei Auszeichnungen. Laut Brückel liegen die Blues-Hochburgen mit Osnabrück oder Hamburg weit im Norden. Der Süden müsse sich allerdings nicht verstecken. „Hier wird viel gemacht, das hat sich bei der Wahl vielleicht gegenseitig befruchtet“, überlegt er. Der Experte weiß: Schon lange gibt es in und um Freiburg gute Blues-Musiker wie Jan Ullmann oder die Band Boogie Connection.

Wie Oertel ist auch Brückel dem Blues seit seiner Kindheit verfallen. Bereits als 15-Jähriger habe er im Denzlinger Musikhaus Blueskonzerte organisiert. „Was einem Spaß macht, das soll man durchziehen“, lacht Brückel, der die Geschicke des Chabah seit mittlerweile 23 Jahren lenkt. Auch für ihn ist Blues mehr als zwölf Takte und drei Akkorde. Es gehe nicht bloß um Pessimismus, sondern oftmals um Liebe, Hoffnung und auch Politik. Er betont: „Blues ist abwechslungsreicher als moderne Popmusik.“

„Beim Blues gibt es einige Vorurteile.“

Vielleicht strömten im vergangenen Jahr auch deswegen rund 3000 Besucher zum Freiburger Blues Festival. Das Rahmenprogramm mit Workshops zum Gitarrenbau oder der Besuch im Diakonischen Werk in Breisach sowie Schulen haben bei der Online-Abstimmung den Ausschlag gegeben, vermutet Brückel. Auch dieses Jahr soll das Festival stattfinden, vier Tage lang, drei davon gestreamt aus der Freiburger Wodan Halle. In Deutschland könnten leider nur wenige Künstler vom Blues leben. Trotzdem ist er sicher: „Unsere Musik stirbt nicht aus.“


Fotos: © Peter Bach, Benjamin Berthold