Das »bierernste« chilli-Horoskop: Die Alkohol-Fasten-Edition von Liliane Herzberg Kultur | 29.03.2020 | Liliane Herzberg
Auf die große Sause folgt oft der noch größere Kater. chilli-Orakel Liliane Herzberg hat gar keine Katze, dafür aber Magnesiumtabletten und Rollmops im Überfluss. Sie verrät mit brummendem Schädel, wie die Sterne in Sachen Alkoholfasten stehen und warum Selters manchmal besser ist als Sekt.
Dein neuntes Bier bestellst du nur noch lallend: „Kaninchen Bierham?“ Und verkündest lautstark, dass du dieses Jahr alkoholfasten wirst. Schon am nächsten Morgen bereust du die Entscheidung. Damit du trotzdem durchhältst, schleppst du erst mal zwölf IKEA-Tüten mit Bier-Pfandflaschen aus deiner Wohnung. Immerhin kannst du dir so deinen nächsten Einkauf endlich leisten.
Was bist du gerädert von der letzten Nacht – der frühe Vogel fängt bei dir keinen Wurm, du bist eher eine Nachteule und Freund vieler spätabendlicher Genüsse. Da gehört die langatmige Inhalation deiner lebensspendenden Zigarette ebenso dazu wie der tiefe Blick in diverse Gläser. Am Tresen irgendeiner Bar hängend lässt es sich am besten philosophieren – und wunderbar ausschlafen.
Das Motto der Fastenzeit der evangelischen Kirche lautet: „Sieben Wochen ohne Pessimismus“. Die brauchst du nicht, denn die Erde ist dein Paradies, Buße musst du nicht tun, du hilfst jeder alten Oma über die Straße, rettest Stechmücken, kümmerst dich um afrikanische Waisenkinder. Dein Karmapunktekonto ist voll, deshalb deckst du dein Kreuz ab und gönnst dir ein Gläschen.
Deine Freunde kennen dich nur Stammtischparolen schmetternd und stinkend deinen Suff ausschlafend. Dass du das Schlüsselloch beim ersten Versuch triffst oder nicht den armen Ameisen über die Straße helfen willst, halten sie für ausgeschlossen. Beim Versuch, es ihnen zu beweisen, stolperst du dummerweise in eine kostenlose Whiskey-Verkostung … schade drum.
Du fastest schon seit 20 Jahren jede Passionszeit. Da sollte ein zusätzliches Alkoholfasten auch nicht schwer sein. Denkst du. Und stehst plötzlich taktlos auf der Tanzfläche, stumm auf dem Konzert, leise in der Bar, peinlich berührt auf der Betriebsfeier, stammelnd auf dem Date. Und vermisst deinen treuen Freund Alkohol. Dich sieht man wohl erst wieder, wenn der Spuk vorbei ist.
Du trinkst keinen Alkohol. Hast du noch nie. Deshalb weißt du auch nicht, was du mit diesem Horoskop anfangen sollst. Über den Konsum von Alkohol macht man keine Scherze, immerhin sterben daran jährlich etwa 74.000 Menschen in Deutschland. Deshalb liest du jetzt auch nicht weiter.
Wieso es allen schwerfällt, auf Alkohol zu verzichten, ist dir ein Rätsel. Aber bist du dir sicher, dass du alles richtig verstanden hast? Es zählt, wenn du trinkst und dir niemand zuschaut. Wenn du den Alkohol heimlich aus einem Flachmann schlürfst auch. Ebenso, wenn du ihn dir unter der Jacke per Infusion tröpfchenweise einspeist …
Du bist dir nicht sicher ob du auf Alkohol verzichten solltest? Dann mach unseren Schnelltest: Du trinkst Kaffee mit Schuss am Morgen? Verzichte. Du denkst, es ist normal, wenn sich dein Bett beim Einschlafen dreht? Verzichte. Du kannst auch nach zehn Bier jede Zahl hinter dem Komma von Pi aufsagen? Verzichte lieber nicht.
Da du eine Alkoholintoleranz. hast, fastest du quasi das ganze Jahr. Dein Survival-Kit für durchfeierte Nächte enthält: Ohropax gegen das Gegröle deiner besoffenen Jungs, ein laminiertes Entschuldigungs-Schreiben für angepöbelte Passanten, eine Sexismus-Kasse für dumme Sprüche. Von dem Geld kaufst du dir einen neuen Stoffwechsel, damit du endlich mitsaufen kannst.
Dein Ziel in dieser Fastenzeit ist nicht nur Alkoholverzicht, sondern auch eine innere Tiefenreinigung: Grüne Smoothies – zum Detoxen, Pre- and after-work-Yoga – für den Guru in dir, Fallobst sammeln gehen – für dein Leben als Frutarier. Den Rest des Jahres gibt es natürlich nur selbst gebrautes Bio-Bier aus regional angebautem Hopfen.
Es ist der Alkohol, der Hobby-Astronautinnen die Inspiration bringt. Da aber gefastet wird, herrscht in den fleißigen Köpfen gähnende Leere. Das große weite Nichts. Keine Ideen. Drei Stunden schon wird die leere Seite angestarrt, der Cursor blinkt, kein Wort erscheint. Für die Fische wird erst mal ein Bierchen gezogen.
Saufen, morgens, mittags, abends, ich will saufen, der Hahn muss laufen …“ – einige Bier später und die Hobby-Astronautin empfängt wieder Stern-Frequenzen. Diese sagen ihr, dass du die Tücken des verführerischen Getränks kennst, denn du bist trockener Suchtberater. Seit Jahren hast du keinen Tropfen angerührt, aber bei den kreativen Liedzeilen juckt es dich stark in den Fingern …
Foto: © Fotolia
