Der Wal und das Ende der Welt: Gewendeter Leviathan Kultur | 11.07.2020 | Lars Bargmann

Wal Buchcover

In seiner staatstheoretischen Schrift „Leviathan“ hatte Thomas Hobbes ein pessimistisches Menschenbild transportiert: Sind Staat und Gesetze fern, wird jeder Mensch früher oder später dem Menschen zum Wolf: Gewalt, Anarchie und das Recht des Stärkeren herrschen.

Ironmonger transportiert seinen Leviathan durch kurzweilige 480 Seiten, stellt aber eine andere These auf, die eher Brechts Macheath im Munde führt: „Wenn die Not am höchsten, ist die Rettung am nächsten.“ Zum Plot: Investmentbanker baut Mist, geht ins Wasser, wird von einem Finnwal gerettet und von Bewohnern des 307-Seelen-Fischerdorfs St. Piran  aufgepäppelt. Dann strandet der Wal, Joe Haak, der Fremde, koordiniert die Rettung und erobert die Herzen.

Aber die Grippe zieht um die Welt. Haak kauft Unmengen von haltbaren Lebensmitteln, er weiß, was kommen wird. Als Banker hatte er einen Algorithmus entwickelt, der prognostiziert, welche Branchen als Erste einknicken. Die Schlinge ums Dorf zieht sich zu, Lieferketten brechen, wo gestern noch eine Schafherde war, liegen heute Blutlachen auf der Weide. Da blitzt Hobbes Leviathan auf. Aber er verschwindet wieder, in Ironmongers Welt schweißt die Not die Menschen zusammen, tun alle was für alle, von wegen Wölfe. Dank Corona ist das 2015 erschienene Werk brandaktuell. Schön zu lesen. Schön, wenn’s den Belastungstest bestehen würde. 

Wal Buchcover

Der Wal und das Ende der Welt
von John Ironmonger
Verlag: S. Fischer
480 Seiten, TB
Preis: 12 Euro