Ganz großes Kino: Drive-In mit Abstand Kultur | 26.05.2020 | Erika Weisser

Autokino Freiburg

Not macht erfinderisch. Das gilt auch für die Kinobetreiber, die eine längst ausgestorben geglaubte Spezies zu neuem Leben erweckten: das Autokino. Derzeit zu erleben in Freiburg, Offenburg, Titisee-Neustadt und anderen Orten der REGIO.

Dort, wo in der zweiten Maihälfte eigentlich neben Geisterbahn, Riesenrad und anderen Vergnügungs-Fahrgeschäften die Schießbuden, Warenverkaufsstände und Imbisswagen der Freiburger Frühjahrsmess’ aufgeschlagen gewesen wären, ragt lediglich eine riesige LED-Leinwand in die Höhe. Sie erinnert an den aufwendigen Bühnenhintergrund von Open-Air-Konzerten und sorgt derzeit für andere Vergnügungen: Täglich mindestens zweimal und mit täglich wechselndem Programm findet hier großes Kino statt. Open Air und dennoch in geschlossenen Räumen – im Auto. Ohne den konzert- oder messeüblichen Lärm. Ansteckungsungefährlich, bequem und wetterunabhängig – außer bei dichtem Nebel.

Man muss nur im Besitz von zuvor online gebuchten Tickets und eines funktionierenden, für UKW-Frequenzen empfänglichen Autoradios sein, und schon kann man allein, zu zweit oder als Familie auf dem ausgewiesenen Gelände vor der 115 Quadratmeter großen Bildfläche Platz nehmen. Beziehungsweise einfach sitzen bleiben und den Motor abstellen. Und die auf der Leinwand angezeigte Frequenz einstellen. Und man muss nicht einmal auf die kinoübliche Verpflegung verzichten: Anders als im Normalbetrieb kann man seine Snackpakete selbst mitbringen – und soll den entstehenden Abfall wieder mit nach Hause nehmen. Damit genug Zeit ist für all die kontaktfreien und reibungslosen Abläufe, ist der Platz schon eine Stunde vor dem jeweiligen Filmstart geöffnet.

400 Fahrzeuge pro Vorstellung passen in den Freiburger Freiluft-Kinosaal. Und sie können sich nach Anweisung der Ordner dort so platzieren, dass kein Fahrzeug den Insassen eines anderen die Sicht versperrt auf die bewegten Bilder, die durch die besondere Technik auch bei ganz normalem Tageslicht oder in der Dämmerung gut zu sehen sind. Man muss also nicht bis zum Einbruch der Dunkelheit warten, um endlich wieder einmal ins Kino zu können. Und auch nicht bis nach dem Sommer, wenn die Indoor-Kinosäle vielleicht wieder öffnen dürfen: Das Lichtspieltheater auf dem Messplatz wird auf jeden Fall bis Ende August in Betrieb sein; bei Erfolg und Bedarf gibt es auch eine Option auf Verlängerung.

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Drachen, Kängurus und andere Filmhelden bevölkern die LED-Leinwand des Freiburger Autokinos und sorgen für gute Stimmung auf dem Messegelände.

Für die technische Seite des Autokinos ist die Veranstaltungstechnikfirma Malecon Staging zuständig; sie ist seit Jahren Vertragspartner der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM). Die Programmgestaltung liegt in der Hand der Betreiber der Kinos Friedrichsbau, Harmonie und Kandelhof; sie haben seit Jahrzehnten Erfahrung mit Veranstaltungen im Freien, etwa dem Sommernachtskino im Innenhof des Schwarzen Klosters. Dieses wird es in den kommenden Sommerferien nicht geben.

Die Einnahmen aus dem Autokino sollen die Ausfälle der seit Mitte März geschlossenen Säle zumindest teilweise ausgleichen. Doch auch hier gilt: Damit die 24 Euro für zwei Personen oder die 39 Euro für eine fünfköpfige Familie nicht nur kostendeckend sind, sollten die Vorführungen so oft wie möglich ausverkauft sein. Damit das in der Not geborene Projekt zu einem Publikumsmagneten wird, gibt es ein breit gefächertes Programm mit verschiedenen Genres, das von Komödien und Actionthrillern über Familienkino bis zu Late-Nite-Filmen reicht. Und in dem auch neue Produktionen gezeigt werden, die gerade ein paar Tage im Kino waren, als das Corona-Virus sie von der Leinwand verdrängte. Und natürlich werden hier auch die Filme zu sehen sein, die in den nächsten Monaten neu ins Kino kommen.

Retro-Spaß mit Potenzial

Auch an anderen Orten besann man sich auf die im Jahr 1933 in den USA erfundenen, in den 1960er-Jahren nach Deutschland exportierten und in den 1970er-Jahren in Mode gekommenen und seit etwa 30 Jahren wieder verschwundenen Drive-in-Kinos. So betreibt etwa das Kino Krone-Theater Neustadt mit Unterstützung der Stadt Titisee-Neustadt und der Hochschwarzwald-Tourismus GmbH auf einem der Parkplätze beim Badeparadies Schwarzwald in Titisee schon seit Anfang Mai ein Autokino. Mit täglichen Vorführungen und einem abwechslungsreichen Programm von Blockbuster- bis Arthausfilmen.

Nach Auskunft des Krone-Betreibers Leopold Winterhalter werde das Angebot „sehr gut angenommen“. Zum Redaktionsschluss des Lust auf REGIO stand allerdings noch nicht fest, ob es über die Sommermonate die von ihm beabsichtigte Verlängerung geben wird. Nun, da wieder ein zaghafter Tourismus zu erwarten sei, könne die Bühne des Autokinos eine Attraktion darstellen, zumal sie auch für andere Veranstaltungen wie Open-Air-Konzerte geeignet sei.

In der Offenburger, von den Forum Cinemas betriebenen Auto-Kino-Kultur auf dem Messegelände wird das schon praktiziert: Hier gab es eine Poetry-Slam-Live-Veranstaltung mit regionalen Wortpoeten. Und nach gelungenen Auftritten von Joey Kelly oder Kida Khodr Ramadan mit „Man from Beirut“ sind weitere Live-Veranstaltungen geplant.

Info

Autokino Titisee-Neustadt
Parkplatz beim Badeparadies Schwarzwald,
www.krone-theater.de/reihe/S20/Autokino

Auto-Kino-Kultur Offenburg
Parkplatz bei der Eishalle/Messegelände,
www.forumcinemas.de/de/autokino

Autokino Freiburg: Neue Messe,
www.autokino-freiburg.com

Fotos: ©  XVerleih, ewei