„Kein Klassentreffen“: So soll die Kulturbörse IKF nach dem Update aussehen Kultur | 19.02.2024 | Till Neumann

Moderner, nahbarer, vernetzter. So stellt sich Karola Mohr die neu aufgelegte Internationale Kul­turbörse Freiburg (IKF) vor. Für das Update nimmt sich das Team der veranstaltenden Freiburg Wirtschaft Tourismus und Messe GmbH ein Jahr Zeit. In diesem Jahr ist Pause, weiter geht’s Anfang 2025. Wie ein Generationenwechsel gelingen soll und was der Branche Angst macht, darüber spricht die 46-jährige IKF-Chefin im Interview mit chilli-­Redakteur Till Neumann.

Karola Mohr

Viel vorgenommen: Karola Mohr leitet die Internationale Kulturbörse Freiburg (IKF). In diesem Jahr ist Pause – um 2025 frisch zu starten.

chilli: Nach mehr als 30 Jahren bekommt die IKF ein Update. Wie geht man da ran?

Mohr: Wir haben im ersten Schritt ganz klassisch geprüft: Brauchen wir die IKF noch? Machen wir die IKF zu etwas ganz anderem? Oder lassen wir sie in den Grundzügen bestehen und gehen inhaltlich ran? Wir sind dafür in Verbindung getreten mit den Besucher·innen, Aussteller·innen und Künstler·innengruppen. Das ist eine chaotisch wirkende Szene. Es gibt eben nicht diesen einen Verband, der alles abdeckt. Dabei kam schnell raus: Die IKF brauchen wir noch. Und in diesen schwierigen Zeiten mehr denn je.

chilli: Corona, Inflation, leere Kassen …

Mohr: Ja. Je schwieriger die Lage ist, umso wichtiger ist es, dass man so einen Branchentreff macht, dass man sich einfach auch ein bisschen groß macht. Corona hat uns einen Tiefschlag verpasst. Wir haben einen Fachkräftemangel. Wir haben aber auch wahnsinnig viele Menschen, die mit extrem viel Leidenschaft viele Meter extra gehen. Als es grad wieder losging kamen Kriege und es kommt ein Rechtsruck, der vielen Kulturschaffenden Angst macht. Ich bin der Meinung, dass wir als Fachmesse politischer werden müssen.

chilli: Welche Problemzonen hat das Team beim bisherigen IKF-Format ausgemacht?

Mohr: Wir räumen bei den Strukturen auf. Ich denke, das ist ganz normal. Außerdem haben wir uns für einen neuen Claim entschieden. „Culture Connects People“. Ich finde, das ist eine ganz wichtige Botschaft. Wir wollen verbinden, vernetzen. Aber Kultur vernetzt auch selbst. Das sind die beiden Botschaften. Für den Claim haben wir ganz tolles Feedback gekriegt.

chilli: Wo ist noch Nachholbedarf?

Mohr: Ein großes Problem ist, dass die Besucherschaft alt geworden ist. Tatsächlich gehen viele in Rente. Und die Jungen kommen nicht nach. Wir fragen uns, warum das so ist? Vielleicht weil sie nicht finden, was sie suchen? Also versuchen wir, an den Inhalten zu arbeiten. Wir wollen mehr Szenen abbilden.

chilli: Street Art, Urban Arts und Podcasts sollen neu dazukommen. Welches Vorgehen ist geplant?

Mohr: Im ersten Schritt haben wir Kontakt aufgenommen zu den verschiedenen Szenen. Es gibt ja immer so Knotenpunkte oder auch Schlüsselfiguren, die man anspricht. Ich habe nach über 20 Jahren in diesem Job auch ein Netzwerk. Wir werden aber sicherlich 2025 noch nicht alles erreichen, was wir gerne machen würden. Ich verstehe das als dynamisches und wachsendes System. Es ist total spannend, was auf Anfragen zurückkommt: Viele kennen die IKF nicht.

chilli: Wirklich?

Mohr: Ja. Und es ist wirklich schön zu sehen, dass gerade zurückkommt: „Ja, wir können uns vorstellen mitzumachen.“ Aber natürlich sind da ganz andere Bedürfnisse als bei den klassischen IKF-Ausstellern. Man muss flexibler werden mit seinen Formaten und mit den Bühnen, die man hat. Deswegen gibt es auch nicht die eine große Änderung. Wir haben jeden Baustein angefasst und puzzeln es jetzt neu zusammen.

chilli: Das Puzzle soll auch übersichtlicher werden. Wie kann das klappen?

Mohr: Indem wir anders bündeln. Es passiert zu viel Gleiches parallel. Die Aufteilung in die klassischen Sparten Musik, darstellende Kunst und Straßentheater findet in der Realität gar nicht mehr statt. Logischer ist eine Aufteilung nach technischer Machbarkeit einer Produktion. Also die Frage der Veranstalter·innen: Kann ich diese Produktionen überhaupt in meinem Haus zeigen? Wenn es nur eine Bühne mit drei Metern Höhe hat, dann brauche ich mir die 7-Meter-Produktionen nicht anzuschauen.

chilli: Das leuchtet ein.

„Gehetzsein war ein großer Kritikpunkt“

Mohr: Logischer zu bündeln führt auch dazu, dass ein Musiker, der kleinkunstbühnentauglich ist wie ein Singer-Songwriter, auch in einem Kleinkunstbühnen-Showblock zu finden ist. Für eine große Band macht das wiederum keinen Sinn. Außerdem möchten wir dadurch verhindern, dass Besucher·innen viel hin und her rennen müssen. Das Gehetztsein war ein großer Kritikpunkt. Hoffentlich schaffen wir so auch mehr Raum und Zeit für Netzwerkarbeit.

chilli: Darum geht es ja im Kern auch.

Mohr: Genau. Ich möchte davon weg, dass die IKF als Klassentreffen bezeichnet wird. Ein Klassentreffen schaut in die Vergangenheit. Das ist ein geschlossener Kreis, da kann niemand dazukommen. Bei einem Branchentreffen geht es aber ums Jetzt und um die Zukunft. Wir müssen den Generationenwechsel schaffen.

chilli: Mehr Fokus auf Newcomer?

Mohr: Ja, wir haben dafür Talent Hours geplant. Hintergedanke ist, dass viele Newcomer noch keine Agentur haben, die sie vertreten. Und sich kein Showcase leisten können. Wir wollen aber auch diesen Teilnehmern etwas anbieten.  Deswegen entwickeln wir solch niederschwelligere Formate. Ich bin gespannt, wie viel Rücklauf wir aus diesem Bereich bekommen.

chilli: Inwiefern spielt Lokalkolorit eine Rolle?

Mohr: Es ist ein Anliegen, die Freiburger Szene zu aktivieren. Wir sind zwar eine internationale Veranstaltung. Aber wir können als Freiburger zeigen, was wir haben: eine unglaublich vielseitige Kulturlandschaft.

chilli: Kritiker nennen die IKF auch mal Ufo. Soll auch deswegen das Format mehr in die Stadt getragen werden?

Mohr: Das ist der Wunsch. Wir können das natürlich nur leisten, wenn Freiburg mitspielt. Für die IKF kommen viele Künstler·innen in die Stadt und dennoch gab es nur wenige Veranstaltungen, wie zum Beispiel ein Abend mit IKF-Bands, den das Jazzhaus organisiert hat. Über solche Eigeninitiativen freuen wir uns und wollen mehr davon.

chilli: Das wusste ich gar nicht.

Mohr: Ich glaube, das wissen viele nicht. Ich kriege erste Rückmeldungen, dass da Interesse da ist und freue mich darauf, die IKF abends mehr in die Stadt zu tragen.

chilli: Es sind elf Monate bis zum Event. Was ist bis dahin die größte Hürde?

Mohr: Es sind viele kleine Hürden. Die größte ist aber schon, dass überall die finanzielle Lage wahnsinnig angespannt ist. Die Kulturhaushalte sind gerade sehr beschränkt. Viele Besucher·innen der IKF kommen ja aus Kulturämtern, aus Gemeinden. Da müssen Reiseetats gekürzt werden. Da herrscht große Unsicherheit und Angst in der Branche. Auch für diese Themen wird auf der IKF Raum sein.

chilli: Was wäre Ihr ganz persönlicher Wunsch für die nächste IKF?

Mohr: Ein krachendes, vor allen Dingen vielfältiges Spektakel, das alle abholt. Und das hoffentlich auch aufmerksam macht auf die Notwendigkeit einer diversitätssensiblen Programmarbeit.

Fotos: © FWTM/Wilhem, Ellen Schmauss

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