Keine kleine Hexe – Freiburger Kriminalgeschichten Kultur | 14.07.2020 | Erika Weisser

Totenkopf

Unter den vielen Freiburger Vereinen gibt es auch einen, der sich um den kriminellen Nachwuchs kümmert. Zumindest um den literarischen: Dem Verein Freiburger Krimipreis und seinen Unterstützern ist es zu verdanken, dass alle drei Jahre eine Anthologie mit neuen, in der Region angesiedelten Kriminalfällen erscheint.Darin veröffentlichen sowohl regionale als auch überregionale Newcomer oder alte Hasen ihre spannenden, teils rein fiktiven, teils literarisch verarbeiteten authentischen Kurzgeschichten.

Bei der Ausschreibung des Krimipreises 2019/20 war die Vorgabe enger gefasst. Nach Auskunft von Anne Grießer, Krimiautorin und Initiatorin des Freiburger Krimipreises, sollte es dieses Mal um „wahre Verbrechen“ gehen, also um historisch belegte Fälle von Mord, Totschlag, Teufelspakt, Betrug, Diebstahl, Urkundenfälschung oder politischer Aufmüpfigkeit und die damit zusammenhängende Strafverfolgung: 900 Jahre Stadtgeschichte sollten in 900 Jahren Kriminal- und Verbrechensgeschichte gespiegelt werden.

Wobei Anne Grießer ausdrücklich anmerkt, dass „jede Zeit, jede Epoche, jede Gesellschaft, jeder Staat eine eigene Definition des Begriffs ‚Verbrechen‘“ habe.

Dieser Wertewandel zeigt sich etwa bei dem „Fall“, den die Freiburger Autorin Ulrike Halbe-Bauer in ihrem Stück „Knechtschaft und Liebe“ aufrollt: Der aus Hessen stammende Radikaldemokrat Wilhelm Liebknecht wurde im Herbst 1848 verhaftet und ins Freiburger Gefängnis gesteckt, nachdem er sich aktiv an den Kämpfen badischer Revolutionäre für Freiheit, Gleichheit und Demokratie beteiligt hatte – Ziele, für die hierzulande und heutzutage kein Mensch mehr zu Haftstrafen verurteilt werden würde.

Das veränderte Rechtsempfinden manifestiert sich auch anhand der Geschichte von Agatha Gatter, die gerade einmal 14 Jahre alt war, als ihre Mutter im Jahr 1603 als Hexe verbrannt wurde. Da sie dadurch selbst als Hexe galt, drohte ihr nach zwei Jahren Gewahrsam und der anschließenden sogenannten „peinlichen Prüfung“ das gleiche Schicksal, vor dem sie nur die Menschlichkeit eines aufmerksamen und gewieften Advokaten bewahrte. „Der gute Geist“ nennt die Paderborner Autorin Katja Segin diesen eher aus heutigem Selbstverständnis handelnden Mann in ihrem Beitrag zum Krimipreis; sie belegte damit sogar den ersten Platz.

Die Lesung der drei Preisträger, die im Mai im Polizeirevier Nord geplant war, musste wegen Corona abgesagt werden. Ihre Geschichten – und 22 weitere – sind jedoch im soeben erschienenen Buch „Diebe, Mörder Galgenstricke“ nachzulesen.

Freiburger Krimi_Diebe Moerder Galgenstricke

Diebe, Mörder, Galgenstricke
von Anne Grießer (Hg.)
Verlag: Wellhöfer, 2020
300 Seiten, Taschenbuch
Preis: 12,95 Euro

 

 

 

Foto: © Pixabay.com/Devanath