Stürmische Resonanz: Wie der Renaissence-Maler Matthias Grünewald bis heute wirkt Kultur | 12.12.2019 | Erika Weisser

Isenheimer Altar

Im Wintersemester 2015/16 gab es beim Studium Generale der Universität Freiburg eine Vortragsreihe zu Werk und Wirkung des zwischen 1512 und 1516 geschaffenen Isenheimer Altars von Matthias Grünewald, der seit 1793 im Musée d’Unterlinden in Colmar aufgestellt ist.

Neun der zehn in der Samstagsuni gehaltenen Referate haben die beiden Freiburger Literaturwissenschaftler Werner Frick und Günter Schnitzler nun in einem ebenso kenntnisreich wie reich bebilderten Buch herausgegeben. „Kaum ein Kunstwerk“, schreiben die beiden Professoren für Neuere Deutsche Literatur in ihrem Vorwort, habe „eine derart breite lebendige und auch ertragreiche Rezeption“ erfahren. Schnitzler, bis 2017 Leiter des Freiburger Studium Generale, und sein Nachfolger Frick hatten die fächerübergreifende Vortragsreihe organisiert, da sie festgestellt hatten, dass diese „kostbarste Ikone der Kunst in der Oberrhein-Region“ ihre Wirkung nicht nur in der Bildenden Kunst, sondern auch in Musik und Literatur, in Philosophie und Theologie entfaltet hat.

Und das bis in die Gegenwart: Das „exzeptionelle Werk“ habe seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine „geradezu stürmische“ Resonanz ausgelöst und „in vielen Schöpfungen auch der Nachbarkünste“ ihren Ausdruck gefunden, insbesondere im 20.Jahrhundert.

Ein Beispiel wird im Beitrag der Musikwissenschaftlerin Susanne Schaal-Gotthardt manifest. Die ehemalige Freiburger Studentin und heutige Direktorin des Hindemith Instituts Frankfurt konstatiert, dass Paul Hindemiths 1938 uraufgeführte Oper „Mathis der Maler“ nicht nur starke Bezüge zum Leben und zu der Zeit Grünewalds aufweist, sondern dass sogar die Altarbilder „Eingang in den Handlungsstrang der Oper“ finden. In etlichen Dialogszenen sei von Bildern die Rede, die in ihrer Beschreibung eine „frappierende Ähnlichkeit zum Isenheim-Altar“ aufwiesen.

Der Beitrag des Heidelberger Kunsthistorikers Dietrich Schubert beschäftigt sich mit Grünewald-Impulsen im Werk von Otto Dix. Anhand einiger Kreuzigungsszenarien seiner Bilder weist er den Einfluss Grünewalds auch auf diesen Maler nach, der nach dem Ersten Weltkrieg in einem Gefangenenlager in der Nähe von Colmar interniert war. Und er stellt Bezüge zu Alfred Hrdlicka her, der den Altar nie im Original gesehen hat.

Diese und die teilweise auch von Freiburger Wissenschaftlern verfassten Beiträge machen das Buch zu einer Fundgrube. Fricks eigener, zum Abschluss der Vortragsreihe gehaltener Beitrag, ist darin allerdings leider nicht enthalten. Dass der ursprünglich für die Spitalkapelle des Antoniterklosters im elsässischen Isenheim geschaffene Altar eine ungebrochene Anziehung ausübt, zeigen die Eintrittszahlen des Musée d’Unterlinden. Dort wird Matthias Grünewalds Meisterwerk derzeit übrigens ebenso sorgfältig wie aufwendig restauriert – unter den Augen der Besucher.

Cover

Der Insenheimer Altar
von Werner Frick &
Günter Schnitzler (Hg)
Werk und Wirkung
Verlag : Rombach
286 Seiten, broschiert
Preis: 48 Euro

 

 

Foto: @ Musée Unterlinden, Colmar