Popbeauftragter gesucht: "Keine Lust auf einen Diktator" STADTGEPLAUDER | 14.06.2017

Zum 1. Oktober soll Freiburgs Popbeauftrager im Amt sein (das chilli berichtete). Eine halbe Stelle ist mit 50.000 Euro auf zwei Jahre finanziert. Doch was kann ein Pophelfer bewirken? Was nicht? Was erwartet die Szene? Ein Kenner warnt sogar vor einem „Diktator“.

Profilsuche: Soll der Popbeauftragte Großevents planen?

Der Gemeinderat hat Anfang Mai überraschend beschlossen, das Freiburg einen Popbeauftragten bekommt. Die Freude war mancherorts groß. Endlich kriegt Freiburg, was Stuttgart oder Mannheim längst haben, so der Tenor. Jemand, der Szene, Bands und Kunst pusht, vermarktet, etabliert, fördert, versteht … Aber geht das überhaupt? Noch ist nicht einmal geklärt, was der Popbeauftragte im Detail machen soll. Und nicht alle sind begeistert.

So hat ein Vertreter der Freiburger Szene „keine Lust auf einen Diktator“, der vorschreibt, was laufen kann und was nicht. „Die 50.000 Euro sind besser direkt in Bands investiert“, sagt er. So könne man mehr erreichen als mit einer Stelle. Die koste möglicherweise mehr als sie einbringe, so die Kritik.

„Das ist zu kurz gedacht“, sagt Björn Jakob. Der Freiburger Musikmanager (unter anderem von Fatcat und Tonewood) sieht Potenzial in dem Posten – wenn er langfristig wirken kann. „In drei bis fünf Jahren kann ein Popbeauftrager 150.000 bis 200.000 Euro Fördermittel in die Stadt holen“, schätzt der hKDM-Master-Student.

„Berge kann der Popbeauftrage keine versetzen, das ist ja nur eine halbe Stelle“, sagt Jakob. Erst nach zwei, drei Jahren könne die Arbeit nach außen hin sichtbar werden. Projektstrukturen müssten langfristig aufgebaut werden. Möglicherweise könne so aus der halben auch eine ganze Stelle werden.

Peter Polaris

Für diese ganze Stelle hat sich einer bereits ins Gespräch gebracht. DJ Peter Polaris alias Peter Winkler legte eigenhändig die Facebookseite Popbeauftragter Freiburg an und dann noch das Profil Thema Popbeauftragter Freiburg. Dort bezog der 50-Jährige Stellung, äußerte sich zu möglichen Aufgaben des neuen Amtes. Er sei seit 1988 in der Szene unterwegs, als DJ und Musikjournalist, schreibt Winkler. Also ein Bewerber?

„Grundsätzlich halte ich den Job für hoch spannend, sofern der noch ausstehende Stellenbeschrieb dann auch die gesteckten Erwartungen erfüllt“, schreibt er dem chilli. Doch das Thema sei umfangreich, eine halbe Stelle möglicherweise zu wenig. Die Stellenausschreibung möchte er sich gründlich ansehen. „Wenn mich das Konzept überzeugt, schmeiße ich meinen Hut in den Ring“, erklärt Winkler. Seit 2008 arbeitet er in der Schweiz, wohnt aber weiterhin in Freiburg.

Sollte der Popbeauftragte Freiburger sein? „Das wäre wünschenswert“, sagt Nicolas Rogoll von der Interessensgemeinschaft (IG) Subkultur. Wer von außen komme, verliere wertvolle Zeit, um sich hier einzuarbeiten. Seine IG hat das Thema zuletzt auf den Plan gerufen. Mit einer Gala im Februar lenkte sie das Interesse auf ihre Themen: Proberaummangel, fehlenden Freiräume, Veranstalter und Clubbetreiber in Nöten.

Nicolas Rogoll

Zu diesen speziellen Freiburger Aspekten wünscht sich die IG vom Popbeauftragten Support. „Grundvoraussetzung dafür ist zu wissen, was es bedeutet, selbst etwas auf die Beine zu stellen“, sagt Rogoll, der als DJ Michael Ellis aktiv ist. Einblicke in ehrenamtliche Arbeit und eigene Kreativprojekte seien für das Amt essentiell. Um Aufgabenfelder des Popbeauftragten auszuloten, lädt die IG Subkultur im Juni zu zwei Info- und Diskussionsrunden. Im Juli soll es dann eine abschließende Diskussion geben (Details siehe unten).

Bei den Veranstaltungen könnte möglicherweise auch Peter James dabei sein. Der 65-jährige Leiter des Popbüros Region Stuttgart war schon im Februar als Gast bei einer IG-Subkultur-Diskussion in Freiburg. „Die Aufgaben eines Popbeauftragen sind extrem komplex“, sagt er, die Bandbreite sei enorm. Dennoch nennt er wichtige Punkte: Übungsraumbeschaffung, Wissenstransfer, Galas. „Der Popbeauftragte ist ein Übersetzer“, betont James. Er müsse Wünsche und Bedürfnisse der Szene in die Stadtverwaltung kommunizieren. „Denen unsere Welt erklären“, nennt er das. Anders als in Szenekreisen vermutet, seien in Rathäusern durchaus offene Ohren und Verständnis vorhanden. „Man muss es aber übersetzen“, sagt James. Dialog stehe über allem.

Kunst zu 100 Prozent zu finanzieren, bringe jedoch nix. „Man braucht als Künstler auch Eigenantrieb“, sagt James. Der Freiburger Björn Jakob sieht das ähnlich. Wer unbedingt proben wollen, finde eine Gelegenheit. Infos zur Szene zu sammeln und Verzeichnisse anzulegen, werde dafür überschätzt. „Leute zu treffen, ist wichtiger“,  unterstreicht James.

Peter James

50.000 Euro auf zwei Jahre sieht er als zartes Pflänzchen. Aber dennoch als guten Anfang. Die Gefahr, dass die Stelle mehr kostet als sie bringt, ist für ihn gering. „Wir haben hier den Faktor 1,5 bei Drittmitteln“, sagt James. Es werde deutlich mehr reingeholt, als der Aufwand koste. Vergleichen lässt sich das aber nur bedingt: Fünf Festangestellte arbeiten im Stuttgarter Popbüro, unterstützt werden sie von drei Praktikanten sowie Volontären. Seit zehn Jahren schon gibt es die Einrichtung in der Landeshauptstadt.

Und wer wird’s in Freiburg? „An Bewerbern wird’s uns sicher nicht mangeln“, sagt Bernd Dallmann, Chef der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH. Dort ist die Stelle angesiedelt. Erste Interessenten haben sich bereits gemeldet, bestätigt Dallmann. Er selbst sowie Vertreter des Kulturamtes werden am Ende entscheiden, wer den Zuschlag bekommt. „Bei der IG Subkultur will man sich noch nicht mit Kandidaten beschäftigen“, sagt Nicolas Rogoll. Man könne sich aber durchaus vorstellen, jemand aus den eigenen Reihen ins Rennen zu schicken. Auch Stadtrat Atai Keller (Kulturliste Freiburg) warnt vor zu schneller Kandidatensuche: „Jetzt mal langsam. Erstmal klären wir, was der überhaupt machen soll.“

Termine der IG Subkultur

  • Donnerstag, 22. Juni, 20 Uhr | Hilda5/ Kulturaggregat
    Info & Diskussion: Wo kommt der Popbeauftragte ins Spiel? – Raumnot
  • 29. Juni 2017, 20 Uhr | Tangobrunnen, Rempartstraße
    Info & Diskussion: Wo kommt der Popbeauftragte ins Spiel? – Stadtplanung und Kultur
  • Juli (Termin noch offen)
    abschließende Podiumsdiskussion

Text: Till Neumann; Bilder: Till Neumann, pixabay, privat

http://chilli-freiburg.de/02-freiburg/ein-echter-armstrong-popbeauftragter-soll-zum-herbst-starten/