Sturm in der Schullandschaft – Von Kompass 4 bis G9 – was kommt auf Schüler·innen künftig zu? Pädagogik | 25.03.2025 | Reinhold Wagner

Schülerin und Schüler

Mehr Bildungsgerechtigkeit, eine bessere Anpassung an die Herausforderungen der Zeit: Mit diesen Zielen hat die Landesregierung im Sommer vergangenen Jahres eine Bildungsreform auf den Weg gebracht, die die Schullandschaft nachhaltig verändern soll. Umfassende Maßnahmen zur Sprachförderung, ein Test für Viertklässler in den Kernfächern Deutsch und Mathematik sowie die Rückkehr zu G9 zählen zu den Reform- und Verbesserungsvorschlägen. Doch es regt sich Kritik – weil Lehrkräfte fehlen, Konzepte zu allgemein gefasst sind oder zu wenig Zeit und finanzielle Unterstützung bleibt.

Aktuell in der Diskussion ist der sogenannte „Kompass 4“-Test. Er wurde von der baden-württembergischen Landesregierung Ende vergangenen Jahres als Antwort auf den mangelhaften Leistungsdurchschnitt der Schüler an deutschen Grundschulen eingeführt. Bildungsstudien hatten etwa im Jahr 2022 gezeigt, dass jedes fünfte Kind die Mindeststandards in den Fächern Deutsch und Mathematik nicht schaffte. Die Teilnahme am landesweit durchgeführten Kompetenztest soll nun Aufschluss darüber geben, wie die Viertklässler aktuell dastehen. Im November 2024 wurde erstmals ein für alle einheitlicher Leistungstest durchgeführt mit Fragen zu den Themen „Deutsch“ (Leseverständnis, Rechtschreiben, Sprachgebrauch) und „Mathematik“ (Zahlen und Operationen, Raum und Form, Größen und Messen, Daten, Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit). Die Ergebnisse sollen künftig darüber mitentscheiden, wer auf ein Gymnasium darf und wer nicht.

Zu dieser neuen, verbindlichen Grundschulempfehlung gehören neben dem Kompetenztest außerdem die Komponenten „Lehrerempfehlung“ und „Elternwunsch“. Bislang lag – seit 2013 – diese Entscheidung allein bei den Eltern. Die Landesregierung will mit Einbindung des Tests in die Grundschulempfehlung Kindern Frust ersparen, die den Leistungserwartungen am Gymnasium nicht gerecht werden können – vor allem aber wohl einen „Run“ auf das neue G9-Gymnasium zu unterbinden.

Denn die Rückkehr zum einst üblichen neunjährigen Gymnasium (G9) ist fest beschlossen. Dieser Schritt – unter dem massiven Druck einer Elterninitiative auf den Weg gebracht – sollte in erster Linie für Entspannung im Unterricht sorgen. Doch „ein Jahr länger“ bedeutet nicht in jedem Fall auch „ein Jahr mehr Zeit“ – etwa für den Unterricht und außerschulische Angebote. Mit der „Rückkehr“ zu G9 verbunden ist eine Kürzung der wöchentlichen Stundenzahl und damit oft eine Streichung des Nachmittags- und Ganztagsangebots an Schulen. Damit einhergehen würden Umstrukturierungen von Klassen und Unterricht, aber auch zusätzliche, neu einzuführende Angebote und Lerninhalte.

Die Auswirkungen all dieser Neuerungen sorgen nicht für Erleichterung und Entspannung, geschweige denn mehr Motivation bei Schüler·innen wie Eltern und Lehrkräften. Viele sind verunsichert, schlichtweg überfordert oder sehen Verallgemeinerungen und allgemeingültige Regelungen für alle als Hemmnis individueller Wahlfreiheit und als eine Zementierung bestehender Bildungsungerechtigkeit.

Lehrerin mit Schülern

Lehrkräfte halten den Leistungstest für wenig hilfreich, Schüler·innen sind gestresst, Eltern irritiert. Trotzdem will die Landesregierung am Kompass 4 festhalten.

Die Landesbildungsgewerkschaft GEW hält nach einer aktuellen Umfrage an Grundschulen den Kompetenztest bereits für gescheitert und erwägt juristische Schritte dagegen. Der Vorsitzende des Landeselternbeirats, Sebastian Kölsch aus Freiburg, fordert, ihn zumindest für dieses Jahr auszusetzen. Und manche Lehrkraft hat Bedenken, der Test könne bei Kindern zu Demotivation und Versagensängsten führen. Während die eine Seite noch an akzeptierbaren Modifikationen arbeitet, brütet die andere bereits darüber, wie sie mit den Veränderungen umgehen soll. Und obendrein stehen in diesem Frühjahr auch noch Wahlen und damit verbundene Koalitionsneubildungen an, die möglicherweise einiges neu entscheiden werden. Die Weichen für 2025 sind damit noch nicht endgültig gestellt.

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