Das Tierheim der Monster – Dragon Shelter kümmert sich um ungeliebte Reptilien Tierschutz | 14.06.2023 | Jennifer Patrias

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Allein in den Sommerferien werden hierzulande jährlich zwischen 50.000 und 80.000 Tiere ausgesetzt oder weggegeben. Nicht nur Hunde und Katzen, sondern auch Kleintiere und Reptilien. Während die gängigen Arten in Tierheimen untergebracht werden, ist die Lage bei den Reptilien weitaus schwieriger. Der Freiburger Verein Dragon Shelter gibt ihnen ein vor­übergehendes Zuhause.

„Bei uns ist es fast wie im Tierheim“, sagt Lea Hinz und lacht. Seit sieben Jahren kümmert sich die 25-Jährige leidenschaftlich um bedürftige Reptilien. Die Idee dahinter ist simpel: ungeliebten Tieren ein sicheres Zuhause bieten. „Das hat ziemlich unspektakulär angefangen“, erinnert sie sich. „Vor sieben Jahren haben unser erster Vorstand, Johannes Bockstaller, und ich in der Reptilienabteilung einer Zoohandlung gearbeitet“, erklärt Hinz. Die Nachfrage nach Reptilien war groß, doch die Frage nach der Rückgabe der Tiere noch größer. Da Zoohandlungen keine Tiere zurücknehmen dürfen, beschlossen die beiden, die Tiere privat aufzunehmen. Das klappte anfangs ganz gut, doch die Tiere vermehrten sich schnell. Kurzerhand gründeten Bockstaller und Hinz die Dragon Shelter – und zogen an die Dreikönigsstraße.

Lea Hinz, Stefan Oberst und Gesa Ruckenbrod (v. l.)

Lea Hinz, Stefan Oberst und Gesa Ruckenbrod (v. l.) freuen sich über neuen Zuwachs.

Seitdem vermittelt Hinz gemeinsam mit 13 weiteren aktiven Mitgliedern Reptilien an neue Besitzer. „Die meisten vermitteln wir aus unserem Bestand, aber viele bleiben auch bei ihren alten Besitzern und werden direkt an ein neues Herrchen vermittelt“, erklärt der zweite Vorstand Stefan Oberst. Das funktioniert, auch weil der Verein inzwischen gut vernetzt ist. Doch auch sie kommen an ihre Grenzen, denn in den Sommerferien und kurz nach Weihnachten ist der Zuwachs doppelt so hoch. „Oft ist es so, dass sich Kinder ein Reptil wünschen und die Eltern erst danach merken, dass es kein friedliches Haustier ist“, meint Oberst.

So auch bei Chamäleon Pascal, der die Shelters seit einiger Zeit auf Trab hält. „Eine Familie hat ihn gekauft, weil sie die Disneyverfilmung Rapunzel gesehen haben“, sagt der 40-Jährige. Die Problematik: Das Tier glich nicht dem im Film und konnte weder sprechen noch seine Farbe wechseln. „Manchmal kommen die Tiere aber auch als blinde Passagiere zu uns“, erklärt Gesa Ruckenbrod vom Verein. So sind vergangenes Jahr in einem Koffer unwissentlich 15 Skorpione von Italien nach Deutschland gereist – und anschließend bei Oberst und Ruckenbrod untergekommen.

Jemenchamäleon-„Pascal“

Jemenchamäleon „Pascal“

150 Tiere betreuen die Vereinsmitglieder momentan – darunter Schlangen, Spinnen, Warane, Geckos und Schildkröten. „Tatsächlich haben wir extrem viele Fundtiere, die über außergewöhnliche Wege zu uns kommen“, sagt Hinz. So auch die Klapperschlange Rocket, die ihren Besitzer durch einen giftigen Biss getötet hat. „Das lag aber daran, dass er Rocket mit einer Pinzette gefüttert hat und sich nicht im Klaren darüber war, dass Schlangen auch danebenbeißen“, erklärt Oberst.

Gerade deshalb hantieren die Shelters bei ihren Gifttieren mit strengen Sicherheitsvorkehrungen. „Eine Person steht mit dem Handy bereit, die im Ernstfall den Notruf wählt. Eine andere hat einen Gegenstand in der Hand, um das Tier wegzuschieben, und die dritte kümmert sich um das Tier“, erklärt Hinz. Besonders bei Schlangen und Schnappschildkröten sei das lebenswichtig – denn die können mit einem einzigen Biss einen ganzen Finger abbeißen.

Spornschildkröte-„Lola“

Spornschildkröte „Lola“

Ihr jüngstes Projekt ist eine Herzensangelegenheit, denn die Schildkrötenabgabe hat sich in den letzten Jahren zu einem Boom entwickelt. „Wir haben eine Schildkrötenaktion gestartet, bei der wir schauen, ob die Wasserschildkröten in den Freiburger Seen einheimisch sind oder nicht“, sagt Ruckenbrod. Zurzeit beherbergen Deutschlands Seen 42 verschiedene invasive Schildkrötenarten. Sie zerstören die hiesige Fauna, töten Frösche und Krebse und erhöhen das Risiko, dass die Tigermücke sich hier heimisch fühlt. Das Ziel: Die eindringenden Arten einsammeln und sie in ein Becken bringen, wo sie geschützt sind und so versorgt werden können, ohne etwas zu zerstören. „Dazu benötigen wir aber das öffentliche Interesse der Stadt“, sagt der Vorstand des Monstertierheims.

Fotos: Dragon Shelter; Jennifer Patrias