Freiburg beschließt Rekordhaushalt: Neue Schulden, alte Probleme Kommunen | 10.05.2023 | Lars Bargmann

Grafik: mehrere Münztürme

Der Freiburger Gemeinderat hat gestern Abend mit 35 von 48 Stimmen den Haushalt für die Jahre 2023 und 2024 beschlossen. Er sieht rund 80 Millionen Euro neue Schulden vor. Sechs Millionen Euro mehr als die Rathausspitze wollte, haben die Stadträte am Ende verabschiedet. Insgesamt umfasst der Haushalt jetzt 2,46 Milliarden Euro, etwa 40 Millionen mehr als im Entwurf von Oberbürgermeister Martin Horn und Finanzbürgermeister Stefan Breiter standen. Das Freiburger Regierungspräsidium muss das Werk noch genehmigen.

Wie immer gibt es Gewinner und Verlierer bei den Beratungen. Wie immer haben die Fraktionen Bündnisse geschmiedet, frei nach dem Motto „Wenn ihr bei unserem Punkt X mitstimmt, heben wir bei eurem Punkt Y die Hand“. Dabei hatten Grüne, SPD/Kulturliste und die JUPI-Fraktion mit insgesamt 25 von 48 Sitzen sehr oft gemeinsame Sache gemacht. Die sogenannte bürgerliche Mitte war da weniger erfolgreich.

Die gut sechs Millionen mehr an Ausgaben, vor allem für Kultur und Soziales, sind bei dem Volumen zwar keine große Zahl: Aber wenn im Haushalt nur vier Millionen Euro für Grundstückskäufe stehen, dann müsste es sich eigentlich verbieten, vom der vielbeschworenen „aktiven Liegenschaftspolitik“ zu sprechen. Und anders als bei Grundstücken sind die sechs Millionen zumeist immer wiederkehrende Ausgaben.

Zu den Gewinnern im Kulturbereich zählen etwa der Verein Delphi-Space (50.000 Euro), das Beratungsangebot „Capoa“ für die afrikanische Community (45.000 Euro), der Christopher-Street-Day (40.000 Euro), das Ensemble Recherche (80.000), das Festival „Freiburg stimmt ein“ oder auch das ZMF (je 60.000). Der JUPI-Fraktion gelang durchaus überraschend, auch noch eine Mehrheit für 220.000 Euro für eine Kulturstraßenbahn – eine ausrangierte der VAG – zu organisieren. Wo die stehen soll, ist allerdings noch völlig unklar. Vielleicht auf dem neuen Messplatz?

Im sozialen Bereich werden neben zig anderen profitieren der Verein Wendepunkt, die Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch (120.000 Euro mehr), das Frauen- und Kinderschutzhaus (123.000) oder die Geflüchteten-Werkstatt p3 (96.000). Der Bezirksverein für soziale Rechtspflege bekommt für sein Anti-Gewalt-Training und das Arbeitsprojekt mit Ex-Häftlingen 77.000 Euro. 280.000 mehr will der Gemeinderat in die Inklusion an Schulen stecken, 130.000 mehr gibt es für die raumnotgeplagte Musikschule.

Eine heiße Debatte gab es im Vorfeld um ein neues Feuerwehrhaus in Kappel. Nach einigem Hickhack werden nun zumindest mal 100.000 Euro als Planungsrate in den Haushalt eingetragen. Gegen den Willen der Bürgermeisterbank. Vor allem Baubürgermeister Martin Haag hatte dagegen argumentiert, weil eine Bedarfsanalyse in Arbeit sei.

Freiburg hat den zweithöchsten Gewerbesteuerhebesatz im Ländle

Der Gemeinderat gibt nicht nur mehr Geld aus, er beschloss auch die Erhöhung der Vergnügungssteuer auf Glücksspielautomaten um 5 auf 29 Prozent, was eine gute Million mehr bringen soll. Und die Hundesteuer wird erhöht. Keine Mehrheit gab es für das Alle-Jahre-wieder-Thema Erhöhung der Gewerbesteuer.  Die Fraktion Eine Stadt für Alle (ESfA) wollte den Hebesatz von 430 auf 450 erhöhen. Weil auf der anderen Seite die viel disktutierte Steigerung der Kita-Gebühren (um 17 Prozent ab Herbst) beschlossen wurde, lehnte sie den Haushalt ab. Freiburg hat derzeit hinter Pforzheim (445) schon den zweithöchsten Hebesatz in Baden-Württemberg.

Die Gewerbesteuer ist neben den Schlüsselzuweisungen des Landes der wichtigste Einnahmeposten fürs Rathaus. Aktuell geht Finanzbürgermeister Stefan Breiter von jährlichen Einnahmen in Höhe von 273 Millionen Euro aus.

Der Doppelhaushalt der Stadt Freiburg sieht insgesamt im Vergleich zu 2022 fast 60 Millionen Euro Mehrausgaben für Tarif- und Besoldungserhöhungen vor. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi feierte das Verhandlungsergebnis für die Beschäftigen im öffentlichen Dienst mit im Schnitt elf Prozent mehr Lohn am 23. April als „historisch“.

Mit der geplanten Neuverschuldung des Rathauses, wenn sie voll in Anspruch genommen wird, wird den Schuldberg der Stadt bis Ende 2024 auf knapp 380 Millionen wachsen. Geplant sind zudem gut 66 Millionen Euro für kurzfristige Kredite zur Sicherstellung der Liquidität.

Nimmt man den Konzern Stadt Freiburg in den Blick, also das Rathaus mit all seinen Eigenbetrieben und Beteiligungen, steht er Ende 2024 mit knapp zwei Milliarden Euro in der Kreide. „Ein Schuldenstand von nahezu zwei Milliarden Euro bedeutet nichts anderes, als dass der Stadt Freiburg und damit natürlich auch dem Gemeinderat mannigfaltige Handlungs- und Gestaltungsoptionen genommen werden, denn allein die Belastung durch die für die Schulden entstehenden Zinsen wird ein Volumen von jährlich circa 50 Millionen Euro erreichen“, rechnete Freie-Wähler-Fraktionschef Johannes Gröger vor.

Man müsse den Finanzstatus der Stadt Freiburg als „geradezu dramatisch beschreiben. Nachhaltige Politik sieht nach Auffassung der Fraktion der Freien Wähler anders aus.“ Es ist auf der anderen Seite sehr unwahrscheinlich, dass die Stadtverwaltung die geplanten 246 Millionen Euro an Investitionen überhaupt umsetzen kann.

Das Regierungspräsidium Freiburg muss den Haushalt als Aufsichtsbehörde noch genehmigen. Was es bis heute aber immer getan hat. „Das RP ist unsere Aufsicht, aber nicht erziehungsberechtigt“, sagt ein hochrangiger Beamter im Rathaus. „Wenn wir am Ende des Tages alle Haushalte genehmigen, dann heißt das, dass wir vorher gut gewirkt haben“, so Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer im Gespräch mit dem business im Breisgau. Und es seien beileibe nicht immer einfache Gespräche mit den Kommunen.

Illustration: © Freepik, Collage:  © Miriam Hinze