Go ahead! Unterwegs mit einem Schlittehundegespann Freizeit | 02.01.2020 | Jakob Steiner

Schlittenhunde

Seit gut einem Jahrzehnt ist Roland Sum einer der erfolgreichsten Fahrer bei Schlittenhunderennen in ganz Europa. Auch in diesem Winter ist er mit seinen Hunden wieder am Start. REGIO-Autor Jakob Steiner war mit ihm und dem Hundegespann beim Training.

Mit einem Knall löst sich die Bremse und der Wagen macht einen Satz nach vorne. Die kalte Novemberluft schlägt Roland Sum ins Gesicht. Mit aller Kraft hängen sich sieben sibirische Huskys in das Gespann. Der Weg führt direkt in den Tannenwald. Sofort zieht der intensive Geruch von Harz und Nadeln in die Nase. Nur noch wenige Lichtstrahlen brechen durchs dichte Geäst. Das Surren der Räder wird vom Schnaufen der Hunde begleitet.

„Im Winter muss alles stimmen“, weiß der 45-jährige Bergbauer. Das Training beginnt daher schon im Herbst. Solange noch kein Schnee liegt, ziehen die Hunde eine Spezialanfertigung, die an eine Mischung aus Mountainbike und antikem Rennwagen erinnert. Das Rudel des gebürtigen Wolfachers besteht aus acht sibirischen Huskys und zwei Greystern. Ein guter Schlittenhund ist besonders kräftig und ausdauernd. Dazu kommt eine enorme Laufbereitschaft, auch „Desire to Run“ genannt. Ein unbändiger Trieb, der vor dem eigentlichen Rennen besonders deutlich wird. Der größte von Sums Huskys, „Champer“, gerät dann manchmal derart in Rage, dass er sich die Pfoten an seiner Box blutig kratzt.

Und auch auf der Fahrt zur Trainingsstrecke beginnen die Tiere schon, unruhig zu werden. Ihr wehleidiges Jaulen endet beim Einspannen dann damit, dass das komplette Rudel schreit und bellt, als ginge es ums Überleben. Der Trainingswagen ist mit einem Karabiner an Sums Kleinbus gehängt, denn auf ihrer Rennposition beginnen die Hunde sofort wie wild zu ziehen – bis endlich alle eingespannt sind und es losgeht.

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Die Huskys ziehen am liebsten im Rudel einen Schlitten.

Frostig ist es an diesem Trainingstag. Schneeflocken tanzen über den Tannenwipfeln. Am Boden wirbeln sie mit den flinken Hunden um die Wette. Man kann dem ganzen Rudel die Befriedigung ansehen. Sie scheinen fast zu grinsen, während sie sich durch den aufgewühlten Waldboden arbeiten. Jeder Muskel der schlanken Tiere ist angespannt. Es klatscht, wenn sich die Pfoten in den aufgeweichten Lehmboden graben. Gleichzeitig prasseln lehmige Erde, Steinchen und Äste auf Sum, seine Huskys und den Reporter im Schutzanzug ein. „Es gibt kein falsches Wetter, nur falsche Kleidung“, sagt Sum und lacht.

Vor dem Schlittenhundefahren pflügte der Wolfacher mit Motocross und Quad durchs Gelände. Um im Winter nicht außer Form zu kommen, fing er mit Langlaufen an. Da er sich da „ziemlich dusselig“ angestellt habe, stieg er auf Skijöring um. Hierbei wird der Langläufer von einem Pferd oder Hund gezogen. Eine gute Sache, dachte Sum, da er sich schon länger einen Hund zulegen wollte. Es dauerte nicht lange und aus dem Langläufer wurde der Europameister im Skijöring. Darauf folgten die Schlittenhunde. Auch hier ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten: Deutschlandmeister, Schweizer Vize-Meister, WM-Qualifikation.

Die Schlittenhunde geben Sum ein Gefühl von Freiheit. Wenn die Kufen über den Schnee gleiten, kann er abschalten. Nur der Weg zählt noch. Der Trubel der Städte ist weit entfernt – die Wildnis des Schwarzwalds dafür umso näher. Das Gespann passiert verschneite Wälder und weitläufige Täler. Begleitet wird es nur vom Heulen des Windes. Gefrorene Atemluft steigt in den kristallklaren Himmel.

Konditionstraining auf dem Programm

Sum beeindruckt vor allem mit der Konstanz seiner Erfolge. „Wenn keine Verletzungen im Weg waren, ist er immer an der Spitze mitgefahren“, berichtet seine Freundin Barbara alias „Babs“ Caduff. Die Schweizerin ist ebenfalls eine professionelle Schlittenhundeführerin und möchte dieses Jahr um die Schweizer Meisterschaft mitfahren. Sum lässt es in der Hinsicht mittlerweile etwas ruhiger angehen. Denn Ruhe und Einsamkeit sind auf Wettkämpfen nur schwer zu finden.

Auf der Trainingsstrecke schlittert Sum gekonnt um eine Kurve. Insgesamt fünf Bremsen geben ihm die maximale Kontrolle über sein Gefährt. Ein langgezogenes „Geeee!“ signalisiert den Huskys, rechts abzubiegen. Ohne zu zögern folgen sie der Anweisung. Über eine Bodenwelle geht es vom Hauptweg auf einen kleinen Pfad. Für einen kurzen Moment wird der Wagen in die Luft katapultiert. Die Federung quittiert den luftigen Ausflug beim Aufprall mit einem Ächzen. Mit lautem Knacken zerbrechen einige Tannenzweige, sobald sich das Reifenprofil wieder in den Waldboden gräbt. „Go Ahead!“, feuert Sum seine Huskys weiter an.

Derartige Manöver lassen sich nur mit einem absolut folgsamen Rudel umsetzen. „Am wichtigsten ist es, dass die Hunde mir vertrauen und ich auch den Hunden vertrauen kann“, weiß er. Das Trainingsprogramm, das Sum über die Jahre ausgearbeitet hat, entspricht nicht dem Standard. Dafür ist es optimal auf ihn und seine Hunde abgestimmt. Im Herbst und Winter wird quasi täglich trainiert. Vor allem Kondition steht auf dem Programm. „Die letzten Körnchen sollen sie sich für den Wettkampf aufsparen“, sagt er. Denn es gibt noch einen extra Kick für die Hunde, wenn sie nur beim Rennen ihre Höchstgeschwindigkeit ausspielen dürfen.

Vor jedem Rennen muss Sum sich eine Aufstellung überlegen, die optimal zu der Wettkampfsituation passt. Einmal reichten ihm nur fünf Hunde, um in der Sechs-Hunde-Klasse zu gewinnen. Aber er und seine Hunde sind nicht nur gut aufeinander abgestimmt, sondern auch sehr ehrgeizig. „Rennen fahren, um dabei zu sein, ist für mich falsch“, sagt Sum, und so, wie seine Hunde rennen, müssen sie derselben Meinung sein.

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Bereit für die Trockenübung: Roland Sum mit seinen Trainingsgefährten.

Zurück in Wolfach kommen die Tiere in ein großes Gehege – Schwarzwaldpanorama inklusive. Jetzt ist es Zeit für Leckerlis und Streicheleinheiten. Die Hunde sind schon längst Teil der Familie. Wenn Sum auf seine Zeit als Schlittenhundführer zurückblickt, dann bleibt er dabei sehr bodenständig. Er sei vor allem stolz auf die Hunde und seinen Sponsoren dankbar, da sie ihm den teuren Sport ermöglichen. Gerade diesen Gönnern, wie Sum sie nennt, möchte er auch in Zukunft sportlich etwas bieten. Neue Hunde möchte er sich aber nicht anschaffen: „Wir werden jetzt als Team alt.“

Fotos: © Fabian Schwizgebel, Jakob Steiner