Herzlich leben: Hausach im Porträt Freizeit | 05.12.2019 | Arwen Stock

Hausach

Unter Dichtern und Schriftstellern ist Hausach wohlbekannt, schließlich findet dort laut Kritikern eines der spannendsten Literaturfestivals in Mitteleuropa statt. Doch das Städtchen im mittleren Kinzigtal hat auch sonst viele liebenswerte Seiten.

Die Burgruine Husen ist schon von Weitem sichtbar. Sie tront über Hausach, das sich als Stadt unter der Burg ins Tal schmiegt. Auf der anderen Kinzigseite erhebt sich das Massiv des Brandenkopfs, des höchsten Berges der Region. Durch einen seiner Ausläufer bohrt sich der Sommerbergtunnel.

„Wir sind keine Touristenmetropole, sondern die Kulturhauptstadt des Kinzigtals“, betont Harmut Märtin. Der Leiter des Kultur- und Tourismusbüros spielt damit vor allem auf das Literaturfestival Hausacher Leselenz an, das seit 22 Jahren von dem dort heimischen Lyriker José F. A. Oliver kuratiert wird. Jedes Jahr zieht es Autoren, Träger verschiedener Literaturpreise und natürlich Tausende Besucher an. Namhafte Kritiker attestieren der Stadt zu Leselenz-Zeiten mittlerweile die höchste Dichterdichte Deutschlands.

Das andere bedeutende Kulturdenkmal Hausachs ist versteckter gelegen. „Die Dorfkirche ist unsere Schatztruhe“, sagt Märtin über die einstige Bergmannskirche. Das romanische Tympanon über dem „Segenstürlein“ und Teile des Langhauses stammen aus dem 11. Jahrhundert. Einige freigelegte Fresken erlauben Rückschlüsse, dass der Innenraum mit der gesamten biblischen Heilsgeschichte ausgeschmückt war. Die Darstellung des Jüngsten Gerichts an der Westwand wird um 1500 datiert. Manche sprechen die Arbeiten Martin Schongauer und seiner Werkstatt zu. Der Chor wurde später mit gotischem Rippengewölbe, der Kirchenraum noch später mit zwei barocken Seitenaltären verziert.

Doch auch jenseits dieser kulturellen Anziehungspunkte ist Hausach einen Abstecher wert. Einen klassischen Altstadtkern gibt es zwar nicht. Doch zeugen einige historische Gebäude entlang der Hauptstraße noch von Hausachs Historie. Das Bistro Triangel befindet sich in der ehemaligen Hosenträgerfabrik, die einstige Hutfabrik steht jedoch nicht mehr. Die Stadtkirche St. Mauritius thront am zentralen Klosterplatz, auf dem der Gewerbeverein Forum Hausach für den Hausacher Advent mit Weihnachtsmarkt einen regelrechten Wald aufbaut. Seit vielen Jahren mit dabei: die Bärenkind-Aktion, mit der zugunsten eines schwerkranken Kindes aus Hausach oder einer der Nachbargemeinden gesammelt wird.

Auf der anderen Straßenseite steht das Rathaus, in dem seit knapp zwei Jahren Wolfgang Hermann als Bürgermeister seinen Amtssitz hat. Der gebürtige Calwer hat sich vor seiner Bewerbung die Stadt genau angeschaut. „Die Menschen zusammen mit der Gegend sind für mich persönlich das Besondere an Hausach“, schwärmt der heute 53-Jährige. Wer einmal auf dem Käppelehof beim Essen gewesen sei, der wisse, was er meine – Offenheit und Schwarzwaldidylle pur.

Hausach-Kirche

Gotik und Fresken: Ein kunsthistorisches Juwel ist die Dorfkirche am Ortsrand von Hausach.

Industrie und Schulen

Am Eingang des Einbachtals herrscht gerade reger Baubetrieb: Die Arbeiten zur Fertigstellung des Kinzigtalbads Ortenau liegen in den letzten Zügen. Im März soll das interkommunale, 16,5 Millionen Euro teure Leuchtturmprojekt Eröffnung feiern. Hermann ist stolz auf die gute Infrastruktur vor Ort: Zum Ganzjahresfamilienbad und einem potenten Industrie- und Gewerbesektor bietet Hausach als einzige Stadt im mittleren Kinzigtal sämtliche Schulformen von G9-Gymnasium, Grund- und Gemeinschaftsschule, Kaufmännische Schule mit Wirtschaftgymnasium bis Paritätische Berufsfachschule an.

„Wir sind eine Industrie- und Bildungsstadt“, betont der Bürgermeister, „das sieht man daran, dass es in Hausach etwa 3500 Arbeitsplätze gibt und rund 2200 Schüler hier die Schule besuchen – und das bei 5800 Einwohnern.“ Die Stadt unter der Burg ist regelmäßig auch der Ort in der Ortenau mit der niedrigsten Arbeitslosenquote: 1,7 bis 1,9 Prozent bedeuten quasi Vollbeschäftigung. Industrieunternehmen wie Ucon, Hengstler, Neumayer-Tekfor, Richard Neumaier oder die Firma Ditter sind hier ansässig.

„Weiteren Wohnraum zu schaffen, das ist aktuell unsere Baustelle“, berichtet Hermann. Wegen der Hochwassergefahrenkarte sei praktisch nur noch Innenverdichtung möglich. Für den Bürgermeister muss das Gesamtpaket stimmen: „Bildung, Betreuung, Ärzte, Freizeit, wenn das alles gegeben ist, dann bekommt die Industrie auch im ländlichen Raum ihre Fachkräfte.“ Rund 80 Vereine und ein Veranstaltungskalender, der von Literaturfestival über Thaifest, die Hausacher Fasent bis zum neuen Format „Hausach tafelt weiß“ reicht, halten für jeden Geschmack etwas bereit.

Silberbergbau, Eisenbahn, Industrie

Bedeutend geworden ist Hausach durch den Silberbergbau. Unter den Zähringern wurde um 1220 die Burg Husen zum Schutz der umliegenden Gruben gebaut. Sie wurde im Dreißigjährigen Krieg zerstört und nicht wieder aufgebaut. Heute finden im Sommer zwischen ihren Ruinen Open-Air-Veranstaltungen wie die Burgfestspiele statt. Kulturell hat Hausach laut Märtin noch das Museum im Herrenhaus mit seiner Ausstellung zu Heimatgeschichte und Brauchtum zu bieten. Die Frühgeschichte des Kinzigtals, der Silberbergbau, Landwirtschaft, Eisenbahnbau und Industrieansiedelung werden dort gezeigt – genauso wie der größte je in Deutschland gefundene Turmalin.

Burg-Husen-von-oben

Burg und Stadt aus der Luft.

Neben dem Silberbergbau haben vor allem Eisenbahn und Industrie die Hausacher Stadtentwicklung geprägt. Mitte des 19. Jahrhunderts begann unter Robert Gerwig der Bau der Schwarzwaldbahn. Am 2. Juli 1866 fuhr der erste Zug von Offenburg kommend im Hausacher Bahnhof ein. Am 10. November 1873 wurde der Betrieb auf dem Abschnitt bis Villingen aufgenommen. Bereits ab 1888 war die Strecke zweigleisig befahrbar.

Bald war die Bahn größter Arbeitgeber in Hausach. Durch die Ansiedlung von Industrie- und Gewerbebetrieben, verbunden mit der endgültigen Einstellung der Flößerei 1894, entwickelte sich die Tätigkeit am Bahnhof rasant. „In den 1960er-Jahren gab es sogar eine Eisenbahnerschule in Hausach“, berichtet Märtin.
Die Zeiten, in denen bis zu 200 Personen dort am Bahnhof beschäftigt waren, sind jedoch längst vorbei. Heute ist Hausach als Knotenpunkt der Bahn immer noch gut angebunden. An Wochenenden macht einmal täglich sogar der IC Emden-Konstanz Halt. Alles in allem findet Bürgermeister Hermann: „Hier ist einfach herzliches Leben.“

Ortsinfos

Lage: Ortenaukreis. Mit dem Auto rund eine Stunde Fahrzeit von Freiburg.
Gründung: Die Anfänge des heutigen Hausachs reichen vermutlich ins fünfte bis achte Jahrhundert zurück. Die erste urkundliche Erwähnung datiert auf das Jahr 1080. Bereits damals spielten der Silberbergbau und die Ritter von Husen eine bedeutende Rolle.
Ortsteile: Einbach
Bevölkerung: 5802 Einwohner

Fotos: ©  Fotokunst Seilnacht, Stadt Hausach,   Pamoramastudio