Stürmische Zeiten: Historischer Wanderweg Freiamt Freizeit | 20.04.2019 | Tanja Senn

Wanderung-Freiamt

Die bewegte Geschichte des Schwarzwalds erwandern: Das kann man auf dem historischen Wanderweg in Freiamt – vorbei an Burgruine, Kapellen und einem ehemaligen Glashüttendorf.

Die Tour beginnt stürmisch. Launische Böen wehen das letzte Herbstlaub vom Weg am Waldesrand. Ein Zitronenfalter taumelt willenlos durch die Luft. Vom Wanderparkplatz im Ortsteil Sägplatz geht es quer über die Straße. Doch die Frühlingssonne scheint warm auf den Nasenrücken und malt gelbe Kringel auf den Schotterweg.  Von dort aus weisen Wanderschilder den Weg zur Ruine Keppenbach. Schon nach einem guten Kilometer taucht sie hinter den Bäumen auf. Von außen wirkt die Ruine unscheinbar: Mehr als ein paar eingestürzte Steinmauern sind nicht zu sehen. Über eine Holztreppe geht es ins Innere, wo sich immer noch ein Großteil des Grundrisses nachvollziehen lässt. Holztische auf sattgrünem Rasen laden dort, wo vielleicht einst Ritter und Burgherren gespeist haben, zur Rast.

Die Burg hat eine bewegte Geschichte hinter sich. 1276 zum ersten Mal urkundlich erwähnt, wurde sie bereits 110 Jahre später wieder zerstört: Auf Veranlassung des österreichischen Erzherzogs Leopold IV. haben Freiburger Bürger die Festung gestürmt. Der Grund: Die verarmten Burgherren Wolfram und Walter von Keppenbach waren dazu übergegangen, ihren Lebensunterhalt als Raubritter zu verdienen und Freiburger Handelsleute zu überfallen. 1408 bauten die Keppenbacher die Burg wieder auf. Doch auch diesmal sollte es nicht von Dauer sein: Im Bauernkrieg wurde sie 1525 endgültig zerstört. Dass Mauerreste noch bis heute zu sehen sind, verdankt die Ruine Mitgliedern der Deutschen Burgenvereinigung und örtlichen Vereinen, die den Bau bis 1982 gesichert haben.

Schätze unter der Erde

Durch einen Laubwald geht es weiter zum nächsten Wegpunkt: dem Läger. Von hier schweift der Blick über ein tolles Schwarzwaldpanorama. Das eigentliche Highlight liegt jedoch unter der Erde: Hier wurde einst, entlang des Brettenbachs, Silbererz gefunden. Eine Urkunde lässt darauf schließen, dass der Bergbau mindestens auf das Jahr 1310 zurückgeht. Später wurde in mehreren Dekaden an drei Hauptadern Silber abgebaut. Heute haben eher die Höhenzüge eine wirtschaftliche Bedeutung. Auf ihnen drehen sich an diesem stürmischen Tag emsig die Windkrafträder.

Weiter führt der Weg durch einen Nadelwald mit vielen sonnigen Abschnitten. Dort, wo sich der Wald wieder auftut, fällt der Blick auf die Schwarzwaldhöfe, die Weiden und Obstbäume von Glasig. Hier lagerte einst der zweite Schatz der Region im Boden: Sand. Mit ihm wurde in der „Glasig Sandgrube“ das Schwarzwälder Waldglas hergestellt. Es war – durch die Eisenoxide im Sand – leicht grünlich gefärbt.

Glashüttendorf

Ein weiteres Stück Schwarzwaldgeschichte: das ehemalige Glashüttendorf.

Für die Herstellung brauchten die Hütten vom 12. bis 17. Jahrhundert nicht nur Sand, auch der Holzbedarf war riesig: Für ein einziges Kilogramm Glas wurde ein Kubikmeter Holz benötigt. So summierte sich der Bedarf einer einzigen Glashütte auf jährlich 2000 bis 3000 Festmeter Holz. Nicht nur in Freiamt, sondern im ganzen Schwarzwald war die Glasmacherei ein traditionelles Handwerk. Die kargen Böden, die vielen Bachläufe und die Wälder boten die idealen Voraussetzungen dafür. So weiß man im Schwarzwald von mehr als 200 ehemaligen Glashüttenstandorten.

Auf 447 Höhenmetern hat die Wanderung ihren höchsten Punkt erreicht. Von hier aus geht es gemütlich bergab – vorbei an Glasigs Höfen, vor denen Forsythien, Narzissen und Stiefmütterchen blühen, bis zu den Soldatengräbern. Sie repräsentieren eine weitere Etappe Schwarzwälder Geschichte: die Napoleonischen Kriege. Auch Baden kämpfte um die Wende des 18./19. Jahrhunderts in dem Krieg um die europäische Vormachtstellung. Zunächst auf der Seite Napoleons, schloss sich die Region später den Alliierten – Preußen, Russland, Österreich und Bayern – an.

Den unterlegenen Franzosen wurde der Rückzug quer durch Deutschland und über den Rhein gestattet. Das brachte zahlreiche verwundete und kranke Soldaten in die Gegend. Die Bestattungen erfolgten zunächst auf dem Friedhof des zu einem Lazarett umgebauten Klosters Tennenbach. Als der Platz hier nicht mehr ausreichte, wurden rund 1000 Soldaten in einem Massengrab im Wald beerdigt. Hier sind noch heute mehrere Gedenksteine zu sehen. So schlimm die Geschichte dieses Ortes, so idyllisch liegt der alte Waldfriedhof. Hinter den Gräbern folgt man einem Pfad, der auf einer kleinen Holzbrücke über einen gurgelnden Bach führt.

Gedenkstein-Freiamtwandeung

Gedenkstein für Soldaten, die in den Napoleonischen Kriegen gefallen sind.

Über sonnige Wiesen geht es bis zur Landstraße, die hier nach Freiburg und Emmendingen abzweigt. Obwohl der Wanderweg nach rechts führt, lohnt sich der kurze Abstecher in die entgegengesetzte Richtung zum Kloster Tennenbach. Die ehemalige Zisterzienserabtei war einst eines der bedeutendsten und größten Klöster im südwestdeutschen Raum. Wer die gotische Marienkapelle von innen besichtigen will, kann sich den Schlüssel im nahe gelegenen Gasthaus „Zum Engel“ ausleihen.

Mal idyllisch, mal wild

Vom Tennenbacher Tal aus folgt noch einmal ein Aufstieg. Ein schmaler Pfad mäandert einen Hang entlang. Auf der windabgewandten Seite ist es plötzlich ganz still. Nur von weit oben hört man die Tannen rauschen. Zwischen dichten Nadelbäumen und mit Moos bewachsenen Felsen, von denen einzelne Wassertropfen aus dem mit einem dichten Nadelteppich belegten Boden platschen, präsentiert sich der Schwarzwald von seiner verwunschenen Seite. Fast erwartet man, dass plötzlich ein Zwerg mit baumelnden Beinen auf dem nächsten Felsen sitzt. Doch kaum führt der Pfad weiter oben auf die andere Seite des Berges, zeigt die Landschaft ihre andere Seite. Der Wind zerrt an den Wipfeln der Bäume, Laub wirbelt dem Wanderer um die Beine, hoch über dem Kopf schreit ein Bussard.

Doch der Abstecher in den wilden, rauen Schwarzwald ist kurz. Zurück auf der windgeschützten Seite führt ein unspektakulärer Waldweg bis zum Mutterstegenhof. Er ist einer der ältesten urkundlich erwähnten Höfe Freiamts. 1161 gehörte er zur Grundausstattung des Klosters Tennenbach. Nach dem 30-jährigen Krieg verfallen, hat ihn Thoman Zimmermann 1653 wiederaufgebaut. Bis heute ist der Hof im Besitz der Familie Zimmermann. An Tipizelt und Pferdeweiden geht es vorbei bis nach Mußbach. Hier lohnt vor allem die im Stil der Neuromanik errichtete Kirche einen Abstecher.

Von hier aus kann man entweder noch einen Schlenker nach Ottoschwanden – mit seiner ebenfalls sehenswerten Kirche – machen oder die Tour um rund eine Stunde abkürzen und den direkten Weg zurück nach Sägplatz wählen.

Info

Dauer: 5 ½ Stunden (mit Abkürzung: 4 ½ Stunden)
Länge:
17 Kilometer
Auf- und Abstieg:
412 Höhenmeter

Fotos: ©  Tanja Senn