Über den Rhein: Brücken verbinden Freizeit | 26.08.2023 | Pascal Lienhard, Erika Weisser, Dorothea Wenninger, Jennifer Patrias

Brücke Erinnert an einen Humanisten: die Beatus-Rhenanus-Brücke von Straßburg nach Kehl

Sie verbinden nicht nur Ufer, sondern auch Länder, Menschen und Kulturen: Die REGIO ist zusammengewachsen dank der Brücken an Hoch- und Oberrhein. Die Wege über den Fluss sind ganz unterschiedlich gestaltet und geschichtenreich. Ob kühn geschwungene junge Stahlkonstruktion oder uraltes trutziges Holzbauwerk auf Steinpfeilern – eine Rheinreise stromaufwärts gibt Einblicke in die faszinierende Vielfalt der Flussüberführungen.

Beatus-Rhenanus-Brücke: mit einem Humanisten über den Rhein

Die Trambrücke verbindet das baden-württembergische Kehl und das elsässische Straßburg miteinander. Die Beatus-Rhenanus-Brücke ist allerdings nicht nur für Straßenbahnen, sondern auch für Fußgänger und Radfahrer geöffnet – und erinnert an einen Gelehrten aus der Region.

Optisch macht die auf einem Mittelpfeiler im Rhein ruhende Beatus-Rhenanus-Brücke einiges her: Vor allem die beiden 20 Meter hohen Bögen markieren weithin sichtbar die Flussüberquerung. Der Vorlauf für das Bauwerk war lang: Eine erste Machbarkeitsstudie für die grenzüberschreitende Tramverbindung datiert auf das Jahr 2000. Ein Umbau der benachbarten Europabrücke wurde aus Platz- und Kostengründen verworfen. Die Bauarbeiten für das von einer deutsch-französischen Jury abgestimmte Projekt begannen im April 2014, drei Jahre später folgte die Eröff ung der Tramlinie.

Benannt ist die Brücke nach einer historischen Persönlichkeit der Region: Der elsässische Gelehrte Beatus Rhenanus wurde 1485 in Schlettstadt (französisch Sélestat) geboren. Nach Studien in Paris, Straßburg und Basel kehrte er zurück in seine Heimatstadt, der er auch seine Bibliothek vermachte. Diese wurde 2011 in die Liste des Weltdokumentenerbes der UNESCO aufgenommen. Der 1547 in Straßburg verstorbene Philologe, Historiker und Humanist stand in engem Kontakt zu dem berühmten Universalgelehrten Erasmus von Rotterdam.

Mit der Benennung der Brücke feiert der Gelehrte nach rund 500 Jahren ein Comeback. In seiner Geburtsregion ist sein Name nun in den Alltag eingegangen. Doch der Blick geht auch in die Zukunft, im Spätsommer wartet eine Premiere: Am 19. September gibt die deutsch- und französischsprachige Kombo Zweierpasch ein Konzert in einer Tram. Die Route wird über die Beatus-Rhenanus-Brücke führen. Historischer Gelehrter meets Hip-Hop: Chapeau!

Dreiländerbrücke: leicht schwebendes Schwergewicht

Die Dreiländerbrücke hat eine lange Geschichte. Auch wenn dies nicht sofort ersichtlich ist: Die von zwei kühn geschwungenen Bogen getragene Brücke zwischen der südbadischen Grenzstadt Weil am Rhein und der elsässischen Gemeinde Huningue ist ein modernes Bauwerk. Luftige, teilweise asymmetrische Konstruktionen aus Stahl und Beton prägen den knapp 250 Meter langen und an seiner schmalsten Stelle lediglich fünf Meter breiten Steg, der sich in etwa zwölf Metern Höhe über der Wasserfl äche des Rheins von einem Ufer zum anderen spannt und dabei fast zu schweben scheint. Trotz eines Gewichts von mehr als 1000 Tonnen wirkt seine Struktur leicht und filigran.

Erst seit 2007 verbindet diese weltweit längste Fußgänger- und Radfahrer:innenbrücke die beiden Nachbargemeinden, die zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung bereits seit 45 Jahren in einer Städtepartnerschaft lebten. Und sie wird viel genutzt: Allein im ersten Jahr passierten etwa eine Million Menschen die „Passerelle des trois Pays“, wie das Bauwerk am französischen Rheinufer heißt. Inzwischen, ist aus dem Weiler Rathaus zu erfahren, seien es „eher mehr als weniger geworden“. Denn anders als die weiter flussabwärts gelegene Palmrainbrücke, über die die B 532 mit dichtem Autoverkehr verläuft, verbindet sie die beiden Ortszentren direkt miteinander und bietet somit kurze und direkte Wege für Besuche, Ausflüge oder kleine Einkäufe auf der jeweils anderen Seite.

Genau an dieser Stelle fand schon (fast) immer ein reger Austausch statt: Seit 1474 verband eine Steinbrücke das damalige Großhüningen mit dem heute zu Basel gehörigen, direkt hinter der Weil-Friedlinger Grenze gelegenen Kleinhüningen; 1797, nachdem das Elsass an Frankreich gegangen war, wurde sie von französischen Truppen zerstört. Erst 1872 wurde hier die Hüninger Schiff brücke errichtet. Doch dieser fortan stark genutzte Rheinübergang fi el 1944 dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer, erst Jahre später verkehrte immerhin eine Fähre. Doch erst diese neue, barrierefreie Brücke anhistorischer Stelle verbindet die drei Anrainerländer wieder miteinander – und hoff entlich dauerhaft.

Drei Länder? Auch wenn die lediglich 200 Meter oberhalb des Dreiländerecks verlaufende Brücke nur Huningue und Weil direkt verbindet, ist auch Basel vom jeweiligen Ausgangs- oder Endpunkt aus in wenigen Minuten zu erreichen. Etwa auf dem zwischen dem Weiler Rheinpark über Huningue bis zur Basler Dreirosenbrücke verlaufenden DreylandDichterweg.

Brücke

Rheinbrücke Rheinfelden: die erste Verbindung über den Hochrhein

An der Stelle der Alten Brücke von Rheinfelden existiert seit historischer Zeit ein Flussübergang. Was während der Römerzeit mit einer Treidelfähre begann, gipfelte im Jahr 1912 im Bau einer Bogenbrücke aus Stahlbeton: Sie verbindet heute nicht nur zwei Ufer, sondern auch zwei Staaten: das schmucke Schweizer Städtchen Rheinfelden mit dem gleichnamigen Industriestandort aufdeutscher Seite. Während der Schweizer Teil Geschichte atmet – schon vor 900 Jahren erhielt die Stadt den Status einer freien Reichsstadt –, ist am gegenüberliegenden Rheinufer erst durch den Bau des Flusskraftwerks im Jahr 1898 eine Siedlung gewachsen.

Die Stahlbetonbrücke hatte viele Vorgängerinnen aus Holz, die entweder durch Brand, Überschwemmung oder mächtigen Eisgang zerstört wurden. Auch heute noch muss die Brücke bei starkem Hochwasser gesperrt werden, weil die Gefahr einer Wegschwemmung nicht ausgeschlossen werden kann.

Der Rheinübergang spielte historisch eine wichtige Rolle: 1150 wurde eine Holzbrücke als erste Verbindung über den Rhein zwischen Konstanz und Straßburg errichtet. Erst etwa 75 Jahre später entstand die Mittlere Brücke in Basel. Der Bau der Brücke in Rheinfelden war leichter als an anderer Stelle an Hoch- und Oberrhein, weil das hier im Fluss liegende Inseli quasi als Zwischenpfeiler für die Brückenanlage genutzt werden konnte.

Vor dem Inseli unweit der Brücke befindet sich eine der tiefsten Stellen des Rheins: das St.-Anna-Loch. Hier stürzt das Wasser plötzlich 30 Meter in die Tiefe, was an der Wasseroberfläche aber gar nicht zu sehen ist. Die Verwerfung verursacht einen gewaltigen Strudel, der schon viele Menschen in den Tod gezogen hat. Kein Wunder, dass die frühere Kapelle auf dem Inseli der heiligen Anna, der Patronin der Schiffer, geweiht war.

Seit 2008, zwei Jahre nach der Eröff nung der Autobahnbrücke im Westen von Rheinfelden, dürfen auf der Alten Rheinbrücke neben Fußgängern und Radfahrerinnen nur noch Stadtbusse, Taxis, Traktoren und Mofas passieren. Die vom Durchgangsverkehr entlasteten Viertel haben nun eine höhere Wohnqualität und auf der Brücke geht es gemächlich zu – eine ideale Voraussetzung, um sie auch für Zusammenkünfte zu nutzen. Neben manch anderer Feier findet alle zwei Jahre das Straßentheaterfestival „Brückensensationen“ statt. Das stärkt die Verbundenheit der beiden Städte und festigt somit die deutsch-schweizerische Freundschaft.

Brücke

Bad Säckingen-Stein: Europas längste gedeckte Holzbrücke

Im Jahr 1270 zum ersten Mal in den „Kolmarer Annalen“ urkundlich erwähnt, blickt Europas längste gedeckte Holzbrücke auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Im April 1343 fi el die 203,7 Meter lange Brücke, die damals noch auf 12 Holzpfeilern stand, einer Hochwasserkatastrophe zum Opfer. Nebst Brücke wurden auch mehrere Häuser weggerissen, die mühsam erneuert wurden. 1408 richtete ein staker Eisgang große Schäden an, 1480 sorgte das große Hochwasser dafür, dass fast alle Joche der Brücke wegrissen. 1506 richtete der Rhein weitere Schäden an, 1570 musste die Brücke erneut dem Hochwasser trotzen. Danach wurden die Holzpfeiler durch sieben Steinpfeiler ersetzt. 1633 brannte die Brücke vollständig ab und wurde erst zwanzig Jahre später neu aufgebaut.

Heute dienen die Steinpfeiler als Fundament der Brücke, allerdings sind nur noch sechs von ihnen zusehen. Der siebte  wurde im 19. Jahrhundert in die Rheinmauer am Ufer der Schweizer Seite eingebaut. Wie viele Grenzbrücken waren übrigens auch die Pfeiler der Säckinger Rheinbrücke bis Oktober 2014 mit Sprengstoff bestückt – damit die Schweizer Armee im Verteidigungsfall die Brücke sprengen konnte.

Betritt man die heute 450 Jahre alte Brücke, könnte man aufgrund der wechselvollen Vorgeschichte meinen, vielleicht ein leises Knarzen zu hören. Doch das Einzige, das man wirklich wahrnimmt, ist das Geräusch der eigenen Schritte, wenn die Schuhsohlen den dunklen Holzboden berühren. Entlang der überdachten Brücke, die die Inselstadt Bad Säckingen mit dem schweizerischen Stein verbindet, wechseln sich dunkles und helles Holz ab. Die großen Freiflächen in den Wänden ermöglichen einen Blick auf den Rhein und seine Umgebung. Und in einer Ausbuchtung des zweiten Pfeilers, von Säckingen kommend, ist eine Fachwerkkapelle mit der Statue des heiligen Franz Xaver eingelassen. Kurz vor der Mitte der Brücke zieht sich ein weißer Querstrich über den Boden. Dieser weist auf den Grenzübergang hin und ermöglicht den Besuchern, sich mit einem Bein in Deutschland und dem anderen in der Schweiz aufzustellen. Kurz vor dem Ausgang Richtung Stein befindet sich eine weitere Fachwerkkapelle, die dem „Brückenheiligen“ Johannes Nepomuk gewidmet ist.

Tipp: Vom 18. September bis zum 1. Oktober findet auf der Rheinbrücke eine Outdoorausstellung zum Thema „450 Jahre Holzbrücke“ statt.

Brücke

Fotos: © iStock.com/olrat, Oliver Welti, iStock.com/VogelSP, iStock.com/yuelan