Freiburgs etwas anderer Kunstort: Fischmüllers Kabinett für außerordentliche Erfahrungen STADTGEPLAUDER | 12.02.2017

Im Winter war es ruhig in der Fischerau 10. Keine Künstler, keine Malerei, keine Performances. Jetzt erwacht das bald ein Jahr alte „Fischmüllers Kabinett für außerordentliche Erfahrungen“ wieder aus dem Winterschlaf. Seit dem 6. Februar ist im Erdgeschoss eine Gruppenausstellung zum neuen Jahresmotto „Schönheit und Verzicht“ zu sehen.

Gastgeberin ist Frau Müller, in deren Pass eigentlich Barbara Müller-Panesar steht. Viermal im Jahr lädt sie Künstler ein, bei ihr zu schlafen, essen, trinken und kreativ zu sein. Galerie? Atelier? Künstler-WG? Ein Kunstort, wie es ihn nur einmal gibt, behauptet sie. Man darf es unbesehen glauben: Denn auch so eine Frau Müller gibt es nur einmal.

Weiße Wände, Holzbalken an der Decke, ein Fenster mit Blick auf den träge dahinfließenden Gewerbekanal. Auf den ersten Blick sieht der Raum in dem denkmalgeschützten Haus von 1460 wenig spektakulär aus. Doch das Schild am Eingang verrät: Hier sollen außerordentliche Erfahrungen gemacht werden. Damit der Raum allein dieses anspruchsvolle Versprechen nicht halten muss, gibt es noch die Frau Müller. Und die Künstler, die sie viermal im Jahr für eine Woche hierher einlädt. Eine Woche, in der gemalt, gezeichnet, gebaut, geschrieben und gewerkt werden darf.

Erlaubt ist, was gefällt – oder auch nicht. Ob es sich verkaufen lässt, spielt dabei keine Rolle. „Ich bin keine Galeristin“, sagt die 53-Jährige. „Das hier ist eine Art Schutzraum, in dem sich Künstler ausprobieren dürfen.“ Scheitern sei ausdrücklich erlaubt – bisher aber noch nicht vorgekommen.

Gruppenausst_Fischmuellers

Allzu wichtig sollten sich die geladenen Künstler nicht nehmen. Schließlich sei ihr Kabinett ein Ort, der „der Bedeutungslosigkeit der menschlichen Existenz auf das Entzückendste Ausdruck verleiht“, formuliert Müller blumig. Den Kunstbetrieb nehme sie nicht ganz ernst, verrät sie mit einem Augenzwinkern: „Viele Menschen überschätzen sich in ihrer Wichtigkeit. Das ist der Grund für viel Elend.“ Sie selbst ist über Umwege zur Kunst gekommen, hat sich in der Landwirtschaft ausbilden lassen, Produktdesign studiert und ein Café geleitet, bevor sie sich der Malerei zugewandt hat. Mittlerweile möchte sie nichts Bleibendes mehr hinterlassen, ist lieber Gastgeberin und Ermöglicherin. „Es ist jedes Mal ein völliges Einlassen und Einfühlen auf den Künstler. Das ist wahnsinnig anstrengend, aber ich gewinne dabei auch so viel.“

 
Bevor die sogenannten „Aktionswochen“ starten, in denen je ein Künstler in das historische Hauses zieht, um hier Werke zu erschaffen, die im Anschluss ausgestellt werden, beginnt die gebürtige Oberfränkin das Jahr mit einer Gruppenausstellung. Sie soll das Jahresmotto einführen. Nach „Der Anfang ist das Enhttp://www.fischmuellers.de/de ist der Anfang ist das Ende ist der Anfang ist das Ende ist der Anfang ist das Ende ist der Anfang“ im vergangenen Jahr ist das neue Motto „Schönheit und Verzicht“. Elf Künstler aus Freiburg und Karlsruhe hat Frau Müller gebeten, das Thema auf ihre eigene Weise umzusetzen. Vom Ergebnis lässt sie sich überraschen: „Ich habe ihnen gesagt, ich will’s vorher nicht sehen.“

 
In der Woche vor der Vernissage sammeln sich die ersten Stücke hinter dem Ausstellungsraum. Müller streicht andächtig über einen lebensgroßen Sarg, der mit schwarzen Damenbinden beklebt ist – ein Werk der Freiburger Künstlerin Nicole Mittas, die das Ausstellungsstück noch mit einer Audio-Performance ergänzen wird. „Bisher finde ich alle Arbeiten wahnsinnig toll“, freut sich Müller und wickelt mit vorsichtigen Bewegungen eine Leinwand aus dem schützenden Leintuch. „Wenn ich mir die Werke zum ersten Mal anschaue, macht mich das richtig high.“

fischmueller

Auf der Leinwand ist ein Mosaik greller Farben zu sehen, gedämpft durch eine dünne weiße Patina. „Für mich gehören Schönheit und Verzicht untrennbar zusammen“, erläutert die Kunstliebhaberin ihr Motto. Besonders fasziniere sie die ironische Brechung, die das Thema mit sich bringen kann, wie der Schachspieler, der in seiner Konzentration auf dieses Königsspiel der Intellektuellen nicht die Frau wahrnimmt, die sich vor ihm auszieht (siehe Bild). „Leider verschwindet die Schönheit in der Welt immer mehr. Zum Beispiel in der Politik werden wir zunehmend von hässlichen Tyrannen umringt.“

 
Wo momentan die Werke gelagert werden oder die Künstler übernachten, will Müller demnächst einen Museumsshop aufbauen. Nachdem sie bisher nur investiert habe, werde es Zeit, nun auch Geld zu verdienen. „Ich musste ja erst mal schauen, wie es anläuft“, sagt Müller. Nach einem knappen Jahr fällt ihr Fazit positiv aus: „Ich bin ganz überrascht, wie viele Leute immer kommen.“

Diese Leute sollen bald nicht nur die Ausstellungen bewundern dürfen, sondern sich auch mit Katalogen, Postkarten, Miniaturen, witzigen Sachen oder schönem Trödel versorgen können. „Was ich verkaufe, soll natürlich etwas mit Kunst zu tun haben“, sagt Müller. „Aber mein Kunstbegriff ist sehr weit.“ Und wenn der Shop läuft, dann klappt es bestimmt endlich mit Müllers großem Wunsch – einem goldenen Rolls Royce.

Schönheit und Verzicht
6. Februar bis 17. März 2017

Finissage: 19. März, 19 Uhr
Öffnungszeiten: Mo. – Fr. 16 – 18 Uhr

Erster Fischmüller-Gast 2017:
Die Berliner Performance-Künstlerin Mahela Rostek
27., 28. und 29. April