Hypnose gegen Rauchen: In Freiburg wird geforscht und therapiert STADTGEPLAUDER | 12.01.2016

Hypnose haftet immer noch der Ruf des Esoterischen an. Dabei ist die Methode längst international anerkannt. Die Freiburger Professorin Ulrike Halsband hypnotisiert sogar ihre Studierenden. Bei einem Seminar in Freiburg konnte man sich kürzlich gegen Nikotinsucht und Übergewicht behandeln lassen. chilli-Redakteur Till Neumann war dabei und hat sich in der Kunst der Selbsthypnose versucht.

Verblüffend: Patrick Heun hypnotisiert eine Freiburgerin, die mit dem Rauchen aufhören will.

Verblüffend: Mentaltrainer Patrick Heun hypnotisiert eine Raucherin.

Zweiter Stock des InterCityHotels am Freiburger Hauptbahnhof. Zwei Männer und drei Frauen sitzen im Halbkreis eines halbdunklen Raums. Blauer Teppich, blauer Vorhang, schwarze Stühle. Alle fünf haben ein Ziel: aufhören zu rauchen. Dafür machen sie bei dem einstündigen Hypnoseseminar mit. Kostenpunkt: 169 Euro.

Ihnen gegenüber sitzt Patrick Heun vom Mental-Training-Unternehmen Carlo Faraday. „Das, was wir machen, ist stinklangweilig und staubtrocken“, sagt Heun, „aber der Effekt ist spektakulär.“ Mit klinischer Tiefenhypnose will der Glatzkopf ins Unterbewusstsein der Teilnehmer gelangen. „Der Kern ist, das Rauchen durch eine gesunde Gewohnheit zu ersetzen“, erklärt Heun. „Durch Schokolade und Gummibärchen?“, fragt eine etwa 40-jährige Teilnehmerin, ihre Nachbarin kichert. „Nein, durch etwas Gesundes“, antwortet Heun mit ruhiger Stimme.

Der Mentaltrainer aus Bremen war einst selbst Teilnehmer bei einem Hypnose-Seminar gegen Übergewicht. Danach verlor der sportliche Mann nach eigenen Angaben 30 Kilo – und wurde selbst Coach. „Seit 2008 habe ich 1200 bis 1500 Leute behandelt“, erzählt Heun. Dann wird es ernst.

„Überlegen Sie sich einen schönen Moment ohne Rauchen. Wenn ich in der Hypnose davon spreche, meine ich genau diesen Moment“, sagt Heun. Die Teilnehmer sollen sich nun hinstellen und entspannen. Heun duzt sie jetzt und sagt Sätze wie: „Vielleicht möchtest du jetzt und hier dich einfach nur treiben lassen.“ Im Hintergrund läuft pathetische Trommelmusik. Dann sitzen sie wieder, die Hände auf den Oberschenkeln. „Wir gehen an den Ort deiner schönen Erinnerung, sie ist ein innerer Helfer, du wirst befreit sein, der Rauch an dir vorbeiziehen wie Wolken“, redet er auf die fünf Probanden ein. Nach einigen Minuten sollen sie zurückkehren ins Hier und Jetzt. „Du fühlst dich frisch und frei. Jaaaaah“, haucht Heun in den Raum.

Was manche als brotlose Esoterik abtun, ist seit Jahren Gegenstand internationaler Forschungsprojekte. Die renommierte Freiburger Neuropsychologin Ulrike Halsband untersucht Hypnose seit fast 20 Jahren. Kürzlich war die 60-Jährige beim 20. Welt-Hypnose-Kongress in Paris. In ihrem Büro im Institut für Psychologie an der Uni Freiburg erzählt sie zwischen Klangschalen, dicken Wälzern und einem überquellenden Schreibtisch, dass man manches unter Hypnose schneller lerne als im Wachzustand. „Man kann mit Hypnose auch Neuronen im Sehzentrum aktivieren, das ist verrückt“, schwärmt Halsband.

Überzeugt: Die Freiburger Professorin Ulrike Halsband hypnotisiert ihre Studenten.

Überzeugt: Die Professorin Ulrike Halsband hypnotisiert auch ihre Studenten.

So könne sie einem Hypnotisierten einen grauen Gegenstand knallbunt erscheinen lassen. Oder gar seinen Fuß am Boden festkleben. „Das funktioniert“, betont die Professorin. Auch Stress oder Lampenfieber ließen sich behandeln oder das Schmerzempfinden reduzieren. Ein Zahnarzt aus Stuttgart verzichte gar auf Schmerzmittel und operiere ausschließlich mit Hypnose. Mit ihren Studierenden macht Halsband regelmäßig Hypnoseübungen.

Bei Seminaren für Raucher oder Übergewichtige sollte man laut Halsband indes Vorsicht walten lassen. Sind die Anbieter Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie (DGH) oder der Milton H. Erickson Gesellschaft für Klinische Hypnose (DGZH), seien sie in jedem Fall seriös. Auch eine fachliche Qualifikation wie eine Ausbildung zum Arzt sei ein Qualitätsmerkmal. „Man muss ganz vorsichtig sein mit Hokuspokus-Anzeigen im Käseblatt. Von wegen, sie nehmen Kontakt mit dem toten Urgroßvater auf oder so“, warnt sie. Showhypnose sei in Diskos der Renner. Da werde aber viel Humbug betrieben.

Kein Humbug, sagt auch Halsband, sei Selbsthypnose. Dazu hat der Spiegel-Bestseller-Autor Jan Becker kürzlich das Buch „Du kannst schaffen, was du willst“, veröffentlicht. „Deutschlands Hypnose-Coach Nr. 1“ will damit bei Stress, Liebeskummer, Schlaflosigkeit und Erschöpfung helfen. „Jeder kann das erlernen und davon profitieren“, sagt der 40-jährige Wahlberliner. Was sich nach vollmundigen Versprechen anhört, entpuppt sich beim Lesen als sachlich und hilfreich. Becker zeigt Übungen, die Menschen helfen, sich zu entspannen und ihre Kräfte dahin zu lenken, wo sie benötigt werden. Und siehe da, beim Selbsttest funktioniert’s: Schon eine kleine Konzentrationsübung lässt einen Zeigefinger wachsen.

Kommen die Hypnotisierten des zertifizierten Carlo-Faraday-Kurses vom Rauchen los? Eine Teilnehmerin ist sich sicher. „Ich habe das Seminar vor sieben Jahren schon einmal gemacht“, berichtet die etwa 40-Jährige nach der Behandlung. Nach elf Jahren Qualmen mit bis zu 15 Zigaretten am Tag, habe sie danach jahrelang keine Zigarette mehr angefasst. Dann habe sie aus Neugierde wieder angefangen. Jetzt hat sie das Seminar deswegen zum zweiten Mal gemacht. „Ich rauche nicht mehr, ganz sicher“, sagt die Dame. Ihre Bekannte nickt entschlossen. Das Unterbewusste schein den beiden sehr bewusst zu sein.

Info: Das nächste Seminar von Carlo Faraday in Freiburg ist am Donnerstag, 21. Januar 2016, in Freiburg. Mehr Infos auf www.carlo-faraday.de.

Text/Fotos: Till Neumann