„Es war der Wahnsinn“: Wie Freiburgs Solarradweg entstanden ist – und andere inspiriert Innovationen | 23.08.2023 | Till Neumann

Radweg mit solarüberdachung 300 Meter: Mit Photovoltaik auf dem Dach betritt Freiburg hier Neuland bei Radwegen.

Was aussieht wie ein ziemlich gewöhnlicher Radweg mit Dach, hat es in sich: An der Freiburger Messe verläuft seit Mai eine 300 Meter lange regensichere Velostrecke sie gilt als „erster Solarradweg Europas“. Andere Städte eifern jetzt Freiburg nach.

„Alles rauskitzeln“

Ist das ein Regendach? Nein: Die Konstruktion über dem Radweg an der Messe trägt 912 lichtdurchlässige Solarmodule, die pro Jahr etwa 280 Megawattstunden Strom erzeugen sollen: der Jahresbedarf von rund 60 Einfamilienhäusern.

Der Solarradweg soll als innovatives Pilotprojekt zeigen, wie kostbare Flächen zur Energiewende genutzt werden können. „Wir müssen alles rauskitzeln aus der Stadt“, betont Umweltamtschef Klaus von Zahn: „Wir müssen bis 2036 in Freiburg sechs Mal so viel Photovoltaik bauen wie bisher, und an Dächer kommen wir oft nicht ran.“

„Wirtschaftlich ist das nicht“

Also betritt er Neuland. Doch der Weg war steinig: „Das sieht super easy aus, aber es war der Wahnsinn“, verrät er im Gespräch mit den grünen Bundestagsabgeordneten Chantal Kopf und Matthias Gastel. Von Zahn war vor sechs Jahren Ideengeber des Leuchtturmprojekts. Damals hatte er sich in Freiburgs südkoreanischer Partnerstadt Suwon einen Solarradweg angeschaut. Der war „ziemlich wuchtig“. Dem Amtsleiter schwebte eine schlankere Variante vor. Der Bau sollte „multiplizierbar sein“, um industriell gefertigt werden zu können. Schon jetzt kosteten die 300 Meter rund eine Million Euro. „Drei Jahre Planung, drei Jahre Bauphase“, berichtet von Zahn. So viele Details seien zu klären gewesen wie selten. Vorwissen gab es kaum.

Der erzeugte Strom geht an die Labore des nahen Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE).  „Wirtschaftlich ist das nicht, da brauchen wir uns nichts vormachen“, sagt Klaus Preiser. Der technische Geschäftsführer der Badenova-Tochter Wärmeplus ist dennoch überzeugt: „Das ist ein symbolisches Pilotprojekt.“ Die Reaktionen bestätigen das: „Wir erhalten unglaublich viele Rückmeldungen, bundesweit, europaweit.“

Solarradweg Freiburg

Radeln durchs Pionierprojekt: die Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel (vorne links) und Chantal Kopf (vorne rechts). Hinter ihnen Klaus Preiser (badenova – Wärmeplus) und Klaus von Zahn vom Umweltschutzamt.

Oberried könnte folgen

Wer ihn um einen Rat bittet, bekommt diese Antwort: „Plant es richtig.“ Sonst könne es kompliziert werden. „Es war richtig zäh, wir haben viel gelernt“, sagt Preiser. Knifflig war etwa die Verkehrssicherheit des Tragesystems oder wer für die Schneeräumung der Strecke zuständig ist. Auch die richtige Beleuchtung war eine Herausforderung. „Das sind alles neue Themen“, erklärt Preiser. Für die Zukunft wisse man besser Bescheid.

Interessenten für ähnliche Bauten seien auf dem Plan. In Oberried ist ein vier Kilometer langer Solarradweg nach Kirchzarten auf der Agenda, bestätigt Kirchzartens Bürgermeister Andreas Hall. Der Radweg entlang der L 126 nach Kirchzarten soll auf drei Meter verbreitert werden. Zudem die Radweg-Lücke zwischen Abzweig Sportanlagen und Dietenbach geschlossen werden. In dem Zuge gebe es die Idee des ISE, den Radweg teilweise mit PV zu überdachen. „Die Idee stieß bei uns Gemeinden auf offene Ohren, wir stünden dem grundsätzlich positiv gegenüber“, so Hall. Allerdings gebe es Herausforderungen hinsichtlich des Abstands zur L 126, des Anprallschutzes und der Überdachung.

Auch Hamburg ist dran

Zwar hat sich eine Anfrage aus dem Gewerbepark Breisgau wieder zerschlagen, aus Hamburg dagegen gibt es eine positive Rückmeldung: „Es gibt einen grundsätzlichen Beschluss der Hamburgischen Bürgerschaft, einen mit Solaranlagen überdachten Radweg einzurichten“, berichtet Rathaus-Sprecherin Rika Bootz. Konkreter konnte sie noch nicht werden. Vielleicht gibt es auch in Freiburg noch einen Nachfolger: Von Zahn würde „nicht ausschließen, dass wir die zweiten 300 Meter noch machen“.

Foto: © Badenova AG & Till Neumann