Alles was sie sehen ist neu: Schattenboxen im Nichtland Kultur | 08.03.2020 | Erika Weisser
Der Reiseleiter heißt Nime und hat die Stimme eines Märchenerzählers. Und alles, was er der soeben in Kirthan eingetroffenen Reisegruppe auf dem Weg vom Flughafen zum Hotel erzählt, klingt in den Ohren der Ich-Erzählerin irgendwie unglaubhaft.
So ist sie skeptisch, als Nime behauptet, dass hier „vor zehn Jahren nichts war, nur Schlamm“. Dass die quirlige, überbevölkerte Stadt sich in dieser Zeit aus Pfützen und Dreck erhoben habe. Es müsse, flüstert sie ihrem betagten, doch exzellent vorbereiteten und bestätigend nickenden Vater und Reisegefährten zu, mindestens doch Äcker oder Reisfelder gegeben haben. Die Zweifel mehren sich – und eines Tages verschwindet Nime plötzlich.
Auch die Erzählung kommt vom Weg ab, verzweigt sich immer weiter, wird zu einer Spurensuche. Zu einem Schattenboxkampf mit einem unsichtbaren und dennoch allgegenwärtigen Kontrahenten. In einem Land, das es gar nicht gibt, von seiner totalitären Grundstruktur her jedoch vertraut wirkt. Bis hin zu eingebildeten oder real existierenden Viren, deren Streuung ebenso rigoros eingedämmt wird wie die Verbreitung unliebsamer Botschaften.
Buchpräsentation mit Annette Pehnt, Renate Obermaier und Victor Calero:
Mittwoch, 11. März, 19.30 Uhr,
Literaturhaus Freiburg
von Annette Pehnt
Verlag: Hanser, 2020
192 Seiten,
Hardcover
Preis: 18 Euro