Poetische Prosaminiaturen: Schnappschüsse Kultur | 28.07.2019 | Erika Weisser

Ragni Maria Gschwend, die Grande Dame der Freiburger Literaturübersetzerzunft, hat ein schönes kleines Buch aus dem Italienischen ins Deutsche übertragen.

„Schnappschüsse“ heißt es und es ist ein beredtes Dokument der Weisheit, die sich im Laufe der Zeit bei solchen Menschen einstellen kann, die aufnehmend und aufmerksam durchs Leben gehen. Der Triester Autor – und ehemalige Freiburger Germanistikstudent – Claudio Magris hat darin knapp 50 lebenskluge, manchmal spöttische, oft selbstironische und richtig poetische Prosaminiaturen zusammengefügt. Momentaufnahmen, die der heute 80-Jährige zwischen 2009 und 2016 bei Begegnungen, Beobachtungen und Gesprächen festgehalten hat.

„Selfie“ nennt er eine Episode, in der er von einem Mann erzählt, der die Ausfahrt seiner Garage von einem Wagen versperrt findet und ungeduldig zu hupen beginnt. Der dann wütend ein völlig verängstigt in dem Auto sitzendes Kind anbrüllt – bis er sein Gesicht in der Scheibe gespiegelt sieht. Und feststellt, „dass ich mich noch nie so hässlich und unsympathisch gesehen habe“. Bei einer weiteren Begegnung, an seinem Triester Lieblingsort Riviera di Barcola, freut er sich, dass eine Frau ihn an seinem Hund erkennt. Ein Buch voller Gedanken – die zum Weiterdenken anregen.

 

Schnappschüsse

von Claudio Magris
Übersetzung:
Ragni Maria Gschwend
Verlag:
Carl Hanser 2019
191 Seiten, gebunden
Preis: 20 Euro