Studenten und Geflüchtete wohnen gemeinsam – Stadthalle bleibt leer STADTGEPLAUDER | 23.11.2016

Die Flüchtlingswelle ist abgeebbt: Während im Januar noch mehr als 400 Geflüchtete in Freiburg ankamen, rechnet das Rathaus bis Ende 2017 mit gerade einmal 25 pro Monat. Die Notunterkünfte sind dadurch überflüssig geworden: Dieser Tage ziehen die letzten Bewohner in reguläre Wohnheime um. Während die für 4,3 Millionen Euro umgebaute Stadthalle als Notnagel ab Ende dieses Jahres leer steht, hat man für andere Unterkünfte alternative Nutzungen gefunden. So sollen in die Notunterkünfte in der Bötzinger und Waltershofener Straße Obdachlose einziehen. Im Zähringer Wohnheim Längenloh wohnen mittlerweile 70 Studenten Tür an Tür mit Geflüchteten, und in der geplanten Anlage in Landwasser sollen Wohnungen für bereits anerkannte Geflüchtete entstehen.

Notnagel: Die Stadthalle soll ab Januar für eineinhalb Jahre leer bleiben.

Auf dem Schreibtisch stapeln sich die Bücher, an der Holzwand sorgt eine Lichterkette für Gemütlichkeit, und der neue giftgrüne Ikea-Teppich verströmt noch einen leichten Plastikgeruch: ­Chiara Mösers WG-Zimmer wirkt nicht anders als die meisten Studentenbuden – mal davon abgesehen, dass es inmitten eines Flüchtlingswohnheims liegt.

Möser ist eine von 70 Studierenden, die Mitte Oktober in die Wohnanlage Längenloh gezogen sind. Stadtverwaltung und Studierendenwerk haben mit diesem neuen Wohnprojekt gleich zwei Flie­gen mit einer Klappe geschlagen: Während der Zustrom der Geflüchteten seit Schließung der Balkanroute am Versiegen ist – im Oktober hat Baden-Württemberg 700 aufgenommen, während es im Vorjahresmonat rund 40.000 waren –, hat die Studentenzahl an der Uni bereits zum zweiten Mal in Folge die 25.000er-Marke geknackt.

Freiburg ist nicht die einzige Stadt, die sich leerende Flüchtlingswohnheime mit der Wohnungsnot der Studenten in Verbindung gebracht hat: Ähnliche Projekte gibt es auch in Lüneburg und Kiel. In Lüneburg ist das Projekt so gut angelaufen, dass nun in einem weiteren Flüchtlingsheim 30 Studentenbuden entstehen sollen. In Freiburg zeigt man sich jedoch zurückhaltend, was eine Ausweitung des Projekts angeht. „So viele Kapazitäten haben wir gar nicht“, erklärt Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach.

Momentan würden die Notunterkünfte aufgelöst und Überbelegungen abgebaut – was dann noch frei bleibt, wolle man als Puffer für weitere Geflüchtete vorrätig halten. Das Rathaus will sich nicht von einem möglichen Flüchtlingszustrom überraschen lassen: „Wir sind vorbereitet, damit wir nicht noch einmal in die Situation kommen, nur noch reagieren zu können.“


Zu diesem Notfallplan gehört auch, dass die Stadthalle am alten Messplatz nach dem Auszug der letzten Geflüchteten Ende des Jahres für eineinhalb Jahre leer stehen soll. 4,3 Millionen Euro hatte der Ausbau der Stadthalle für rund 360 Geflüchtete gekostet, die im Dezember vergangenen Jahres dort eingezogen waren. Diese Kosten zumindest teilweise wieder einzuspielen, indem man die Zimmer an Studierende vermietet, lehnt der Sozialbürgermeister ab: Man wolle bei einem erneuten Flüchtlingszustrom innerhalb von wenigen Tagen bezugsfertige Unterkünfte anbieten können.

Bei anderen Wohnheimen zeigt sich die Stadt flexibler: In den Notunterkünften in der Bötzinger und Waltershofener Straße sollen noch in diesem Jahr jeweils rund 80 Obdachlose unterkommen – in der Bötzinger ­Straße vor allem obdachlose Familien mit Migrationshintergrund. In Freiburg­-Landwasser fährt die Stadt eine andere Linie: Hier werden nicht – wie einst geplant – einzelne Zimmer eingerichtet, stattdessen wird ab Frühjahr 2017 ein normales Wohnhaus für die Anschlussunterbringung von rund 150 anerkannten Geflüchteten gebaut.

Ganz frei sei man in der Nutzung der – vom Land mitfinanzierten – Wohnheime nicht, macht von Kirchbach deutlich. Auch, ob das Zähringer Wohnheim nach diesem Semester weiterhin für die Studentenunterbringung genutzt werden kann, müsse rechtlich geprüft werden.

Auch wenn die Zimmer gerade erst eingerichtet sind: In Mösers Zwölfer-WG hofft man schon auf eine Verlängerung des Wohnprojekts. „Es wäre schade, wenn wir nach einem Semester wieder raus müssten“, sagt Möser. „Dann hat man schließlich gerade erst Bindungen aufgebaut.“

Text: Tanja Bruckert / Fotos: © bar, ewei