Amolterer Kräutertour – Schönheit am Wegesrand Freizeit | 28.03.2020 | Nicole Kemper

Blick auf Amoltern

Eine kurze Wegstrecke muss nicht gleichbedeutend mit einer kurzen Wanderung sein. Naturfreunde sollten auf dem Amolterer Kräuterpfad außer zum Laufen auch genügend Zeit zum Schauen, Riechen, Staunen und Entdecken mitbringen.

Gegen Liebeskummer ist bekanntlich kein Kraut gewachsen, oder doch? Glaubt man der Tafel am Wegesrand, hilft der auch als „Kräutchen Wohlgemut“ oder „Dost“ bekannte wilde Majoran nicht nur gegen Rheuma, Husten und die Folgen von Tierbissen, sondern auch gegen quälenden Herzschmerz. Viel mehr als den Dost braucht es laut Volksmund nicht, um überhaupt gegen alle Unbill gewappnet zu sein: „Nimm Doscht un Johannesbluet, dia sin für alle Kranket guet!“, heißt es in Amoltern. Und die Einwohner des Endinger Stadtteils sollten wissen, wovon sie reden, schließlich wachsen die heilkräftigen Pflanzen direkt vor ihrer Haustüre. Ein aussichtsreicher Themenpfad informiert mit 15 Tafeln über die Geschichte und die Heilwirkungen der am Wegrand wachsenden Pflanzen.

Start- und Endpunkt des Rundwegs ist der kleine Parkplatz unterhalb des Friedhofs. Hier endet die Fahrstraße und macht die besondere, idyllische Lage von Amoltern deutlich. Der Stadtteil von Endingen liegt in ein kleines Seitental gebettet, Durchgangsverkehr gibt es nicht. Gleich auf den ersten Metern empfängt das erste ­Heilkraut mit unverkennbarer Knofi-Note: Der verblühende Bärlauch verströmt immer noch seinen markanten würzigen Duft. Schade, dass die Blätter im ausgehenden Frühjahr ihre Wirkkraft bereits eingebüßt haben – verspricht die erste Kräutertafel nach Genuss des jungen Grüns doch Bärenkräfte!

Der kurze Anstieg über den Pfarrwaldweg führt zum ältesten Naturschutzgebiet des Kaiserstuhls, der „Amolterer Heide“. Ab hier wird der Kräuterpfad nur noch wenig Schattenplätze bieten, dafür aber immer wieder ein bezauberndes Panoramabild des nördlichen Kaiserstuhls mit dunstig-blauem Vogesengürtel am Horizont. Auch Amoltern bleibt im Blick: Der Höhenweg präsentiert das kleine Dächer­ensemble mit dem alles überragenden Kirchturm in wechselnder Perspektive.

Blumen Collage

Am Wegrand leuchten Mohnblumen, Orchideen und Zichorie.

Der Ausblick ist aber nur einer der Gründe, warum die Rechnung – vier Kilometer Weg gleich eine Stunde Laufzeit – nicht aufgehen kann. Denn ebenso wie in die Ferne lohnt es, die Augen in die Nähe beziehungsweise nach unten zu richten. Wer gerne fotografiert oder Blumen studiert, wird von Blütenwundern am zügigen Weiterlaufen gehindert. Dank der Informationstafeln und eigenen Wissensfragmenten haben einige der Schönheiten Namen: Wegwarte, Heckenrose, Schafgarbe und Klatschmohn stellen sich in ihren blauen, weißen und roten Kleidchen zur Schau, eifrig umsummt von Bienen und Hummeln. Andere können dank Bestimmungsbuch identifiziert werden. Der „Zottige Klappertopf“ wird vermutlich sogar im Gedächtnis bleiben, schließlich wollen wir uns zu einem späteren Zeitpunkt vergewissern, ob seine Samen tatsächlich in den dürren Kapseln klappern.

Auch wenn entlang des Wegs Weinbau betrieben wird, dominieren die Rebstöcke nicht, sondern betten sich neben Wiesen und Büschen gefällig in die Landschaft. Der Abstieg durch die Reben läutet die Rückkehr nach Amoltern und das Ende der Tour ein. Wer noch lauflustig ist, kann die Tour ganz einfach erweitern: Vor dem Orts­eingang schlägt ein Verbindungsweg die Brücke zum Obstwanderpfad der Ortschaft Königschaffhausen. Wer beide Pfade miteinander kombiniert, hat eine Gesamtgehzeit von 2,5 bis 3 Stunden vor sich. Und der Liebeskummer? Der sollte mit oder ohne Dost über all den Sinneseindrücken für eine ­Weile vergessen sein.

Amolterer
Kräuterpfad
Start: Friedhof Amoltern
Länge: 3,7 km
Dauer:
1 Stunde, Auf- und Abstieg: 70 Höhenmeter
Anfahrt: SWEG-Bus 107, Haltestelle Amoltern Ortschafts­amt

Fotos: © Nicole Kemper