Einfach aufessen: Wilde Vitaminspender im Frühling Special for Homepage | 16.03.2024 | Frank von Berger

Bild von Gänseblümchen in einer Wiese Nicht nur schön fürs Auge, sondern auch lecker auf dem Teller: Gänseblümchen

Im März erwacht das Leben im Garten. Nicht nur Nutz- und Zierpflanzen, sondern auch lästige Unkräuter wachsen jetzt um die Wette. Warum Letztere nicht einfach aufessen und genießen, statt sie auf den Kompost oder in die Biotonne zu werfen?

Giersch, Gänseblümchen und Gundelrebe gibt es in fast jedem Garten. Sie beginnen schon im März zu sprießen und stecken voller Vitamine und Mineralien. Was lange vergessen wurde: Viele Wildpflanzen sind tatsächlich essbar, dabei auch noch lecker und gesund. Sie haben jetzt im Frühjahr Hochsaison. Zu den ersten wilden Vitaminspendern gehört Scharbockskraut (Ranunculus ficaria). Mit seinen speckig glänzenden, sattgrünen Blättern sprießt das Gewächs oft schon ab Februar aus dem Erdboden. Zwar macht sich Scharbockskraut im zeitigen Frühjahr ziemlich breit, zieht sich aber meist ab Mitte Mai schon wieder vollständig zurück. Solange sich die gelben, sternförmigen Blüten des kleinen Hahnenfußgewächses nicht zeigen, können die herzförmigen Blätter zum Verzehr geerntet werden. Sie sind knackig, schmecken würzig-scharf und sind reich an Vitamin C. Das gab dem Gewächs auch seinen volkstümlichen Namen: Scharbock ist eine andere Bezeichnung für Skorbut, eine durch Vitamin-C-Mangel verursachte Erkrankung, die sich durch den Verzehr der Pflanzen vermeiden lässt.

Bild eines Scharbockskraut

Die Blätter des Scharbockskrauts enthalten vor der Blüte viel Vitamin C.

Unterschätztes „Unkraut“

Etwa zur gleichen Zeit wie das Scharbockskraut sprießen die jungen Triebe der Brennnesseln. Die robuste Wildstaude ist allseits unbeliebt, genau besehen aber ein echter Schatz: Manche Schmetterlingsraupen brauchen sie als Grundnahrungsmittel. Eine Jauche oder ein Kaltauszug aus den Blättern ist ein wirksamer Schutz gegen Pflanzenkrankheiten und ein wertvoller biologischer Dünger. Und essen kann man das junge Laub der Pflanze außerdem. Genießen kann man die jungen Triebe gekocht als Suppe, Brennnesselspinat oder roh im Salat (am besten etwas gequetscht, so „brennen“ sie nicht mehr). Heilkräftig ist die Pflanze obendrein. Brennnesseln wirken als Tee entwässernd und sind auch als Vitamin- und Mineralstoffquelle sowie als stärkende Haarspülung verwendbar. Das „Unkraut“ wird also oft einfach unterschätzt!

Gänseblümchen sind zwar hübsch anzuschauen, aber im Rasen eher unerwünscht. Doch in Wirklichkeit sind sie mehr als nur ein lästiges Unkraut. Im Frühjahr sind die Blüten eine wertvolle Nektarquelle für Insekten – und nicht nur für diese wirklich lecker. Salate, Appetithäppchen und Quarkbrote können mit den Blüten geschmacklich und optisch aufgepeppt werden. Bellis perennis, so der botanische Name des Gänseblümchens, wurde früher im Volksmund auch Wundwurz genannt, weil der Pflanze eine schmerzstillende, wundheil­ende Wirkung nachgesagt wurde. In der Homöopathie wird sie bis heute für verschiedene Indikationen verwendet.

Ein Bild vom scharf-herben Gundermann

Wenige Blättchen vom scharf-herben Gundermann genügen zum Würzen von Gerichten.

Wertvolles Wildgemüse

Giersch ist noch so ein Wildkraut, das einen wirklich schlechten Ruf bei Gartenfans genießt. Es ist aber gar nicht so grauslich, wie manche glauben. Zwar gehört der Doldenblütler zu den unbeliebtesten Garteninvasoren, denn einmal eingeschleppt, lässt sich die auch Geißfuß genannte Wildstaude (botanisch korrekt: Aegopodium podagraria), kaum wieder loswerden. Jedes kleine Wurzelstückchen bringt eine neue Pflanze und bald schon eine kleine Kolonie hervor. Statt darüber zu verzweifeln, sollte man einfach mal das Positive an dieser Pflanze sehen: Die jungen Blätter sind lecker, vitaminreich und als Salatbeigabe bei regelmäßiger Ernte eine gute Gelegenheit, die Plage zumindest ansatzweise im Zaum zu halten. Giersch also einfach aufessen, statt sich darüber aufzuregen! Medizinisch gilt Giersch übrigens als verdauungsfördernd, antirheumatisch und blutreinigend. Also nix wie ran an das wertvolle Wildgemüse!

Ein anderes, weit verbreitetes Wildkraut, die Gundelrebe (Glechoma hederacea), auch Gundermann genannt, kriecht anfangs eher heimlich durch den Rasen, bis es wirklich lästig wird. Nimmt es überhand, weicht das Gras zurück und überlässt dem Lippenblütler schließlich das Feld. Die herz- bis nierenförmigen Blättchen sind rundum gekerbt und leicht behaart, die lilablauen Blüten eher unscheinbar. Das klingt nicht besonders appetitlich. Aber wenn die Blätter der Pflanze zwischen den Fingern zerrieben werden, riechen sie angenehm aromatisch. Der Geschmack ist würzig, herb und etwas scharf. Also bitte vorsichtig dosieren, wenn damit Gemüse-, Fleisch-, Fisch- oder Kartoffelgerichte verfeinert werden sollen! Oft reichen schon ein paar fein zerkleinerte Blättchen, um eine Speise aufzupeppen.

Ein Bild von Bärlauch

Wer Bärlauchblätter vor der Blüte pflückt, erntet mehr Aroma und läuft weniger Gefahr, ihn mit den giftigen, später im Jahr wachsenden Maiglöckchen zu verwechseln.

Schau genau!

Noch Lust auf weitere Wildkräuter? Da wären zum Beispiel Günsel (Ajuga reptans), Wiesen-Kerbel (Anthriscus sylvestris), Vogelmiere (Stellaria media), Spitzwegerich (Plantago lanceolata), Schafgarbe (Achillea millefolium), Nachtkerze (Oenothera biennis) oder Purpurrote Taubnessel (Lamium purpureum). Nicht zu vergessen die allseits bekannten Wildgemüse Löwenzahn (Taraxacum) und Bärlauch (Allium ursinum). Viele dieser Gewächse sind nicht nur in der freien Natur, sondern auch in fast jedem nicht allzu penibel aufgeräumten Garten zu finden. Also einfach nur genau hinschauen und im Zweifelsfall ein Pflanzenbestimmungsbuch konsultieren, um Verwechslungen auszuschließen.

Bei allen Wildkräutern gilt: Wichtig ist, die Pflanzen nur dort zu sammeln, wo die Natur noch wirklich Natur ist. Straßennähe und Orte, wo Hunde ausgeführt werden, sind nicht geeignet, um Wildkräuter zu pflücken. Wer möchte schon mit Reifenabrieb, Zigarettenkippen oder Hundeurin gedüngtes Grünzeug essen? Außerdem unbedingt nur solche Blättchen und Blüten pflücken, die sich sicher identifizieren lassen! Viele Doldenblütler etwa sehen sich sehr, sehr ähnlich. Deshalb ist die Gefahr, statt Wiesenkerbel auch mal eine Handvoll hochgiftigen Schierlings zu pflücken, bei Botanik-­Laien ziemlich hoch und kann im Falle eines Falles fatale Folgen haben. Dennoch: Wildkräuter zu sammeln und kulinarisch zu verwenden ist einen Versuch wert!

Fotos: © Frank von Berger