Ganz präzise: die Uhrenfabrik Junghans in Schramberg Freizeit | 13.12.2019 | Stefan Pawellek

Junghans

Es ist eine dieser typischen Schwarzwälder Geschichten: In langen, kalten, düsteren Wintertagen entwickelten clevere, handwerklich begabte Tüftler Dinge und schufen große Unternehmen. Eines davon ist die Uhrenfabrik Junghans in Schramberg.

Nebelschwaden hängen in den Bäumen. Zwischen steilen Abhängen führt ein enges Tal zu einer kleinen Stadt: Schramberg. Sonne kommt im Herbst nur kurz hierher, im engen Talkessel beherrschen große Bauten das Stadtbild. Ein besonders auffälliger ist der Junghans-Terrassenbau, zwischen 1916 und 1918 vom Stuttgarter Industriearchitekten Philipp Jakob Manz errichtet. Einst war es ein revolutionäres Gebäude, bot es doch an jedem Arbeitsplatz natürliches Licht.

Das war nötig, denn bis in die 1970er-Jahren wurden hier Junghans-Uhren montiert. 1861 gründete Erhard Junghans die Firma. Erst wurden Gehäuseteile für Uhren, dann Uhrwerke hergestellt. 1903 war Junghans mit mehr als 3000 Beschäftigten und der Produktion von mehr als drei Millionen Uhren pro Jahr weltweit größter Hersteller.

Im Ersten und Zweiten Weltkrieg stellten zeitweise mehr als 9000 Beschäftigte in Schramberg Zünder und weitere Rüstungsgüter her. Ab 1946 konzentrierte sich Junghans wieder auf die Armbanduhren. Mit Erfolg: 1961, zum 100-jährigen Bestehen, produzierten 6000 Mitarbeiter an 10.000 Maschinen täglich 20.000 Uhren aller Art, die in 100 Länder exportiert wurden.

In den 1950er-Jahren wurde die Gründerfamilie Junghans aus dem eigenen Unternehmen gedrängt. Die Diehl GmbH aus Nürnberg übernahm die Aktienmehrheit und spaltete die Firma auf: hier Uhrenproduktion, dort Wehrtechnik. Zwar blieben die Junghans-Zeitmesser Inbegriff der deutschen Spitzenuhr. Doch Konkurrenz aus Fernost überschwemmte den Markt, die Firma konnte kaum mithalten.

Junghans Museum

Uhrengeschichte im Museum Junghans.

Besitzer Diehl, ohnehin mehr an der Rüstungssparte interessiert, verkaufte 2000 die schlingernde Uhrenproduktion. Bereits 2008 meldete die neue Eigentümerin, die Egana Goldpfeil-Gruppe mit Sitz in Hongkong, Insolvenz an. Junghans, mit gerade noch 115 Mitarbeitern, musste ebenfalls Insolvenzantrag stellen. Auf Vermittlung des damaligen Oberbürgermeisters kam es zu Gesprächen zwischen dem Insolvenzverwalter und Hans-Jochem Steim, dem Verwaltungsratsvorsitzenden des einstigen Junghans-Zulieferers und nun weltweit tätigen Unternehmens Hugo Kern und Liebers. Steim und sein Sohn Hannes übernahmen 2009 die Uhrenfabrik Junghans und erreichten im ersten Jahr ein zweistelliges Umsatzplus.

Fokus auf Bewährtes

2012 steht der neunstöckige Terrassenbau zum Verkauf. Steim greift zu und lässt das marode, unter Denkmalschutz stehende Gebäude mit Unterstützung von Stadt, Land, Bund sowie Toto und Lotto sanieren. Heute befindet sich in diesem ein Uhrenmuseum. Basis ist die Sammlung Heinrich Engelmann mit rund 300 Exponaten. Auch die Entwicklung der Uhrenherstellung im Schwarzwald wird aufgezeigt. Schwerpunkte sind Schwarzwalduhren, Uhren mit Musik und die Historie von Junghans.

In der Produktion greift Junghans auf bewährte Modelle zurück, feiert das 150-jährige Firmenbestehen 2011 mit Modellen in limitierter Auflage und Neuinterpretationen historischer Serien. Im Juli 2018 präsentiert die Firma das Funkuhrwerk J101, das erstmalig ein klassisches Design einer Funkuhr ermöglicht. In diesem Jahr besann man sich in Schramberg darauf, dass in den 50er-Jahren Max Bill, einer der großen Designer des Bauhauses, Uhren für Junghans entwickelt hatte. Im Rahmen von „100 Jahre Bauhaus“ griff man auf diese Entwürfe zurück und präsentierte die zeitlos schöne Kollektion „Max Bill“.

Qualität ist äußerst wichtig angesichts der Einordnung der „neuen“ Junghans-Uhren im eher oberen Preissegment: Der Kauf soll eine nachhaltige Investition sein. „Guter Stil, handwerkliches Können, Innovation“, so lautet das Credo. Und die Rettungsformel, denn Junghans hat mehr Glück gehabt als andere Schwarzwälder Traditionsfirmen. Das strauchelnde Unternehmen wurde von Enthusiasten aufgefangen und beweist heute wieder: Das Tüfteln ist im Schwarzwald keineswegs ausgestorben – man kann damit auch Erfolg haben.

Info

Junghans Terrassenbau-Museum
geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr
Eintritt 8 Euro, ermäßigt 4 Euro
Gruppenführungen auf Anmeldung
www.junghans-terrassenbau.de

Fotos: © Junghans, Matthias Hangst; Getty Images