Wein, Wandern, Hoselips. REGIOschönheit Bahlingen a.K. im Porträt Freizeit | 31.03.2020 | Arwen Stock

Bahlingen

Idyllisch schmiegt sich das Winzerdorf Bahlingen an die östlichen Ausläufer des Kaiserstuhls. Mit Schmiede, Mühle, diversen Geschäften und Betrieben ist es gut aufgestellt. Und die Einwohner engagieren sich in der lebendigen Dorfgemeinschaft.

Da steht er nun, der Hoselips. Der kauzige kleine Kerl ist nur mit einem Lendenschurz und einer Krone aus Laub und Trauben bekleidet. In der einen Hand hält er ein Weinglas, in der anderen eine Rebe voll schwarzroter Trauben. „Der ist sagenumwoben“, sagt Bürgermeister Harald Lotis über die bemalte Holzfigur, die im Rathaus in einer Glasvitrine ausgestellt ist. Das Gemeindeoberhaupt lässt es sich nicht nehmen, persönlich bei einem Rundgang den Ort vorzustellen – unterstützt von Paul Reinauer vom Tourismusverein und Gemeinderätin und Winzerin Marion Boos. Sie alle kennen die Sage: Einst, während einer Weinschwemme, bestand ein Mannheimer Händler beim Weinkauf auf die Dreingabe der Hoselips-Figur. In der Not willigte man ein. Daraufhin soll es in den Folgejahren so schlechte Weinernten gegeben haben, dass die Bahlinger ihren Ratsschreiber sandten, um vom Händler ihren „Bacchus“ zurückzukaufen.

Hoselips

Im Winzerdorf Bahlingen steigt alle zwei Jahre das Hoselips-Fest. Die holzgeschnitzte und bemalte Symbolfigur der dortigen Winzer ist sagenumwoben.

Seitdem ist er die Symbolfigur der Bahlinger Winzer, die ihm zu Ehren alle zwei Jahre zum Hoselips-Fest einladen. Traditionell findet dieses in ungeraden Jahren in den Hinterhöfen der stattlichen Fachwerkhäuser entlang der Kapellenstraße statt. „Viel Liebe zum Fest“ erfordert das, wie Winzerin Marion Boos weiß.

Dass die Bahlinger auch viel Liebe zum Wein haben, ist im ganzen Ort unübersehbar: Nicht nur im Rathaus in der Hoselips-Vitrine, sondern ebenfalls in der Kapellenstraße und im Gebäude der Winzergenossenschaft in direkter Nachbarschaft. Im Alten Spritzenhaus daneben ist der Kunstverein untergebracht, der Ausstellungen und in den geraden Jahren das Kulturwochenende organisiert.

„Wir konnten viel von der historischen Bausubstanz erhalten“, freut sich Bürgermeister Lotis beim Gang über die Laube. Diese ist eine Mischung aus Straße und Platz. Durch die Bachstraße geht es zum Ochsenplatz, wo die „Trotte“, eine überdachte Traubenpresse aus dem Jahr 1894, neben der die Rettungszentrale von Feuerwehr und Deutschem Roten Kreuz untergebracht sind. Winzerin Boos erzählt, dass es auch heute noch große Weingüter mit zehn Hektar Reben am Ort gibt, genauso wie kleine Winzerbetriebe, die selbst ausbauen. 350 Hektar auf der 1266 Hektar großen Gemarkung sind Rebfläche. Vor allem Burgundertrauben werden angebaut.

 

Breit aufgestellte Infrastruktur

 

„Auch große Industriebetriebe sind hier ansässig“, ergänzt Reinauer. Das 4241 Einwohner zählende Dorf kann 1682 Arbeitsplätze vorweisen. Dementsprechend breit ist auch die Infrastruktur in Bahlingen aufgestellt: Gaststätten, Kneipen, Straußen, zwei Hotels, eine Metzgerei, viele Hofläden, eine Post, ein Vollsortiment-Supermarkt, eine Apotheke, diverse Ärzte und Therapeuten, Bekleidungsgeschäfte, Banken, zwei Tankstellen. Auch die Grundschule, Kindergärten- und Tagesstätten, die Gemeindebücherei, die Silberberghalle sowie die Seniorenanlage machen den Ort attraktiv für Alt und Jung. Trotz kontinuierlichen Wachstums blieben Dorfcharakter und viele land- und weinbauliche Betriebe erhalten. Nur die Viehhaltung ist fast komplett zurückgegangen.

Rund um den Friedensplatz laden eine Kneipe „Rössle“, ein Eiscafé und zwei Bäckereien zum Verweilen ein. Von der angrenzenden Bühlstraße geht eine kleine Gasse ab. Gleich im ersten Hofeingang kündigt eine Skulptur die Dorfschmiede an, die Friedrich August Ernst im Ruhestand hier betreibt. „Die Landwirte sind froh, dass es die Schmiede gibt“, weiß der Bürgermeister und ist stolz, auch die Adler-Mühle im Ort zu haben. Mit der Wasserkraft der Urdreisam und unter ohrenbetäubendem Lärm verarbeitet sie Korn zu Mehl, das im Mühlenladen verkauft wird oder wieder zum Auftraggeber zurückgeht.

Rathaus

Viel Fachwerk wie das am Rathaus gibt es in Bahlingen zu sehen.

Die Gasse weiter bergauf bleiben bald das Dorf, die letzten Häuser und die schmucken Traktoren zurück. Immer tiefer gräbt sich der Lösshohlweg in die Landschaft – bis er auf der Höhe beim Winzerhäusle Fohberghütte und dem Wasserhochbehälter mündet. Ein herrliches Panorama tut sich hier auf: übers Dorf und die Reben, ins Rheintal und zu den Höhen des Schwarzwalds und der Vogesen. Auf dem Hochbehälter ragt eine markante Figurengruppe in den blauen Himmel: die „Mythische Triade“ des Künstlers Michael Schwarze. Überhaupt stechen in Bahlingen immer wieder Kunstobjekte ins Auge. 1989 fand hier ein Bildhauersymposium zum Thema „Mensch und Dorf im Wandel der Zeit“ statt. Danach bekamen alle Werke der Meisterschüler der Steinbildhauerschule Freiburg einen Platz im Dorf – und die Bahlinger und ihre Gäste einen Skulpturenweg.

 

Panoramablick mit „Mythischer Triade“

 

Für Touristen gibt es in und ums Dorf noch mehr zu entdecken und zu erwandern: den Panorama-Winzer-Rundweg, den Weiß- und Spätburgunderweg, den FAB-Rundweg (Freien Aktiven Bürger) und den Wald- und Naturlehrpfad. Neben den Hotels stehen Gästen auch 15 Ferienwohnungen zur Verfügung. Zwischen 15.000 und 16.000 Übernachtungen zählt Bahlingen pro Jahr.

„Das Besondere hier ist der Zusammenhalt“, freut sich Bürgermeister Lotis über das aktive Dorfleben. 24 Vereine stemmen im Ort ein breites Sport- und Freizeitangebot für die Einwohner. Auch die Plätze im jüngst ausgewiesenen Neubaugebiet waren binnen kürzester Zeit vergeben – kein Wunder, denn der Ort verfügt neben einer guten Anbindung an die Autobahn auch über zwei Bahnhalte. Im 30-Minuten-Takt fährt die Breisgau-S-Bahn nach Freiburg. Die Fahrt dauert 30 Minuten.

Nach dem Abstieg vom Winzerhäusle geht’s durch die Bühlstraße und das Bühlergässle in die Kapellenstraße: Stolze Fachwerkhäuser stehen hier – hinter ihnen tun sich große Innenhöfe auf, in denen die verschiedenen Vereine und Gruppen beim Hoselips-Fest bewirten. „Die Bahlinger feiern gerne“, da sind sich Bürgermeister Lotis, Reinauer vom Tourismusverein und Winzerin Boos einig. Und dank der Begeisterung öffnen alljährlich die Hausbewohner wieder die Tore unter den Schiebögen zu ihren Innenhöfen.

Reben Bahlingen

Reben, so weit das Auge reicht: Der Weinbau ist unübersehbar rund um Bahlingen.

Ein Höhepunkt in Bahlingen fehlt noch: der Aufstieg zur Bergkirche. Die erste Erwähnung dieses Gotteshauses und der sogenannten „Unterkirche“ erfolgte im 13. Jahrhundert. In der heutigen Kapellenstraße gab es damals noch ein kleines Kirchlein mit Friedhof. Von 1535 bis 1771 gehörte Bahlingen zur evangelischen Markgrafschaft Baden-Durlach. Die politischen Verhältnisse änderten sich, der Glaube ist bis heute geblieben. Besonders stolz sind die Gemeindemitglieder auf die Kirchenfenster von Peter Valentin Feuerstein. Der berühmte Glas-
maler hat im 20. Jahrhundert auch die Fenster für das Ulmer, das Breisacher und die Rosette für das Freiburger Münster gefertigt.

Vom Platz vor der Kirche ist die Aussicht fantastisch: Das Dorf liegt einem zu Füßen. Genauso wie die Rebhänge, das Rheintal, Schwarzwald und Vogesen. An einem Haus im Ort steht: „Aus kühlem Stein trink edlen Wein.“ In Bahlingen am Kaiserstuhl wird das zelebriert.

 

Ortsinfos

Lage: Landkreis Emmendingen, am Rande des Kaiserstuhls. Mit dem Auto rund 20 Minuten von Freiburg entfernt.
Gründung: 762 erstmals urkundlich erwähnt im Testament des Straßburger Bischofs Heddo.
Bevölkerung: 4241 (Stand 30.9.2019)

 

Fotos: © Brigitte Ziser