„Da muss man ganz vorsichtig sein“ – Verbraucherschützerin warnt vor Betrugsmaschen im Internet Digitale Medien | 18.03.2023 | Philip Thomas

Betrug findet mittlerweile hauptsächlich im Internet statt. Mehr als 130.000 Fälle von computerbezogener Kriminalität listet die polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2020 in Deutschland. Britta Vögele, Expertin bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, warnt im f79-Interview: Betroffen sind alle Altersgruppen und die Betrüger werden immer professioneller. Die erbeuteten Summen reichen von wenigen Euro bis zu fünfstelligen Beträgen.

Britta Vögele

Hat fast täglich mit neuen Fake-Shops zu tun: Verbrauerschützerin Britta Vögele

f79 // Frau Vögele, welche Plattformen liegen bei Betrügern im Trend? 

Vögele // Betrüger nutzen die Plattformen, mit denen sie die meisten Menschen erreichen können. Zuvor war es Facebook, aktuell sind es Whatsapp und TikTok – Betrüger gehen mit der Zeit.

f79 // Welche Betrugsmaschen sind dort verbreitet?

Vögele // Im Netz existiert viel Werbung für sogenannte Fakeshops. Also Händler, die es gar nicht gibt. Oftmals leiten Pop-ups mit vermeintlich unschlagbaren Angeboten auf solche Seiten um. In der Regel kann dort nur per Vorkasse gezahlt werden. Ebenfalls verbreitet sind falsche Gewinnspiele: Vermeintlichen Gewinnern wird suggeriert, sie hätten Unsummen an Geld gewonnen. Auch in Videospielen gibt es Abzock-Maschen. Mit Werbung werden Nutzer in Abo-Fallen gelockt oder dazu verleitet, echtes Geld in Währung wie digitale Diamanten zu investieren.

f79 // Wovor sollte man sich außerdem in Acht nehmen?

Vögele // Ein Klassiker ist der Enkeltrick. Um an Geld zu gelangen, geben sich Betrüger am Telefon oder in Textnachrichten als Verwandter aus. Das Prinzip beim Tochter- oder Sohntrick ist dasselbe: „Hallo Mama, ich habe mein Handy verloren, das hier ist meine neue Nummer.“ Später meldet sich die neue Nummer mit einer vermeintlich finanziellen Notlage und bittet um Geld.

f79 // Diese betrügerischen Nachrichten sind gerne voller Rechtschreibfehler …

Vögele // Die Rechtschreibung wird immer besser. Mittlerweile ist es recht einfach, eine glaubhafte Homepage zu gestalten. Heute muss man genau hingucken, manchmal sind Fakeshops nur im Impressum erkennbar. Unter dem Strich werden Betrüger professioneller, es gibt weniger Einzeltäter. Wir bemerken auch einen Anstieg von Beschwerden und Schadenssummen. Uns erreichen quasi täglich Meldungen von neuen Fakeshops und Gewinnspielen.

f79 // Welche Anzeichen für einen Betrugsversuch gibt es?

Vögele // Die Betrüger arbeiten gerne mit Gefühlen, positiv wie negativ. Entweder wird ein Gewinn versprochen oder von einem Unglück berichtet. Konkret auffällig ist, dass in Fakeshops oftmals nur per Vorkasse bezahlt werden kann. Auf Rechnung oder andere Zahlungsmöglichkeiten fehlen. Das Geld ist dann weg. Auch Mega-Schnäppchen sind verdächtig. Die Unternehmen haben schließlich nichts zu verschenken. Da sollte man ganz vorsichtig sein. Fakeshop-Finder oder ein Blick ins Impressum können helfen: Sitzen die Unternehmen in Deutschland? Schicken sie Originalware?

f79 // Wie können sich Jugendliche vor Betrug schützen?

Vögele // Bei unbekannten Nummern aus dem Ausland sollte man nicht ans Telefon gehen, in keinem Fall sollten dabei Bankdaten herausgegeben werden, auch wenn Betrüger ihre potenziellen Opfer unter Druck setzen. Es ist wichtig, die Ruhe zu bewahren. Außerdem sollte man nicht auf Links in Nachrichten klicken oder Dateien herunterladen, deren Absender unbekannt sind. Grundsätzlich sollte man im Internet nur die absolut nötigsten persönlichen Daten angeben. Es ist außerdem sinnvoll, Smartphone-Apps nur bestimmte Berechtigungen zu geben. Braucht etwa ein Spiel unbedingt Zugriff auf Kontakte oder Kamera? Viele Datenabgriffe geschehen unbemerkt.

f79 // Welche Möglichkeiten gibt es außerdem?

Vögele // Passwörter sollten mindestens aus acht Zeichen bestehen, Groß- und Kleinschreibung sowie Sonderzeichen enthalten. Ein Passwort mit vier Stellen ist innerhalb von Sekunden geknackt.

Apps sollten grundsätzlich nur in offiziellen Stores runtergeladen und laufend aktualisiert werden. In-App-Käufe können deaktiviert oder mit Passwörtern gesichert werden. Es kann sich lohnen, beim Mobilfunkanbieter eine Drittanbietersperre einrichten zu lassen, um Kostenfallen auf der Rechnung vorzubeugen.

f79 // Was können Betroffene nach einem Betrug tun?

Vögele // Jeder Betrug sollte bei der Polizei zur Anzeige gebracht werden. Dazu ist es wichtig, Beweise wie Nachrichten mit Screenshots zu sichern. Im Falle von Abofallen können sich Betroffene an eine Verbraucherzentrale wenden. In der Regel sind Verträge von Minderjährigen, die ohne Wissen der Eltern abgeschlossen wurden, nicht wirksam zustande gekommen: Personen unter 18 Jahren sind in Deutschland nicht voll geschäftsfähig. Allerdings existiert ein sogenannter Taschengeldparagraf. Wenn Jugendliche etwas aus eigenen Mitteln finanzieren, dann kann ein Vertrag wirksam sein.

f79 // Worauf kommt es dann an?

Vögele // Es ist wichtig, keine Zeit zu verlieren und schnell zu reagieren. Die meisten Verträge, die im Internet oder am Telefon abgeschlossen werden, können mit einer Frist von 14 Tagen widerrufen werden. Es macht also keinen Sinn, Scham zu zeigen. Wenn etwas schiefgelaufen ist, sollten Jugendliche schnell zu ihren Eltern gehen. Spätestens bei der nächsten Kreditkartenabrechnung kommt sowieso alles ans Licht.

f79 // Frau Vögele, vielen Dank für das Gespräch.

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