„Ein Zauber entsteht“: Autorin Manja Präkels hat den Jugendliteraturpreis 2018 gewonnen Kultur & Medien | 13.12.2018 | Laura Bärtle

Was versteckt sich hinter einem Buch, das „Als ich mit Hitler Schnaps­kirschen aß“ heißt? Ein sehr gutes, findet die Jury des Jugendliteratur­preises. Sie verlieh der multi­talentierten Schriftstellerin Manja Präkels jüngst den Preis. f79-Autorin Laura Bärtle hat sie in Berlin zum Interview getroffen. Präkels erzählt von einem grausigen Disko­erlebnis und schweren Momenten beim Schreiben des Buchs.

f79 // Frau Präkels, „Als ich mit Hitler Schnaps­kirschen aß“ ist Ihr Romandebüt. Was war der Auslöser, genau dieses Buch zu schreiben?
Präkels // Mit 15 war ich Zeugin eines Überfalls auf eine Diskothek, bei dem ein Junge totgetreten wurde. Ich kannte sowohl das Mordopfer als auch die Täter. Das verfolgte mich jahrelang, angefangen mit einem erinnernden Bericht, den ich verfasste. Aber dann schrieb ich das immer weiter von mir weg. Irgendwann hatte ich ein Figurenkarussell, inspiriert von realen Menschen. Das hat sich dann verselbstständigt und zu einem eigenen Kosmos gefügt.

f79 // Warum wurde es ein Roman?
Präkels // Ich habe viele Jahre lang journalistisch gearbeitet, auch im Zusammenhang mit Rechtsradikalismus. Dabei habe ich gemerkt, wo die Grenzen der Vermittlung liegen. Die Leute verstehen die Fakten. Ich hatte aber nicht das Gefühl, dass sie nachempfinden können, worüber ich schreibe. Die Literatur kann ein Weg sein, auch diese Potenziale freizulegen.

f79 // War es schwer, das Buch zu schreiben?
Präkels // Ja. Besonders die brutalen Szenen sind mir schwergefallen. Verdrängung ist ein wichtiger Prozess, um funktionieren zu können. Es gibt ein paar Szenen, die hätte ich früher nicht schreiben können.

f79 // Wie erlangt man denn Haltung?
Präkels // Was uns weltweit gerade wie eine riesige Welle überrollt, sind die verheerenden Folgen der kapitalistischen Plünderung aller natürlichen Resour­cen – Klimawandel und Menschenfeindlichkeit. Leute, die Frauen verachten, die Homosexuelle ver­achten, die Menschen anderer Hautfarbe verachten – das ist nicht hinnehmbar. Davon abgesehen bin ich überzeugt, dass es leichter ist, zu lieben als zu hassen. Haltung anzunehmen ist das Gebot der Stunde. Erlangen lässt sie sich im Handeln.

f79 // Wie entsteht Hass?
Präkels // Hass wird geschürt. Hass gebiert Angst und die ist eine starke Währung. Es gibt also Profiteure. Und es gibt immer mehr Menschen, die im Elend leben, auch in diesem reichen Land. Dem muss man mit gelebter Solidarität entgegentreten. Einander helfen und nicht wegsehen. Nicht vergessen.

f79 // Ist der Roman also auch ein Zeichen gegen das Vergessen?
Präkels // Ja. Es ist wichtig, den Opfern Gehör zu verschaffen. Die Toten können nicht mehr sprechen. Wer lebt, kann sich selbst ermächtigen. „Du Opfer“, das ist ein Schimpfwort, aber es lässt sich dagegen­halten: „Ja, mir sind schlimme Dinge widerfahren. Aber hier stehe ich und spreche für mich selbst.“ Jeder kann da raus. Aber nicht alleine. Es gibt kein gutes Leben für einen Einzelnen. Ich wohne in einem Haus mit 17 Stockwerken, da wohnen so viele Menschen wie früher in einem Dorf. Sie haben verschiedene Herkünfte, verschiedene Religionen, aber alle bemühen sich, miteinander klarzukommen. Das imponiert mir. Ich sehe es als ein Sinnbild – für Stadt, für Welt.

f79 // Was bedeutet Ihnen der Jugendliteraturpreis?
Präkels // Ich bin aus allen Wolken gefallen. Es ist ein Zauber, der jetzt entsteht und mich in die Lage versetzt, weitere Buchprojekte anzugehen. Wovon man leben soll, ist in der prekären Lage als freie Künstlerin immer die große Frage. Man kann nie lange im Voraus planen.

f79 // Werden Sie in Zukunft weiterhin politische Romane schreiben?
Präkels // Unpolitisch sein, das gibt es nicht. Mir persönlich geht es darum, Lebenswelten erfahrbar zu machen und sie Menschen aus anderen Zusammen­- hängen zu vermitteln. Das ist mein Hauptmotiv fürs Schreiben. Literatur ist reisen im Kopf, man kann eigentlich überall hin. Jeder, der sich schon einmal in eine Figur oder in ein Buch verliebt hat, der weiß, wie tröstlich das sein kann. In der Literatur finden wir Trost und Gleichgesinnte. Am Ende sucht und findet man auch immer ein bisschen sich selbst.

Manja Präkels

Die Autorin ist 1974 in der brandenburgischen Kleinstadt Zehdenick geboren. Sie lebt, schreibt und musiziert seit einigen Jahren in Berlin. Für ihren Jugendroman „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ erhielt sie 2018 den Jugendliteraturpreis. In dem Buch schildert die Protagonistin Mimi ihre Jugend, die Erfahrungen mit dem wiederauflebenden Rechtsradikalismus und wie ihr Kinderfreund Oliver (später nennt er sich Hitler) zum Anführer einer Neo­nazigruppe wird.

Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß
Autorin // Manja Präkels
Verlag // Verbrecher Verlag, 2018
Seiten // 232, Hardcover
Preis // 20 €

Fotos: © Verbrecher Verlag, unsplash