Lenny, der Schulhund – Vier Pfoten gegen den Stress Schule & Lernen | 06.10.2024 | Mario Wachter

Schulhunde sind längst keine Seltenheit mehr in Deutschland. Mancherorts gelten sie sogar als fester Bestandteil des Unterrichts. Wer aber nur an Kulleraugen, Streicheleinheiten und Gassigehen denkt, wird eines Besseren belehrt – schließlich haben Schulhunde auch einen wichtigen pädagogischen Mehrwert.f79-Autor Mario Wachter hat sich das in Freiburg genauer angeschaut – und mit Expertinnen gesprochen.
Gerhart-Hauptmann-Schule, Anfang April, 10.30 Uhr. Eine Lehrerin, eine Referendarin, 13 Zweitklässler – so weit alles wie gewohnt. Mit der Ausnahme, dass der „Löwenklasse“ heute ein besonderer Gast die Aufwartung macht: Schulhund Lenny. Der dreijährige Mini Australian Shepherd gehört der angehenden Grundschullehrerin Luise Rump und zählt zu den etwa 2500 Schulhunden, die deutschlandweit im Einsatz sind.
Als die Referendarin das verspielte Wollknäuel zum Ende ihres Studiums adoptierte, sah sie sich nach Möglichkeiten um, ihren treuen Weggefährten aktiv in den Unterricht zu integrieren. Das hat in enger Zusammenarbeit mit der Hundetrainerin Susanne Allgeier auch reibungslos funktioniert, berichtet Rump. „Die Ausbildung zum Schulhund lief wie am Schnürchen“, erzählt die 35-Jährige. Der hundefreundliche Unterrichtsplan konnte schnell in die Praxis umgesetzt werden. Seit 2023 dürfen sich die Schulkinder zwei bis drei Mal pro Woche auf den wohl beliebtesten Klassenbesucher der ganzen Schule freuen.
Schnell wird deutlich: Hund und „Löwen“ vertragen sich ausgezeichnet. Um Lenny die nötigen Freiheiten zu gewähren, müssen jedoch ein paar Verhaltensregeln eingehalten werden – beispielsweise ein angenehmer Lautstärkepegel oder eine langsame Gangart der Zweitklässler. Die Rücksichtnahme scheint Früchte zu tragen: Lenny läuft an diesem Freitagmorgen von Zeit zu Zeit tiefenentspannt durch die Sitzreihen, um sich wohlverdiente Liebkosungen abzuholen. „Im Gegensatz zu den Klassenregeln werden die Hunderegeln auch fast immer eingehalten“, sagt Luise Rump und schmunzelt.
Doch mit seiner Niedlichkeit allein ist es nicht getan: Das Highlight der heutigen Schulstunde ist es, Lenny ein verstecktes Mäppchen aufsuchen und apportieren zu lassen. Einmal, zweimal, dreimal. Je gewiefter das Versteck, desto länger braucht auch die erfahrenste aller Schnüffelnasen. Am Ende werden die darin befindlichen Zettel vorgelesen, bei denen es sich zumeist um Scherzfragen handelt.
Welche pädagogischen Vorzüge bieten tierische Unterrichtsstunden dieser Art? „An erster Stelle steht natürlich die Motivation“, resümiert die Klassenlehrerin, „insbesondere dann, wenn Lenny aktiv in den Unterricht miteinbezogen wird.“ Kein Wunder also, dass sich die Kinder fast schon um das Tafelputzen streiten, wenn sie von Lenny persönlich dazu auserkoren werden. Auch Verantwortung wird in der zweiten Klasse bereits großgeschrieben – so wird der Wassernapf oder Lautstärkepegel abwechselnd von einem Schulkind kontrolliert.
Auch Katrin Rauber, Grundschullehrerin und Fachkraft für tiergestützte Intervention, ist eine Verfechterin sogenannter Hundeklassen. Aus dem Dilemma, zwischen Tiermedizin und Lehramtsstudium zu entscheiden, keimte bei ihr schnell der Entschluss, eine Brücke zwischen ihren beiden Leidenschaften zu schlagen. „Studien belegen, dass die Anwesenheit von Hunden die Stresshormone senkt“, so die Vorsitzende des Qualitätsnetzwerks Schulbegleithunde. Außerdem färbe die Seelenruhe und Vertrauenswürdigkeit der ausgebildeten Schulhunde positiv auf das Verhalten der Schüler*innen ab. Der bekanntlich beste Freund des Menschen erfülle eine wichtige Vorbildfunktion, denn: „Hunde lügen nicht, sie können das gar nicht.“
Dass Kinder schon früh den richtigen Umgang mit Hunden erlernen, ist auch Ramona Dreher ein wichtiges Anliegen. Sie engagiert sich ehrenamtlich für den deutschlandweiten Verein „Helfer auf vier Pfoten“, der Kindergarten- und Grundschulkindern die Hemmungen vor Hunden nehmen möchte. Ihre formative Arbeit ist oftmals von Erfolg gekrönt, denn: „Viele Kinder, die anfangs noch panische Angst vor Hunden hatten, fragen mich am Ende, ob sie ihren neuen Freund noch zum Auto begleiten können.“
Fotos: © Mario Wachter