„Ich war faul“: Michael ist sitzengelieben – und fand es ok Schule & Studium | 11.10.2024

Findet, er hatte es verdient: Michael ist sitzengeblieben

Deutschland solle das Sitzenbleiben abschaffen. Das fordert der Pisa-Chef und Bildungsdirektor der OECD Andreas Schleicher. Es würde nichts bringen, vielmehr mache es nur Schwierigkeiten für Schüler und Lehrkräfte. Was bedeutet diese Forderung für Schüler*innen? Der 19-jährige Michael Müller (Name geändert) aus der Nähe von Freiburg ist selbst einmal sitzengeblieben. Wir haben ihn nach seiner Meinung gefragt.

f79 // Du hast vergangenes Jahr dein Abitur gemacht und bist in der 8. Klasse sitzengeblieben. Warum?

Michael // Ich hatte damals zwei Fünfen in Hauptfächern (Mathe und Latein) im Zeugnis. Die hätte man ausgleichen können mit zwei Zweien. Ansonsten bleibt man eben sitzen. Das war mir bewusst. Ich war dementsprechend quasi selbst schuld, dass ich die Klasse wiederholen musste, weil ich die nötige Leistung nicht erbracht habe. Somit war es gerechtfertigt.

f79 // Hast du das Wiederholen damals als sinnvoll empfunden?

Michael // Ich habe erst mal schon hinterfragt, ob ich das überhaupt machen soll, ob ich da Bock drauf habe und ob das überhaupt Sinn macht. Ich hätte es auf jeden Fall besser gefunden, wenn ich mit meinem Zeugnis direkt in die neunte Klasse gekommen wäre. Aber ich war eben einfach sehr faul und das war mir auch bewusst. Deshalb habe ich es nicht negativ aufgenommen und war im Endeffekt sogar relativ schnell in der neuen Klasse integriert. Das hat es für mich ebenfalls weniger schlimm gestaltet. Meine Leistung war in dem Wiederholungsjahr tatsächlich viel besser. Das lag aber auch einfach daran, dass ich den Stoff schon kannte. Meine Faulheit hatte sich nämlich nicht wirklich gebessert. Das wurde in den Jahren danach, nach wie vor, zum Problem. Irgendwie hatte ich aber immer Glück und habe mich bis zum Abitur durchgeboxt.

f79 // Wie denkst du heute darüber, dass du die Klasse wiederholen musstest?

Michael // Rein das Schulische betrachtet, glaube ich nicht, dass es irgendeinen Unterschied gemacht hätte und in Anbetracht meiner Leistungen einen spürbaren Einfluss auf meine schulische Laufbahn hatte.

f79 // Was hältst du von den Forderungen, das Sitzenbleiben abzuschaffen?

Michael // Es gibt in der Schule nun mal gewisse Leistungen, die man erbringen muss. Nicht umsonst gibt es die verschiedenen Niveaus – Werkrealschule, Realschule und Gymnasium –, auf deren nötige Anforderungen sich jeder vorher einstellen kann. Ich finde es dann nicht schlimm, Schüler sitzenbleiben zu lassen, wenn sie Leistungen nicht erbringen können. Man muss ja irgendwie noch herausfiltern und differenzieren können, wer auf welchem Niveau am besten aufgehoben ist. Sonst könnte man ja theoretisch jeden irgendwie durchdrücken. Wo kommen wir denn da hin? Man lernt dann letzten Endes nicht, auf sich selbst zu achten und Verantwortung zu zeigen. Hätte ich damals gewusst, dass ich durchkomme, egal was ich tue, hätte ich mir noch weniger Mühe gegeben als ohnehin schon. In dieser Hinsicht war die Gefahr sitzenzubleiben, gerade in den Jahren danach, eine Motivation, mich anzustrengen.

Foto: © iStock.com/Jacob Wackerhausen

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