Heimspiel: Teilchen statt Theorie Schule & Studium | 11.04.2025 | David Pister

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Warum aus Brian Moser (30) kein Philosoph wurde – und welche südbadischen Köstlichkeiten er in Oxford vermisst hat, erzählt der neue Juniorprofessor für Experimentelle Teilchenphysik an der Universität Freiburg im Heimspiel.

„Ich war schon in der Schule gut in Physik und fand das Fach interessant, weil es sich mit fundamentalen Fragen auseinandersetzt. Als ich mich für ein Studium entscheiden musste, schwankte ich zwischen Physik und Philosophie. In der Philosophie gibt es verschiedene Strömungen, die über unterschiedliche Weltanschauungen streiten. Das gibt es in der Physik zwar auch. Das letzte Wort hat aber das Experiment.

Insbesondere die Teilchenphysik hat etwas sehr Grundlegendes. Sie hat keinen direkten Einfluss auf unser alltägliches Leben außer dem Erkenntnisgewinn selbst. Allerdings bildet Grundlagenforschung das Fundament für Innovationen und neue Technologien, die oft erst viel später stattfinden. Die Glühbirne wurde zum Beispiel nicht erfunden, weil man gezielt versucht hat, Kerzen zu verbessern. Fast dreihundert Jahre an Erkenntnisgewinn waren nötig, bis Edison 1880 das Patent für die Glühbirne anmeldete.

Die Frage, die ich mit meiner Forschung beantworten will, lautet: Was sind die fundamentalen Bausteine, aus denen alles um uns herum aufgebaut ist und wie verhalten sie sich zueinander. Wenn ich jetzt eine Tasse auf den Boden werfe, zerbricht sie in viele Teile. Dann trete ich darauf und Scherben brechen zu immer kleineren Teilen. Die Frage ist, ob es irgendwann ein Limit gibt: Also gibt es irgendetwas, das nicht mehr teilbar ist?

Die Forschungsfrage ist nicht neu, schon die alten Griechen haben sich die Welt so vorgestellt. Deswegen wurden die Atome nach dem altgriechischen Wort „átomos“, unteilbar, benannt. Es hat sich aber herausgestellt, dass Atome sehr wohl teilbar sind. Und die Bestandteile wiederum auch. So wurde mit der Zeit eine Standardtheorie entwickelt, die die Teilchen beschreibt, von denen wir momentan glauben, dass sie fundamental sind. Ich erforsche das Higgs-Boson. Das ist das neueste Teilchen in der Theorie und wurde 2012 am CERN (die Europäische Organisation für Kernforschung in Genf, d. Red.), entdeckt. Seine Eigenschaften wurden allerdings noch nicht zufriedenstellend vermessen. Für mich als Experimentalphysiker ist die Aufgabenstellung klar.

In der Physik herrscht diese Vorstellung, dass ganz oben in der Hierarchie die Theoretiker sind. Darunter kommen die Experimentalphysiker. Vor 200 Jahren war das anders, da hat man als Theoretiker angefangen. Mit Stift und Papier konnte man wenig kaputt machen. Erst wenn sich herausstellte, dass man ein guter Physiker war, durfte man ans teure Equipment. Seit Einstein hat sich das Bild umgekehrt. Eigentlich wollte ich immer Theoretiker werden. Als ich dann bei einem Praktikum am CERN die großen Maschinen gesehen habe, war klar: Ich will Experimentalphysiker werden.

Neben der Arbeit bleibt gerade wenig Zeit. Ich hoffe, dass sich das irgendwann ändert. Das liegt aber hauptsächlich an mir selbst. Ich setze mich hin, versuche Lösungen zu finden, vergesse die Zeit und dann ist es dunkel.

Ich komme aus Elzach und habe in Freiburg studiert. Nach Stationen in Amsterdam, Genf und Oxford bin ich super froh, wieder hier zu sein. Ich bin nah bei meiner Familie und meinen Freunden von früher. Im Winter fahre ich gern Ski, dafür ist die Lage optimal. Auch in Bezug auf das englische Essen bin ich froh, wieder hier zu sein. Spätzle, Brägele, Flammkuchen – das badische Essen habe ich schon vermisst. Mit dem englischen Frühstück bin ich nie so ganz warm geworden.“

Foto: © David Pister