Hauptstadt der Strahlen: Warum der Breisgau kein Spitzenreiter in Sachen Sonne ist Technik & Wissenschaft | 20.09.2023 | Lenja Kruck

Freiburg, die sonnigste Stadt Deutschlands? So liest man es in Tourismus-Werbeanzeigen. Auch viele Freiburger*innen sind sicher, dass der Breisgau Sonnenhauptstadt ist. Aber stimmt das überhaupt? Eine Studie und ein Wissenschaftler haben schlechte Nachrichten für den Breisgau.

Freiburg hat das Münster, die Bächle – und natürlich Sonne satt. Aber sind wir wirklich die sonnenreichste Stadt der Republik? Eine Antwort darauf hat Andreas Christen. Er leitet den Lehrstuhl für Umweltmeteorologie an der Universität Freiburg und hat sich auf f79-Anfrage durch Daten des Deutschen Wetterdiensts (DWD) gewühlt.

 Wetterexperte: Andreas Christen

Wetterexperte: Andreas Christen

Die gute Nachricht zuerst: „Wenn man sich Freiburg im Vergleich zu anderen deutschen Städten anschaut, haben wir schon sehr viele Sonnenstunden“, sagt Christen. „Mit Baden-Württemberg liegt Freiburg auch im sonnenreichsten Bundesland Deutschlands.“

Platz Nummer 5

Doch es folgt die schlechte: Freiburg steht im Vergleich zu anderen Städten derselben Größenklasse nicht ganz oben auf dem Treppchen. Die Breisgau-Metropole belegt mit Blick auf das Jahr 2022 nur den 5. Platz im Ranking der sonnenreichsten Städte mit mehr als 50.000 Einwohnenden in Deutschland.

Den vom DWD erhobenen und vom Solarunternehmen Enpal zu einer Studie zusammengefassten Daten zufolge führt Offenburg das Ranking an. Die Ortenau-Stadt liegt mit 2790 Sonnenstunden im Jahr deutlich vor allen anderen. Es folgen mit relativ geringem Abstand zueinander Pforzheim, Karlsruhe und Kempten (Allgäu). Und schließlich auf dem fünften Platz mit 2656 Sonnenstunden findet sich Freiburg.

„Sehr günstige geographische Lage“

Auffällig ist, dass alle Spitzenreiterinnen im Süden Deutschlands liegen – und das ist auch keine Überraschung. Da es in dieser Region generell sonniger und wärmer ist als im Rest der Republik, erklärt Christen. Wer zur sonnenreichsten Messstation des Landes will, muss aber die Großstädte verlassen: Sie liegt auf Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze. Das Gebirge an der Grenze zwischen Bayern und Tirol streckt sich bis auf 2962 Meter über dem Meeresspiegel. Grund für die vielen Sonnenstrahlen auf der Zugspitze ist, dass die meisten Wolken unterhalb des Gipfels bleiben, erklärt Andreas Christen.

Dass Freiburg sonnenverwöhnt ist, lässt sich ebenfalls erklären: „Die Stadt ist wettertechnisch mit einer sehr günstigen geographischen Lage gesegnet“, erklärt Christen: und zwar im Windschatten der Vogesen. „An denen bleiben die aus dem Westen beziehungsweise vom Atlantik zu uns herüberziehenden Regenwolken hängen“, erklärt der Experte. Ein weiterer Benefit seien sogenannte Föhneffekte. Sie bringen der Stadt einen warmen, trockenen Wind.

Kirchzarten profitiert am meisten

Von Trockenheit ist Freiburg trotz viel Sonne nicht stärker betroffen als andere Orte. Im Osten Deutschlands stellen beispielsweise viele Regionen auch in diesem Jahr wieder Trockenheitsrekorde auf. In dieser Hinsicht profitiert Freiburg ebenfalls von seiner günstigen geographischen Lage. In diesem Fall hilft es, am Fuße des Schwarzwalds zu liegen: Beim Auftrieb der Luft über die Berge bilden sich, vereinfacht ausgedrückt, viel wahrscheinlicher Wolken als über dem flachen Land, erklärt Christen. Vom entstehenden Niederschlag bekommen auch andere Ortschaften mehr mit, die näher am Schwarzwald liegen. Freiburg also mehr als Colmar. Kirchzarten profitiert am meisten, so Christen.

Dass Freiburg die Liste der sonnenreichsten Flecken Deutschlands anführt, kann man also nicht mehr wahrheitsgetreu behaupten. Dass wir uns über das Wetter aber nur auf hohem Niveau beklagen können, stimmt allerdings sehr wohl. Und die Sonne im Herzen hat man hier sowieso.

Fotos: iStock.com/FooTToo; Jürgen Gocke