„Raumfahrt in die Klassenzimmer bringen“: Schüler*innen aus Südbaden funken Internationale Raumstation ISS an STADTGEPLAUDER | 19.03.2022 | Philip Thomas

Internationale Raumstation ISS

19 Fragen in elf Minuten und viele strahlende Gesichter. Das ist die Bilanz eines Anrufs des Erasmus-Gymnasiums in Denzlingen sowie des Freiburger Goethe-Gymnasiums auf der Internationalen Raumstation ISS. Der Funkkontakt zum deutschen Astronauten Matthias Maurer soll Interesse für MINT-Fächer bei Schüler*innen wecken.

Sternenzeit 99743.39: „Delta, Papa, Null, India, Sierra, Sierra ruft Delta, November, Eins, Echo, Mike, Echo, over“, sagt Amateurfunker Matthias Bopp immer wieder ins Mikrofon. Aus den Boxen in der Aula des Erasmus-Gymnasiums Denzlingen rauscht es – bis schließlich: „Hier ist die Internationale Raumstation, wie geht es euch?“, meldet sich Matthias Maurer aus fast 360 Kilometern Höhe. Elf Minuten haben Schüler*innen des Freiburger Goethe- und des Denzlinger Erasmus-Gymnasiums nun Zeit, dem deutschen Astronauten Fragen zu stellen – so lange hält der Funkkontakt.

„Welche Gesetze gibt es auf der ISS?“, möchte Katharina vom Erasmus-Gymnasium zuerst wissen. „In jedem Raumschiff gelten die Gesetze des Landes, die es gestartet hat. Auf der ISS sind verschiedene Module zusammengeknüpft, deswegen herrscht hier ein Internationales Abkommen“, erklärt Maurer. Matteo vom Goethe-Gymnasium interessiert, was im Falle einer defekten Toilette auf der ISS zu tun ist. Maurer klopfe dann bei den russischen Kollegen an und frage, ob er ihren Lokus benutzen dürfe. So selbstverständlich wie das internationale Miteinander auf der Raumstation sei für den Astronauten auch die Existenz von außerirdischem Leben.

Dann werden ernste Töne angeschlagen. Adriana vom Goethe-Gymnasium fragt, ob die Folgen des Klimawandels von der ISS zu beobachten sind. „Ich sehe, dass der Urwald brennt und dass Gletscherbereiche und Seen deutlich kleiner geworden sind, als auf Karten eingezeichnet“, entgegnet der 51-Jährige. Auf eine ähnliche Frage von Esra vom Erasmus-Gymnasium antwortet der Materialwissenschaftler: „Ich habe mich am Anfang total erschrocken, wie dünn und wackelig die Erdatmosphäre ist. Wir müssen viel besser auf unsere Erde aufpassen, was wir da unten machen, ist viel zu rabiat.“

Matthias Maurer

Auf der ISS alles im Griff: Astronaut und Werkstoffkundler Matthias Maurer

Schließlich bricht der Kontakt ab. Was nach elf Minuten vorbei war, wurde monatelang vorbereitet: Im Herbst 2020 stellten Lehrer vom Erasmus-Gymnasium in Denzlingen sowie vom Freiburger Goethe-Gymnasium einen Draht her zu den Funkern von „Amateur Radio on the International Space Station“ ARISS. Die Amateurfunker bauen eigene Satelliten. Laut Bopp, Rufzeichen DD1US, vom Verein Deutscher Radio Club DARC, sind derzeit etwa 30 Amateurfunk-Satelliten im Orbit unterwegs. Viele dieser Raumflugkörper sind kaum größer als ein Fußball.

Um die rund 450 Tonnen schwere Raumstation zu erreichen, wurde auch auf der Erde schweres Gerät aufgefahren. 14 DARC-Techniker sorgten für einen reibungslosen Ablauf. Im Gepäck hatten sie laut Bopp Ausrüstung im Wert von rund 20.000 Euro, darunter zwei Notstromaggregate. Die beiden notwendigen Antennen befestigten die Funker auf zwei 27 Meter hohen Hubsteigern. „Wir sind schon nervös gewesen“, gesteht Bopp, der mit DARC bereits die fünfte Schule besuchte. Nicht immer sei Funkkontakt zustande gekommen. Dass die Verbindung gehalten habe, freue ihn umso mehr: „Wir befeuern damit die nächste Generation.“ Ziel der Aktion sei, Werbung für MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) zu machen.

Auch Volker Schmid, Leiter der aktuellen Cosmic-Kiss-Mission beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), zeigte sich zufrieden: „Das bringt Raumfahrt und internationale Kooperation in die Klassen-zimmer.“ Vielleicht breche mal jemand aus Freiburg oder Denzlingen auf zu den Sternen. Schülerinnen wie Nele Wagner vom Goethe-Gymnasium scheinen vom kurzen Kontakt mit dem Weltraum zumindest inspiriert: „Ich hatte so etwas noch nicht in Erwägung gezogen. Nun denke ich darüber nach, ein MINT-Fach zu studieren.“

Fotos: © pixabay, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt