Bierkühler, Bohnenröster, Bachelorarbeit: Freiburger Reparatur-Café gegen die Wegwerfgesellschaft Szene | 19.04.2024 | Philip Thomas
Kaffeemaschinen, Fernseher, Handys. Laut Statistischem Bundesamt schmeißt jeder Deutsche pro Jahr rund 12,5 Kilogramm Elektrogeräte in den Müll. Tendenz steigend. Das Reparatur-Café Freiburg geht gegen diesen Trend. Seit 20 Jahren hauchen Tüftler dort alten Geräten neues Leben ein. Auch IT-Notfälle verarzten die Ehrenämtler.
„Jeder nimmt sich, was er sich zutraut“, erklärt Martin Babutzka vor einer aufgeschraubten Bluetoothbox. Dahinter liegen dutzende Schraubenzieher, ein Multimeter sowie Lötkolben. Durch das Fenster des Quartiertreffs des Bauvereins an der Freiburger Wannerstraße reicht jemand eine defekte Küchenmaschine hinein. „Wäre schade, die wegzuschmeißen“, sagt der Mann. Eine junge Frau möchte ihren Wasserkocher derweil selbst reparieren. Unter Anleitung beginnt sie, das streikende Gerät an einem freien Platz auseinanderzunehmen.
Bald liegt der Geruch von Lötzinn in der Luft. Am Nebentisch gibt ein Plattenspieler schon wieder Töne von sich. Dahinter erwacht bald eine Kaffeemaschine brummend zum Leben. 30 bis 40 Geräte versorgt das zehnköpfige Team im Schnitt. „Wir hatten schon Laubbläser, Röstautomaten, Bierfasskühlanlagen und Barbie-Kinderwagen“, berichtet Babutzka.
Drei von vier Geräten können die Bastler reparieren. „Küchenmaschinen gehen ganz gut. Drucker und Fernseher laufen eher schlecht. Da sind meistens krasse Platinen drin“, sagt der 38-Jährige. Zweimal im Monat kommt das Café zusammen, und manchmal nehmen die Bastler Geräte auch mit nach Hause. „Haarrisse in komplizierten Platinen lassen sich im Backofen manchmal wieder zusammenschmelzen“, erklärt Reparateur Wolfgang Reuter.
Im Februar beschloss das EU-Parlament neue Richtlinien, die „das Recht auf Reparatur“ stärken sollen. Denn aktuell erschweren Heißkleber und ungewöhnliche Schrauben die Arbeit von Freiburgs Reparateuren. „Der Trend geht leider dorthin“, sagt Bastler Felix Ratzkowski. Obendrein sei an neuartigem Gerät viel wegoptimiert: „Zahnräder von Küchenmaschinen wurden früher aus Metall gearbeitet. Heute sind sie oft aus Kunststoff. Da ist der Verschleiß höher.“
Und Reparaturen beim Hersteller seien oftmals überteuert: Vor einem Jahr sei ein Freiburger mit einem defekten Kaffeevollautomaten und einem Kostenvoranschlag des Fabrikanten in Höhe von 300 Euro im Café vorstellig geworden. Nach einer Stunde Schrauberei sprudelte das Gerät wieder. „Letztlich war ein Bauteil im Wert von zwölf Cent defekt“, erinnert sich Ratzkowski.
Auch Notfälle verarzten die Bastler. Luca Leitz-Schwoerer hat seinen kaputten Laptop mitgebracht. Darin: die eigene Bachelorarbeit. Fünf Monate Recherche und knapp 30 Textdokumente stecken in dem Ordner. Eine Sicherheitskopie hatte der Freiburger Student nicht angelegt. „Das Gerät ging plötzlich nicht mehr an und hat sich entladen. Es war also recht dringend“, berichtet er.
Mit zwei Metallstäben und einem ruhigen Händchen gelingt es Babutzka schließlich, den Kurzschluss zu umgehen und die Platine am fixierten Notebook so lange mit Strom zu versorgen, bis der letztlich nur wenige Megabyte große Ordner gerettet ist. Dreimal reißt die Versorgung ab, bevor der Kopiervorgang abgeschlossen ist. „Das war ein bisschen Krimi“, sagt Leitz-Schwoerer.
Ein Herr, dessen Milchaufschäumer indes nicht mehr zu retten war, ist weniger dankbar: Mit dem aufgeschraubten Gerät könne er sich nun nicht mehr an den Hersteller wenden. Reparateur Reuter verweist auf das gar nicht so Kleingedruckte auf dem signierten Haftungsausschluss. Garantie-Ansprüche verfallen mit der Gerät-Abgabe. Auch Recht auf Reparatur bietet das auf Spendenbasis arbeitende Café nicht.
Die abgegebene Küchenmaschine entkommt derweil der Tonne. Schuld am Defekt war ein durchgerauchter Kondensator. Ein passendes Ersatzteil hatte das Café zufällig auf Lager. Auch Reparateur Ratzkowski ist zufrieden: „Ich freue mich, wenn‘s einfach ist. Manchmal macht es aber auch Spaß, den Fehler lange zu suchen.“
Fotos: © pt