Kurzer Prozess für Langfinger – Zahl der Diebstähle in Freiburg stark gestiegen Gesellschaft | 15.11.2023 | Philip Thomas

Jemand stiehlt aus einer Handtasche Augen auf: Freiburgs Polizei verbucht 60 Prozent mehr Hand­taschendiebstähle als im Vorjahr.

Handys, E-Bikes, Markenkleidung. Freiburgs Polizei verzeichnet einen sprunghaften Anstieg von Diebstählen. Die Täter sind nicht selten bewaffnet und schüchtern Ladeninhaber und Kunden ein.Die Beamten und die Staatsanwaltschaft setzen auf Abschreckung und „beschleunigte Verfahren“.

In einer Zelle im Freiburger Polizeirevier Nord sitzen zwei junge Algerier. Ihnen wird vorgeworfen, ein teures Parfum aus einem Kaufhaus an der Kaiser-Joseph-Straße gestohlen zu haben. Es ist kein Einzelfall: „Freiburg hat ein hohes Grundrauschen. Seit Ende des vergangenen Jahres stellen wir aber vor allem einen Anstieg von Diebstahlkriminalität fest“, erklärt Revierleiter Ulrich Hildenbrand zwei Stockwerke darüber. Besonders Laden-, Taschen- und Fahrraddiebstähle beschäftigen die Freiburger Polizei seit Monaten.

Die Beamten verzeichnen 60 Prozent mehr Diebstahlsdelikte als im Vorjahreszeitraum. Jede Woche werden laut Hildenbrand knapp 50 Fahrräder, darunter viele teure E-Bikes, gestohlen. Vergangenes Jahr waren es knapp 30. Zahlen für das aktuelle Jahr möchte auch das Landeskriminalamt nicht nennen. Jürgen Glodek von der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit betont auf chilli-
Anfrage aber: „Bei einem prozentualen Vergleich der bislang im Jahr 2023 erfassten Fälle aller Diebstahlsdelikte zum Vorjahr liegt der Stadtkreis Freiburg vor den Stadtkreisen Stuttgart, Heidelberg, Mannheim und Karlsruhe.“

Neben Rad- und Taschendiebstählen im Bereich der Altstadt, in Parks, Schwimmbädern oder dem Tanzbrunnen an der Freiburger Rempartstraße haben auch Ladendiebstähle zugenommen. Mehr als 50 solcher Delikte verzeichnet Polizeidirektor Uwe Oldenburg jede Woche im Stadtgebiet. Die Hälfte der Geschnappten hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Die nicht-deutschen Tatverdächtigen sind laut Oldenburg in der Hälfte aller Fälle Flüchtlinge oder Asylbewerber.

Aggressives Auftreten

„Was uns Sorge bereitet, ist das vermehrt aggressive Auftreten von Nord­afrikanern. Wir erhalten Mitteilungen über Gruppen, die bedrohlich auftreten und teilweise auch Bewaffnung wie Messer oder Schlaggegenstände mit sich führen“, so Hildenbrand. Im Einvernehmen mit den Inhabern enden Polizei-
Streifen in der Freiburger Altstadt deshalb nicht mehr an der Ladentür.

Die Freiburger Staatsanwaltschaft setzt ebenfalls auf Abschreckung – in Form sogenannter beschleunigter Verfahren. Auch die beiden Algerier erwartet ein solcher Prozess. Sie sind in der Landeserstaufnahme für Flüchtlinge gemeldet. „Der eine ist gestern und der andere vorgestern eingereist“, sagt die zuständige Staatsanwältin Sabrina Haberstroh. 

Voraussetzung neben einem Wohnsitz in Freiburg ist, dass Fälle einfach gelagert sind, also mit klarer Beweislage durch Zeugenaussagen, Videoaufnahmen oder geständige Täter, die meist auf frischer Tat ertappt werden und zum Zeitpunkt mindestens 21 Jahre alt sind. Das Strafmaß darf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr nicht übersteigen.

78 Prozent der beschleunigten Verfahren in diesem Jahr betrafen Diebstahlsdelikte. Neun von zehn werden noch am selben oder am Folgetag verhandelt. „Die Strafe folgt auf den Fuß. Der Rechtsstaat zeigt Zähne“, kommentiert Haberstroh. Insgesamt 88 solcher Verfahren gab es vergangenes Jahr am Freiburger Amtsgericht. Dieses Jahr waren es bis Juli bereits 110 Urteile.

Nicht jeder nimmt sich die Belehrung zu Herzen. „Wir hatten einen Täter, der zwei Stunden nach seinem Urteil im beschleunigten Verfahren wieder im Gericht saß“, so Haberstroh. Oldenburg erklärt: „Intensivtäter lassen sich nicht abschrecken, wohl aber der Gelegenheitsdieb.“

Foto: © freepik.com