Stadt, Band, Fluss – Neue Studie zum umstrittenen Tunnel / Gefakte Post im Briefkasten Stadtentwicklung | 26.12.2023 | Lars Bargmann

Visualisierung Stadtunnel

Eine neue Studie zum geplanten Stadttunnel in Freiburg zeigt auf, wie sich der Stadtraum entlang der Dreisam positiv verändern kann.  „Wir sehen, was für ein enormes Potenzial in dem Projekt steckt.Es kann ein neuer grüner, vielfältiger und lebendiger Aufenthaltsort für alle entstehen, mitten im Herzen der Stadt an der Dreisam“, kommentierte Oberbürgermeister Martin Horn bei der Vorstellung. Im Gemeinderat kam die Studie gut an, die Gegner geben sich unbeeindruckt und werfen Fake-Post in die Briefkästen. Anwohner und Bürgervereine dringen derweil auf Sofortmaßnahmen.

Ein grünes Band zieht sich von der Kronenbrücke ostwärts bis an die Greiffenegg- und Schwabentorbrücke. Mit attraktiven Freiräumen, dem Herzstück einer „Wiese für alle“ zwischen Kronen- und Kaiserbrücke, mit 300 neuen Bäumen, einem besseren Mikroklima, mehr Raum für Fußgänger und Radler. So visualisieren die Büros Latz+Partner und Schneider+Schumacher die Kernbotschaft zweier Szenarien, die den oberirdischen Rückbau von Straßen nutzen, um einen Boulevard entlang der Dreisam zu kreieren.

Nach dem im Dezember 2022 veröffentlichten Verkehrsgutachten der Autobahn GmbH würden mit Stadttunnel – je nach Teilabschnitt – 60 bis 80 Prozent des heutigen Verkehrs, beim Schwerlastverkehr bis zu 90 Prozent, in den Röhren verschwinden. „Den Dreisamraum auf Höhe der Innenstadt werden wir mit dem Stadttunnel nicht länger dem Verkehr preisgeben. Stattdessen wollen wir die Innenstadt zur Dreisam und zur Wiehre hin öffnen“, sagt Baubürgermeister Martin Haag. Die Studie zeige, dass es eine „einmalige Chance“ auf neue zentrale urbane und grüne Flächen, eine attraktive Promenade für die ganze Stadt gebe. Aktuell rollen täglich rund 60.000 Autos über die B31 durch Freiburg.

Visualisierung Stadttunnel

Sieht so die Zukunft aus? Auch wenn Visualisierungen gerne das Schöne betonen, braucht es nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie attraktiv der Bereich rund um die Kaiserbrücke nördlich der Dreisam ganz ohne Autos wäre. Die Planer haben aber auch eine Variante erarbeitet, bei der auf beiden Seiten des Flusses je eine Fahrspur bleibt.

Die Studie gibt gleichsam auch das Fundament für einen städtebaulichen Wettbewerb, der aber erst dann gestartet werden kann, wenn die Ingenieursplanungen für den Tunnel abgeschlossen sind. Das wird wohl nicht vor 2026 sein. In einem Szenario wird die nördliche B31 komplett zurückgebaut, im Süden bleiben zwei dann gegenläufige Spuren. Im anderen Szenario soll es auf beiden Seiten des Flusses nur noch eine Fahrspur geben.

Der Freiburger Stadttunnel ist seit 2016 – aus diesem Jahr kommt auch die Kostenschätzung von 325 Millionen Euro – in der wichtigsten Kategorie des Bundesverkehrswegeplans 2030. Während die Planung des 1,8 Kilometer langen, doppelröhrigen Bauwerks durch die Autobahn GmbH umgesetzt wird, ist für alles Oberirdische die Stadtverwaltung zuständig. Mit einem Spatenstich vor Mitte der 30er-Jahre rechnet indes niemand mehr. Genau das treibt die Bürgervereine Oberwiehre/Waldsee sowie Mittel- und Unterwiehre an. Sie fordern in einem Schreiben an den Gemeinderat zeitnah einen „Plan B“, der vor allem die Schwerlast-Blechlawine stoppt. Etwa durch eine Maut oder ein Durchfahrtsverbot für Transit-Lkw. Das wünschen sich auch die Tunnelgegner der Initiative Statttunnel und Freiburg-Lebenswert-Stadtrat Wolf-Dieter Winkler. Das Freiburger Rathaus und auch das Regierungspräsidium halten das indes für rechtlich unmöglich.

Tunnelgegner hatten Mitte und Ende November Schreiben an „Alle Haushalte im Anwohnerbereich der Bauarbeiten des Stadttunnels Freiburg“ in die Briefkästen geworfen, in dem es unter anderem heißt: „Erst mit dem Abriss des Dreikönigshauses wird festgestellt werden können, ob die Bausubstanz der angrenzenden Häuser ausreicht oder ob sie ebenfalls abgerissen werden müssen.“ Die Angstmacher hatten die Logos der Stadtverwaltung und der Autobahn GmbH auf die Briefköpfe gesetzt. „Solche gefälschten Schreiben sind das Gegenteil eines demokratischen Diskurses mit Sachargumenten. Das ist unterste Schublade“, kritisierte Haag.

Fake-Schreiben an die Anwohner

Das Fake-Schreiben an die Anwohner.

Tatsächlich muss man charakterlich schon einigermaßen deformiert sein, um Anwohner auf diese Weise zu verunsichern. Sicher ist, dass der Freiburger Stadttunnel wirtschaftlich bessere Zeiten braucht, um die Vision von einem grünen Band in der Stadt am Fluss umzusetzen.

Visualisierungen: © Latz + Partner LandschaftsArchitektur Stadtplanung