Nicht nur eine Krux bis zum Gipfelkreuz: Beim Neubaugebiet Kleineschholz startet demnächst die Vermarktung Stadtentwicklung | 23.02.2024 | Lars Bargmann

Ein Luftbild von Kleineschholz Kleineschholz heute: Die Erschließungsarbeiten laufen. Der Pavillon für Alle (unten links) liegt an der Grenze zum Parkplatz der Arbeitsagentur. Aus den oberen Stockwerken könnte sogar der Schönberg zu sehen sein.

Plan-Nummer 5-121. Das ist die Nummer, mit der Freiburg bundesweit „komplett gegen den Strom schwimmt“, wie Oberbürgermeister Martin Horn beim Spatenstich fürs Neubaugebiet Kleineschholz sagte. Damit meinte er nicht, dass erstmals in der ­Geschichte der Stadt gut 500 Mietwohnungen ausschließlich von gemeinwohlorientierten Unternehmen gebaut werden sollen. Das hätte er allerdings auch meinen können. Aber der OB meinte, dass überall Projekte gestoppt werden, Freiburg hingegen mutig vorangeht.

15 Baufelder haben die Projektgruppe unter der Leitung von Sabine Recker und das städtische Liegenschaftsamt mit seinem Chef Bruno Gramich zugeschnitten. Zwei wird die Freiburger Stadtbau bebauen, zwei die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA). Ein Baufeld ist für die Quartiersgarage reserviert. Das teuerste Grundstück kostet 5,5 Millionen Euro, das für die Quartiersgarage stolze 4,27 Millionen Euro, das günstigste 1,43 Millionen. Es hat 686 Quadratmeter. Die Grundstückspreise sind die erste Krux auf dem Weg zum Gipfelkreuz.

Grundstücke teuer eingekauft

Das Freiburger Rathaus, eine öffentliche Institution, musste das Bauland von der ebenso öffentlichen BIMA teuer einkaufen: 28 Millionen Euro, fast 1000 für jeden Quadratmeter. Allerdings gibt die BIMA pro geförderter Wohnung – es sind mindestens 250 – 25.000 Euro Zuschuss. Gut sechs Millionen kosteten die Flächen der Arbeitsagentur. Auf zehn Millionen ist die Erschließung taxiert. Knapp 40 Millionen Euro sollen die Grundstücke (entweder per Einmalablöse im Erbbaurecht oder durch Verkauf) in die Rathauskasse spülen. Knapp sechs Millionen Euro wird die Stadt zudem für besonders soziale Projekte beisteuern. Unterm Strich wird Kleineschholz rund 40 Millionen aus der Kasse von Finanzbürgermeister Stefan Breiter einfordern.

Die zweite Krux ist die Vergabe an gemeinwohlorientierte Unternehmen. In der Anlage 4 zur Gemeinderatsdrucksache G-23/201 ist aufgelistet, was darunter überhaupt zu verstehen ist: Unternehmen oder Projekte, bei denen die Mieter am Unternehmenswert beteiligt sind (Mietshäuser-Syndikate, Baugenossenschaften, Kommanditgesellschaften), Unternehmen mit staatlichem, kommunalen oder kirchlichem Daseinsvorsorgeauftrag, Unternehmen, die per Satzung soziale, kulturelle, ökologische Projekte fördern – und dies durch Referenzen auch belegen können.

Oder schließlich solche Unternehmen, die Werkswohnungen für Menschen insbesondere aus systemrelevanten  Berufen bauen wollen. Eine privatwirtschaftlich arbeitende Wohnbau Baden AG etwa zählt – wie alle anderen privaten Bauträger – nicht dazu. Allerdings führt sie 51 Prozent ihres Unternehmensgewinns an die Volker-Homann-Stiftung ab, die damit Gutes tut. Spannend, wie das Rathaus bei einer Bewerbung reagieren würde.

Der vielstimmigen Kritik an der gemeinwohlorientierten Vergabe tritt Baubürgermeister Martin Haag deutlich entgegen: „Ich verstehe gar nicht, warum da so ein Theater gemacht wird. Das ist ja auch ein Stückweit eine Symboldiskussion. Jetzt macht die Stadt einmal ein Baugebiet für gemeinwohlorientierte Unternehmen, für gemeinwohlorientierte Bauherren, für gemeinwohlorientierte Genossenschaften.“ Es gebe ausreichend andere Baugebiete in der Planung, „wo alle Akteure auch in Zukunft herzlich eingeladen sind.“

Die Vergabe soll Bodenspekulationen, die es in der Vergangenheit durchaus gegeben hat, verhindern. Das Rathaus hat sich für ein zweistufiges Bewerbungsverfahren entschieden. Es soll noch im März starten. Ende 2025, so die Hoffnung, sollen die ersten Rohbauer auf dem Areal aufkreuzen. Die werden vermutlich im Auftrag der Stadtbau arbeiten.

Jeder Bauherr muss 50 Prozent öffentlich geförderten Wohnungsbau bringen. Je mehr er zusätzlich macht (preisgedämpftes Wohnen, innovative Wohnformen, ökologisch hochwertige Gebäude aus lokalen Rohstoffen), umso besser platziert er sich im Ranking. „Mit der offenen Konzeptvergabe setzen wir auf die Ideen der Bauwilligen und schaffen so den wichtigen Spielraum für Flexibilität, Kreativität und Innovation“, sagt Recker.

Die Interessenten brauchen in der ersten Phase, anders als oft praktiziert, keine fertige Planung mit Finanzierungsbestätigung vorzulegen. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass da auch Konzepte kommen, die eine geringe Realisierungschance haben“, sagt Haag. „Aber wir wollen, dass die Bauwilligen mit möglichst wenig Aufwand ihre Konzepte einbringen können.“

Freiflächen deutlich aufgewertet

So komplex die Vergabe der Grundstücke sein wird, so gut wurden bei der durchaus hohen Dichte die Grün- und Freiflächen geplant. Der Eschholzpark wird über die Stadtbahnline nach Norden erweitert, neben dem Rathaus im Stühlinger soll es eine Parkwiese mit Bäumen, Spielbereichen und einem Kiosk geben. Eine Urban-Gardening-Fläche ist bereits zu sehen, die auch den Eidechsen aus der früheren Kleingartenanlage ein neues Heim bietet. Die Sundgauallee wird teilweise stillgelegt und zu einer sogenannten „Activity Lane“ umgestaltet: Die Autoachse wird zur Freizeitachse.

Am zentralen Quartiersplatz sind in den Erdgeschosszonen quartiersbezogene Läden, Cafés und ein kleiner Supermarkt vorgesehen. Zwei Kitas sollen dem kleinen Nachwuchs in Kleineschholz auf kurzen Wegen eine zweite Heimat bieten. „Die Entwicklung ist eine Riesenchance für Freiburg“, so Horn, damit werden wir für viele ein bezahlbares Zuhause in einem innovativen und kreativen Quartier in Innenstadtnähe schaffen.“

Foto: © Neithard Schleier