Bahnbrechendes auf Brauereigelände – Auf dem Ganter-Areal können 350 Wohnungen geplant werden Stadtentwicklung | 22.08.2023 | Lars Bargmann

Luftaufnahme des Ganter-Areals Filetfläche östlich der Altstadt: Auf dem gelb markierten Areal will Artemis Wohnungen bauen.

Lange haben sie am Seil gezogen, jetzt ist der gordische Knoten am Ganter-Areal geplatzt: Die Schweizer Artemis-Gruppe kann mit der Planung für die Bebauung loslegen. Das Freiburger Rathaus hatte dabei das längere Ende des Seils auf seiner Seite: Der Investor muss Bauland für 60 öffentlich geförderte Wohnungen an die Stadt abgeben kostenlos.Insgesamt sollen 350 Mietwohnungen entstehen, zudem Gewerbe- und Grünflächen. Ein Wettbewerb soll die beste Lösung aufzeigen.

Es ist schon zwölf Jahre her, dass der städtische Bauausschuss die Weichen für die Bebauung der nun rund drei Fußballfelder großen Entwicklungsfläche gestellt hatte. Es passierte aber nichts. Im Herbst 2021 hatte die Ganter Grundstücksgesellschaft (GGG) dann endlich mit der Artemis Immobilien GmbH & Co. KG (AIG) den zahlungskräftigsten Partner gefunden. Nicht nur ein – durchaus auch zahlungskräftiger – Freiburger Bauträger war aus dem Bieter-Wettbewerb letztlich ausgestiegen. Nun also Pröschteli statt Prost auf dem altehrwürdigen Brauereigelände.

Es war nicht nur eine Verhandlungsrunde, in denen sich die Repräsentanten von Stadt und Investor bei der Deutungshoheit über die Frage gestritten haben, was denn nun an Mehrwert durch einen neuen Bebauungsplan überhaupt entsteht – und inwiefern also das Rathaus an diesem partizipieren kann.

Artemis hatte ein Gutachten vorgelegt, wonach auch ohne neuen B-Plan 22.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche neues Wohnen möglich wären. Auf insgesamt 42.000 Quadratmeter Geschossfläche wird die mögliche Bebauung aktuell taxiert. Blieben 20.000 Quadratmeter Differenz. Das Rathaus legte seine Sicht der Dinge dar, wonach ohne neues Baurecht allenfalls 4000 Quadratmeter Wohnen möglich wären. Bleiben 38.000. Unterm Strich blieb fast der doppelte Planungsgewinn für die Stadt.

Da davon 8000 für gewerbliche Nutzungen reserviert sind, kann das Rathaus 20 Prozent der 30.000 Wohn­quadrat­meter, mithin 6000, für sich beanspruchen. Ohne dafür auch nur ein Fränkli zu bezahlen. Der Investor habe sich „erheblich auf die Position der Stadt zubewegt“, heißt es in der Drucksache G-23/150 für den Gemeinderat. „Wir wollen gemeinsam mit der Stadt möglichst viel Tempo in die Entwicklung bekommen und haben uns konstruktiv geeinigt“, sagt die Freiburger Immobilienunternehmerin Silvia Didier Löliger, die die Geschäfte der AIG führt. Die gehört dem Schweizer Milliardär Michael Pieper, den die Freiburgerin auch privat kennt. „Unser Interesse war, möglichst schnell loszulegen, und bei der 50-Prozent-Quote wären noch viele Rechtsfragen zu klären gewesen“, formuliert Markus Lißke von der Agentur komm.passion GmbH, die für Artemis die Kommunikation macht.

Der Investor hätte im „3sam quartier“ auch selber 50 Prozent der Wohnungen öffentlich gefördert bauen und dann für – um die 10 Euro – subventioniert vermieten können. Denn so sieht es eigentlich ein Beschluss des Freiburger Gemeinderats aus dem Jahr 2015 vor. Das wollte die Artemis, die noch nie geförderte Wohnungen gebaut hat, nicht. Wie nahezu alle anderen Bauträger auch, die notgedrungen lieber Bauland verschenken, statt sich mit dem wirtschaftlich riskanten sozialen Mietwohnungsbau herumzuschlagen. Das Rathaus spielte mit. Es gab auch schon Bauvorhaben, wo das nicht so war, wo die 50-Prozent-Quote in Stein gemeißelt war. Im Gemeinderat gab es deswegen auch Kritik – er gab aber mit großer Mehrheit dennoch grünes Licht.

Auf den ersten Blick kann sich die Freiburger Politik über das kostenlose Grundstück freuen. Das vom Investor zuerst teuer gekaufte und dann verschenkte Bauland wird sich aber in den Preisen für die anderen Wohnungen deutlich abbilden müssen. „Durch die Größe der Entwicklung und als langfristiger Bestandhalter können wir das Engagement anders betrachten, die Mieten werden passen“, so Didier Löliger.

Ganter-Areal mit Dreisam

Idyllisch gelegen: Viele der neuen Wohnungen werden entlang der Dreisam gebaut.

„Auch bei der 50-Prozent-Quote hätten die frei finanzierten die geförderten mittragen müssen“, entgegnet Haag. Und in der attraktiven Lage nun selber ins Eigentum zu kommen, sei ein „sehr gutes“ Verhandlungsergebnis. Dass dauerhaft geförderte Wohnungen entstehen, die „nicht aus der Bindung fallen“, freut Oberbürgermeister Martin Horn besonders.

Was die AIG fürs rund 20.000 Quadratmeter große Grundstück gezahlt hat, darüber sei Stillschweigen vereinbart worden, so Lißke. Es dürfte rund um 30 Millionen Euro gekostet haben. Für 42.000 Quadratmeter Geschossfläche, Planungskosten und Außenanlagen dürften zudem mindestens 140 Millionen Euro auf den Verhandlungstisch geblättert werden. Auch für den Abriss der bestehenden, nicht denkmalgeschützten Bebauung ist Artemis zuständig. Allein der Rückbau des Flaschenkellers – für dessen Umnutzung es in der Vergangenheit nicht nur eine Baugenehmigung und nicht nur einen Mietvertrag gab – wird dabei einen Millionenbetrag verschlingen.

600 Quadratmeter entlang der Schwarzwaldstraße wird Artemis noch an die Autobahn GmbH verkaufen, weil die Tochter des Bundes diese für den Vollanschluss des Stadttunnels bei Ganter benötigt. Auf der anderen Seite, zur Dreisam hin, wird auch die Stadt noch Flächen kaufen, um den Dreisam-Uferweg zu verbreitern.

In einem zweistufigen Realisierungs-Wettbewerb soll nun zunächst städtebaulich das gesamte Areal mit angrenzenden Flächen (Ganter-Biergarten, Tankstelle, Ballhaus) geordnet und danach der Hochbau gekürt werden. Die Ergebnisse münden in einen neuen B-Plan und dann im Bauantrag. Das wird mindestens zwei Jahre dauern. Für diesen Prozess arbeitet Didier Löliger mit der ebenfalls in der Schweiz beheimateten Halter AG zusammen. Sorgen wegen der hohen Bauzinsen und der noch höheren Baupreise mache sich die Artemis nicht. „Die Artemis ist sehr gut aufgestellt“, so Lißke. Im Klartext: Sie müsste sich, wenn die Bank-Konditionen schlecht sind, gar kein Geld leihen.

Neben den Wohnungen wird Artemis auch zwei Kitas bauen, plant trotz des bestehenden Angebots mit Ganter-Hausbiergarten, Restaurants und Kneipen auch Gastronomie sowie Co-working-Spaces, Büroräume und Kleingewerbeflächen. „Es ist unser Ziel, langfristig Wert zu schaffen und zu erhalten, auch bei diesem Projekt, bei dem wir als Bestandshalter nach Freiburg kommen, um hier zu bleiben“, sagt Martin Wyser, Geschäftsführer der Artemis Real Estate Group und Mitglied der Leitung des Konzerns, der im vergangenen Jahr mit rund 11.000 Beschäftigten 3,6 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet hat. „Es ist doch wunderbar, dass Freiburg mit Artemis einen Investor bekommt, der rund 300 Mietwohnungen im Bestand halten wird“, sagt Didier Löliger.

Die Stadtverwaltung hat auf dem Papier nun 60 Sozialwohnungen gewonnen. Die Frage ist, ob sie die dann auch beherzt baut. Beim Ebneter Neubaugebiet Hornbühl-Ost hatte das Rathaus auch 20 Prozent der Flächen, komplett erschlossen, geschenkt bekommen, um mindestens 25 geförderte Einheiten herzustellen. Dort tut sich seit fünf Jahren: nichts. Noch länger liegt übrigens ein städtisches Grundstück im Neubaugebiet Innere Elben brach. Es wird mittlerweile als Lagerplatz für Glasfaserkabel genutzt. Statt fürs Wohnen.

Foto: © artemis; Luftbild: © Stadt Freiburg; Grafik: © Julia Neininger