"Paterson" – Himmlisch langsame Tragikkomödie mit Busfahrer und Bulldogge Kinonews | 16.11.2016

Patersons Vornamen erfahren wir nicht. Er spricht nicht von sich – und auch nicht mit sich selbst. Und seine Frau, die ihn sehr liebt, nennt ihn nur bei den persönlichen Kosenamen, die sie sich immer wieder aufs Neue für ihn ausdenkt. Selbst in der Bar, die er allabendlich zwischen Nachtessen und Schlafen­gehen zusammen mit dem Hund seiner Frau aufsucht, scheinen ihn alle nur als Paterson zu kennen.

Er ist zufrieden. So, wie er überhaupt ein sehr zufriedener Mensch zu sein scheint. Ein ausgeglichener, mit sich und seiner Umgebung im Einklang befindlicher Mann, der für ein glückliches Dasein nicht mehr zu brauchen scheint als ein paar Gewissheiten, einen festen Job, ein bescheidenes Dach über dem Kopf, ein paar Bekannte – und eine Frau, die er genauso liebt wie sie ihn. Und ein Notizbuch, in das er vor Arbeitsbeginn oder in der Mittagspause wunderbar lyrische Werke der Poesie der kleinen Dinge des täglichen Lebens schreibt.

Linien-Busfahrer ist er – in Paterson, einer mittelgroßen Industriestadt in New Jersey, die den gleichen Namen trägt wie er. Und die sein dichterisches Vorbild William Carlos Williams zu einem literarisch denkwürdigen Ort erhob, indem er seinen bekanntesten Gedichtband nach ihr benannte. Doch das erfahren wir erst später, als sich ein Mann aus Japan zu Paterson auf die Bank setzt, auf der er jede Mittagspause verbringt.

Zunächst sehen wir ihm einfach nur dabei zu, wie er eine Woche lang jeden Morgen ohne Wecker immer zur fast gleichen Zeit aufwacht, zur gleichen Zeit aus dem Haus und zur Arbeit geht und um immer die gleiche Zeit seinen Bus startet. Und wie er, wenn er feierabends zur stets gleichen Stunde nach Hause zurückkehrt, jedes Mal den schief stehenden Briefkasten zurechtrückt – wobei nur wir Zuschauer die Ursache für diesen Schiefstand erfahren, Paterson selbst nicht.

Natürlich gibt es auch eine gewisse Abwechslung und sogar unvorhersehbare Ereignisse in diesem Leben, das einem großen ruhigen Fluss ähnelt. Doch Paterson meistert sie mit großer Gelassenheit, lässt sich selbst angesichts einer furchtbaren Zerstörungstat des Hundes nur zu der Bemerkung hinreißen, dass er ihn noch nie lei­den konnte. Worüber er sich indessen wundert, sind die vielen verschiedenen Zwillingsgeschwister, denen er täglich zufällig begegnet, nachdem seine Frau ihm in der Schlaftrunkenheit des ersten Filmmorgens sagte, dass sie geträumt habe, dass sie bestimmt einmal Zwillinge bekommen.

Wir wundern uns nicht. Schließlich kennen wir Jim Jarmusch und wissen, dass in seinen Geschichten nichts zufällig ist. Ein ausgesprochen großartiger Film, den man eigentlich gar nicht beschreiben kann, den man einfach anschauen muss.

Text: Erika Weisser / Fotos: © Weltkino

Paterson
USA 2016
Regie: Jim Jarmusch
Mit: Adam Driver, Golshifteh Farahani u. a.
Verleih: Weltkino
Laufzeit: 113 Minuten
Start: 17.11.2016