Big in Japan – Niklas Jahn wird zum Rising Star an der Orgel Musik | 25.11.2023 | Till Neumann

Niklas Jahn Zielstrebig: Niklas Jahn weiß, wohin er will.

Orgel. Das klingt nach Kirche, Beten und Begleitmusik. Doch der Freiburger Musikhochschulstudent Niklas Jahn zeigt, dass Organisten noch ganz andere Optionen haben. Zuletzt hat der 26-Jährige drei renommierte Wettbewerbe gewonnen. Erste Schritte zum Traum einer Solokarriere – doch die geht fast nur im Ausland.

Läuft bei ihm. So könnte man das Jahr von Niklas Jahn zusammenfassen. Im März landete der Freiburger beim 13. Internationalen Orgelwettbewerb in Korschenbroich (NRW) ganz oben auf dem Treppchen. Im Juli folgte der erste Platz bei einem Improvisationscontest in England. Im September wurde er Bester beim Orgel-Wettbewerb „International Organ Competition Musashino-Tokyo“ in Japan. Damit verbunden ist ein Plattenvertrag beim Label Naxos und eine Tournee durch Konzertsäle in Japan, Polen und Deutschland.

„Riesendinger“ nennt Jahn die Erfolge. Er steht in einem der Orgel-Übungsräume im Keller der Freiburger Musikhochschule mit schicken schwarzen Schuhen, Hose und Hemd. Hier hat er jahrelang für seine jüngsten Coups gearbeitet, die ihn selbst stutzig machen. Nicht einmal eine Homepage hat er, als die Orgelwelt sich fragt, wer dieser Freiburger eigentlich ist.

Pressefotos hat er jetzt machen lassen – die Website ist in Arbeit. Die Interviewanfragen häufen sich. Jahn bündelt sie auf einen Tag und betont: „Ich wollte immer normal bleiben.“ Das sei auch noch jetzt so. Doch er sagt auch: „Ich wollte immer irgendwie sehr gut sein.“ Das macht sich nun bezahlt. Die Gunst der Stunde will er nutzen, um sich als Künstler zu vermarkten.

„Ich wollte immer irgendwie sehr gut sein“

Für eine große Karriere muss Jahn wohl über Grenzen gehen. Denn für freiberufliche Organisten sei Deutschland sehr verkopft. Hier hieße es oft: „Orgel, das gehört in die Kirche.“ Bei seinem Glanzstück in Japan hat er das anders erlebt. „Die standen Schlange an, um von mir ein Autogramm zu holen“, erinnert er sich. Eine Situation, die er so aus Deutschland nicht kennt.

Die Titel haben Türöffner-Potenzial: „Davon träumt man seine ganze Studien-Laufbahn.“ Solche Wettbewerbe könnten die Spreu vom Weizen trennen, das seien Karriere-Marksteine. Auch sein Orgel-Professor Matthias Maierhofer bestätigt das: „Durch den Gewinn dieser bedeutenden Wettbewerbe wird Herr Jahn nun zu vielen Konzerten eingeladen. Das ist der optimale Einstieg in eine künstlerische und in seinem Falle sicher langfristig auch pädagogische Karriere.“

Maierhofer unterrichtet Jahn seit zwei Jahren in seiner Orgelklasse an der Musikhochschule Freiburg. Drei Masterstudiengänge schaffte sein Schützling parallel – in Kirchenmusik, Improvisation und Chorleitung. Jetzt macht er zwei Meisterklassenstudiengänge obendrauf – in Improvisation und Literaturspiel. Ein Novum an der Musikhochschule Freiburg. Der Hochschulrat hat diesen Sonderfall auf Wunsch von Jahn genehmigt.

Matthias Maierhofer

Traut seinem Schützling einiges zu: Orgelprofessor Matthias Maierhofer.

Professor Maierhofer kennt Jahns Stärken: „Ihn zeichnet die Kombination von hoher künstlerischer Begabung und außerordentlichem Fleiß aus.“ Er könne in eine kommunikative und energetische Ebene zum Publikum treten.

Dass Fleiß ein Trumpf ist, weiß Jahn: „Ich war sehr diszipliniert und das hat auch manchmal sehr wehgetan.“ So viel zu üben, auch mal gegen Müdigkeit und Schmerz, zahle sich jetzt aus. Doch das Privatleben will er darunter nicht leiden lassen: „Ich habe eine tolle Freundin“, betont Jahn. Mit ihr lebt er zusammen. Da sie selbst Musikerin ist, könne sie seine Ambitionen verstehen.

Aufgewachsen ist Jahn in einer musikalischen Familie in einem „Dörfchen“ bei Fulda. Sehr bodenständig sei das gewesen – und Jahn habe mit 15, 16 mit anderen Jugendlichen auch öfter „ein Bierchen gezwitschert“. Doch schon damals habe er die Zeiten zum Üben „brutal abgesteckt“. Authentisch wollte er bleiben, nicht zu nerdig werden. Da seine Eltern selbst weder Geld noch Zeit für ein Musikinstrument hatten, gaben sie das an ihn weiter, erzählt er.

Ein prägender Moment war die Teilnahme beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert in Stuttgart. Einen dritten Platz holte er da und sah, wie gut die beiden vor ihm waren. „Was ist hier los? Richtig wild“, sein Gedanke. Das wollte er auch können. Also schrieb er den Domorganisten von Fulda an und kam in professionelle Strukturen.

Jetzt weiß er, dass es sich gelohnt hat. Doch langfristig will er sich absichern: „Ich will irgendwann eine feste Stelle, wo ich einfach zur Ruhe kommen kann.“ Es sei ein sehr umtriebiges Leben freiberuflich, begleitet von Unsicherheiten. Wenn er jetzt krank werde, kriege er kein Geld für geplante Engagements. Ein Posten als Domorganist im Freiburger Münster? Das wäre „Himmel auf Erden“.

Maierhofer rät, am Ball zu bleiben: „Für eine langfristige Karriere gilt es, die erreichte Qualität ständig am höchsten Standard zu halten – zudem mental und körperlich gesund zu bleiben.“ Für Jahn geht es auch um Demut: „Ich habe auch viele Wettbewerbe verloren.“ Die Karriere verlaufe in Wellen. Jetzt gerade gehe „einfach nur alles bergauf“. Dafür ist er dankbar.

Fotos: © Marvin Laibold,  Ramon Manuel Schneeweiss