Wald im Wandel Naturschutz | 05.08.2023 | Erika Weisser
Mischbestände sind wichtig für den Wald der Zukunft.Der Wald als mystischer Ort hat viel von seinem Zauber verloren. Seit Jahrhunderten ist er auch Kultur- und Nutzlandschaft; nun setzen Hitze und Trockenheit der für Tier und Mensch so lebenswichtigen grünen Lunge schwer zu. Akute Aufgabe: ein nachhaltiger Waldumbau.
Der Wald steht schwarz und schweiget. Zusammen mit dem aus den Wiesen steigenden wunderbaren weißen Nebel zeichnet dieser Vers aus dem von Matthias Claudius vor 250 Jahren verfassten Abendlied vom aufgegangenen Mond ein ganz besonderes Stimmungsbild. Aus dem Kontext genommen, könnte er heute aber auch als apokalyptisches Bild gelesen werden: Bäume, die verdurstet, vertrocknet, verbrannt, verkohlt sind. Ein Wald ohne Luft und Leben.
Dafür, dass es trotz vermehrten Baumsterbens und klimakatastrophaler Wetterereignisse dazu nicht kommen möge, sorgen verschiedene Waldretter: Naturschutzverbände und -behörden, Holzarbeiter, Forstämter, Waldökologen und viele andere wirken an zukunftsorientierten Konzepten für den Erhalt der Wälder mit – als Lebensraum für Tiere und Pflanzen, als Sauerstoffproduzent, als CO₂-Speicher und als Zufluchtsort, wo Menschen Ruhe und Erholung finden – und Schutz vor der Hitze. Unter hohen Tannen, die auch nachfolgenden Generationen noch die Sterne weisen sollen.
Durch Klimawandel stark gefährdet
Der Bund Heimat und Umwelt (BHU) hat den Wald in Kooperation mit der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) zum Kulturdenkmal des Jahres 2023 erklärt. Mit der Begründung, dass die über Jahrtausende durch menschliches Einwirken entstandene Kulturlandschaft Wald „durch Klimawandel und immer vielseitiger werdende Nutzung stark gefährdet“ sei. Wobei die zunehmende Trockenheit gerade jene Bäume bedrohe, die hier seit langem heimisch und „als Zeugen einer bestimmten Nutzung auch historisches Kulturerbe sind“.
Als Beispiele für diese Bedrohung seien hier Fichte und Tanne genannt: Die Fichte mit ihren nicht besonders tief gehenden Wurzeln ist vielerorts bereits großflächig „verdurstet“. Und nun sind in den Randgebieten des Schwarzwalds immer mehr Tannen anzutreffen, deren Nadeln rot, deren Zweige verdorrt sind. Zwar haben sie ein tiefergreifendes Wurzelsystem als die Fichten. Doch sie erreichen das absinkende Grundwasser nicht mehr: Der Boden ist bis in die tiefen Schichten ausgedörrt, wie Michael Kilian, Forstamtsleiter im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, jüngst in einem Interview mit der Badischen Zeitung warnte.
Diese etwa 100 Jahre alten Tannen seien in Zeiten „groß geworden“, da es hier noch kühler und regnerischer war, sagt er. Nach mehreren Dürrejahren seien sie „trockengestresst“ und zudem auch altersbedingt so geschwächt, dass sie sich des vermehrten Borkenkäferbefalls nicht erwehren könnten. Zur langfristigen Abhilfe regt er an, den Wald zu verjüngen, also früher als üblich Holz zu ernten, außerdem Mischwälder mit Nadel- und Laubbäumen anzulegen und dafür auch Baumarten zu finden, die mit den veränderten Wetterbedingungen besser zurechtkommen.
Forste fit machen für die Zukunft
Für das bei der SDW angesiedelte Team „MorgenWald“ ist dies ein ganz wichtiger Aspekt bei den Überlegungen, wie der Wald für den Klimawandel „fit gemacht“ werden kann. Das war in einem unlängst zusammen mit dem Waldhaus Freiburg angebotenen Workshop zu erfahren. Mit dem Ergebnis, dass man „nicht länger in der traditionellen Waldbewirtschaftung verharren“ und auch „mit der Aufforstung mit gefährdeten hiesigen Laubbäumen nicht einfach weitermachen“ dürfe. Sinnvoll sei stattdessen eine Durchmischung mit hitzeresistenten Baumarten, die „auch der Aufgabe als CO₂-Fänger in vollem Umfang gerecht werden“. Dazu zählten etwa der Feldahorn und die Roteiche, Hainbuche, Silberlinde oder Schwarze Walnuss.
Der Forstingenieur und Kommunalpolitiker Walter Krögner, in dem beim Regierungspräsidium Freiburg angesiedelten „Biosphärengebiet Schwarzwald“ für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, ist ein Freund von solchen Erwägungen. Allerdings könne man nicht einfach vertraute gegen exotische Bäume austauschen: Neue, hier nicht heimische Sorten müssen vor Ort erst ausgiebig getestet werden, wie dies in der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt schon geschehe.
Der Tatsache, dass es vor allem an winterlichen Niederschlägen mangle, die einen gut durchwurzelten Waldboden in der vegetationsfreien Zeit zu wahren Wasserreservoirs mache, müsse Rechnung getragen werden. Vor allem mit dem Anbau von Laubbäumen, die in der Lage sind, sich an die neuen Standortbedingungen anzupassen, wie etwa die Hopfenbuche oder der Baumhasel. Sie sollten allerdings „langsam eingemischt“ und auf ihre Verträglichkeit mit den anderen Arten genau überprüft werden. Dabei müssten auch die Nadelbäume einen festen Platz im Wald behalten. Unter ökologischem Aspekt, sagt er, „waren Reinbestände noch nie zielführend“, da habe bisher der ökonomische Gesichtspunkt die größere Rolle gespielt: Nadelholz wächst schneller und bringt so mehr Ertrag.
Wälder als Klimaschützer erhalten
Dabei ist Krögner ein großer Verfechter der vermehrten Verwendung von Holz als Baustoff für Häuser, Möbel und Gebrauchsgegenstände. Denn es sei ja nicht nur schön, sondern binde auf Jahrhunderte auch das CO₂, dessen exorbitante Emissionen ja einer der wesentlichen Ursachen für die derzeitige Entwicklung sind. Und Beton, Stahl und andere Baustoffe seien in ihrer Herstellung „richtige CO₂-Schleudern“. Doch nicht nur Nadelholz sei als Baumaterial geeignet; gerade mit Baubuchen gebe es in Freiburg bereits gute Erfahrungen. Und mit Douglasien: Dieser Nadelbaum, der im Arboretum in Günterstal häufig anzutreffen ist, sei wohl weniger anfällig für die Unbill der nicht natürlichen Klima- und Standortveränderung. Hauptanliegen sei der Erhalt der Waldflächen, die es ja nicht nur zu schützen gelte, sondern die „selbst die größten Naturschützer sind“. Und dazu sei „ein wesentlich breiteres Spektrum nötig“.
Fotos: © iStock.com/Teka77, Erika Weisser