Die Grundsteuer ist das neue Wutmacherthema Kommentar | 26.08.2024 | Lars Bargmann

Haus an Geld fliegt davon

Es ist jetzt schon sechs Jahre her, seit das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe dem Gesetzgeber ins Hausaufgabenheft geschrieben hat, die Grundsteuer gerechter zu machen. Die bisherige Regelung verstoße gegen das Gebot der Gleichbehandlung. Eigentümer, die die nun von den Finanzämtern zugestellten Grundsteuerwertbescheide gerechter empfinden, sind der Redaktion allerdings nicht bekannt. Auch wenn es sie unter fast 40 Millionen irgendwo vielleicht geben könnte. 

In Freiburg allerdings werden solche kaum zu finden sein. In Baden-Württemberg errechnet sich die Grundsteuer B durch die Grundstücksgröße, die erst mit dem Bodenrichtwert, dann mit der Steuermesszahl und schließlich mit dem kommunalen Hebesatz multipliziert wird. So weit, so einfach. Am Ende aber kommen zuweilen Werte heraus, bei denen manche schon von indirekten Enteignungen sprechen. 

Den Steigbügelhalter für den Wutmacher hat in Freiburg auch der Gutachterausschuss gespielt: Er hat etwa in der Innenstadt, wo es selten zu Verkäufen kommt, einen möglichen Ertrag aus den Liegenschaften einfach mal geschätzt. Der Redaktion liegt ein Fall vor, wo der Rohertrag 250 Prozent über dem tatsächlichen Ertrag liegt. Doch genau der geschätzte trug maßgeblich zum Bodenrichtwert bei, der unweit des Bertoldsbrunnens bei 23.000 Euro liegt. So heizt der Ausschuss die Grundsteuerkosten zusätzlich an. Ein entrüsteter Eigentümer eines Mehrfamilienhauses an der Dreisamstraße schickte uns die alten und neuen Bescheide. „Das Thema wird total verharmlost, selbst wenn die Stadt den Hebesatz halbiert, steigt die Grundsteuer ums Doppelte.“ 

Finanzbürgermeister Stefan Breiter hatte in einem Redaktionsgespräch im August 2022 noch erklärt, dass ein Absenken des Hebesatzes „kein Thema“ sei. Steuersenkungen seien angesichts der Kassenlage „nicht machbar“. Freiburgs Hebesatz (600) ist übrigens der mit Abstand höchste im Land. In Stuttgart liegt er bei 520, in Karlsruhe bei 490, in Offenburg bei 420. Hohe Bodenrichtwerte sind der natürliche Feind fürs bezahlbare Wohnen, weil die Eigentümer die Kosten auf die Mieter umlegen. 

Nun musste der Dezernent einsehen, dass diese Position nicht haltbar ist. Aktuell nimmt das Rathaus mit der Grundsteuer jährlich 53 Millionen Euro ein. Die Reform soll aufkommensneutral sein. Daran rüttelt auch Breiter nicht. „Der neue Hebesatz wird mit großer Wahrscheinlichkeit unter 300 Prozent liegen“, sagte er unlängst im Haupt- und Finanzausschuss. 

Klar ist schon heute, dass Eigentümer von Gewerbegrundstücken am Rand der Gemarkung eher auf der Gewinnerseite stehen werden, der Wohnraum auf der Verliererseite.  Aber erst im Herbst, wenn für alle Grundstücke die Bescheide vorliegen, will die Verwaltung den neuen Hebesatz dem neuen Gemeinderat zur Abstimmung vorlegen. Es wird nicht nur unsere Redaktion geben, die 2026 bei der Verwaltung mal anfragt, wie hoch die Grundsteuereinnahmen 2025 tatsächlich waren. 

Bis dahin werden sich Tausende von Eigentümern, Steuerberatern, Anwälten und auch die Gerichte weiter mit dem neuen Wutmacher-Thema befassen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich auch Karlsruhe erneut äußern muss. Denn nicht alle Länder haben die gleiche Regelung. Verstößt nicht auch das gegen das Gebot der Gleichbehandlung? 

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