Modernes Kochen: Küchentrends 2021 Schöner Wohnen | 10.04.2021 | Tanja Senn

Küche

Dunkle Farben, Eiche, Naturstein – das sind die Küchentrends des Jahres. Doch woher kommen sie eigentlich? Wer gibt sie vor? Und welche Bedürfnisse stecken hinter solchen kollektiven Wünschen? Ein Einblick in die Philosophie der Küche.

Das mit den Trends ist so eine Sache, weiß Guido Hille. „Bei uns ist es nicht wie in der Mode, wo es jedes Jahr etwas Neues gibt“, erklärt der langjährige Studioleiter des Freiburger Küchenstudios „Die Küche – Marc Boehlkau“. „Im Möbelbau sind Trends langsamer und kontinuierlicher.“

Trotzdem gibt es sie natürlich. Seine letzte Landhausküche hat Hille vor knapp 15 Jahren geplant. Heute wollen die Menschen klare Linien, dunkle Farben, Holz und Naturstein. Die fast reinweißen Küchen von vor ein paar Jahren werden von Schwarz und Anthrazit abgelöst. „Viele bewundern die schwarzen Küchenfronten, trauen sich aber nicht ran“, weiß Hille. „Die entscheiden sich dann für anthrazit.“ Damit die dunklen Farben auch wirklich edel wirken, haben die Hersteller Anti-Fingerprint-Versiegelungen entwickelt, sodass keine Fingerspuren und Fettspritzer haften bleiben.

„Trend ist, was viele Leute wollen“, fasst Hille zusammen. Und dieses kollektive Begehren speist sich aus diversen Quellen. Natürlich spielen die Werbung, Wohnzeitschriften und Foto-Plattformen wie Pinterest eine große Rolle. Der Verkäufer beobachtet, dass immer mehr seiner Kunden gezielt mit Bildern zu ihm kommen, wie ihre Traumküche auszusehen hat. Beeinflusst wird der Zeitgeist aber auch von Faktoren, die auf den ersten Blick nichtauf der Hand liegen. „Die Formensprache der Küchen kennen wir aus dem Automobilbau, aus dem Formenbau oder aus der Außenarchitektur“, sagt Hille und nennt ein Beispiel. Ein typischer Neubau hat anthrazitfarbene Fensterrahmen, ist innen großzügig geschnitten, die Wände sind in Weiß gehalten und die Raumhöhe liegt bei 2,45 Meter – das bedingt klare, ruhige Formen und Farben, die sich dort harmonisch einfügen. Wer dann doch noch einen Farbtupfer möchte, erreicht das zum Beispiel über farbige Glasplatten, die als Spritzschutz dienen. Mit ihnen kann man Akzente setzen.

Küche Design

Offene Küchen sind eigentlich kein neuer Trend – schon die alten Römer haben so gekocht.

Doch Aussehen ist nicht alles. „Ein entscheidender Fehler ist, wenn man die Optik vor die Ergonomie stellt“, warnt Hille. Das müsse nicht sein: „Mit etwas Geschick lässt sich beides verbinden. Denn nur, wenn eine Küche ergonomisch sinnvoll aufgebaut ist, macht sie über Jahre hinweg Freude.“ Sie müsse so geplant werden, dass sich Arbeitsabläufe sinnvoll gestalten lassen. Gerade wenn mehr als eine Person in der Küche werkelt, ist ein Aufbau wichtig, bei dem man sich nicht im Weg steht. Ganz konkret gehört dazu genügend Platz zwischen Spüle und Kochbereich. So kann einer die Spülmaschine einräumen, während der andere das Dessert zubereitet – ohne dass man sich auf den Füßen steht.

Auch Kücheninseln sind nicht nur optisch ein Hingucker, sondern vor allem ein Ort der Begegnung. Sie sind nach wie vor ein Trend, der wohl auch nicht so schnell abreißen wird. „Abgeschlossene Küchen gibt es im Neubau fast gar nicht mehr“, weiß Hille, der seit 30 Jahren Küchen plant. „Man möchte heute große Räume schaffen.“ Wenn jeder in die Küche blicken kann, ist Ordnung natürlich besonders wichtig. Auch sie kann durch kluge Konzepte unterstützt werden.

Küchen zum Verpuppen

Was heute als Trend bezeichnet wird, ist eigentlich ein uraltes Konzept. Schon die alten Römer brutzelten in offenen Küchen. Vom Mittelalter bis zum frühen 20. Jahrhundert waren sie allerdings verpönt – Gerüche und Bratendunst sollten in einem abgeschlossenen Raum bleiben. Heute, wo diese Überlegung dank innovativer Abzugssysteme keine Rolle mehr spielt, wird die Küche wieder zu einem Ort des Zusammenkommens. Bereits jeder fünfte Deutsche hat eine offene Wohnküche – Tendenz steigend.

Was dabei hineinspielt, nennt sich neudeutsch „Cocooning“. Das bedeutet so viel wie „sich verpuppen“. Die Küche soll gemütlich und wohnlich werden. Gerade in Zeiten des Lockdowns, wenn die Menschen mehr zu Hause sind und kochen, bekommt sie einen ganz neuen Stellenwert. Deswegen haben Hille und seine Kollegen gerade alle Hände voll zu tun. Dass es seit ein paar Jahren extrem gut läuft, führt der Verkäufer auch auf die Niedrigzinsen zurück: Ausgeben statt anlegen ist die aktuelle Devise.

Einige Hersteller haben auf die Auswirkungen der Corona-Krise reagiert, indem sie einen Arbeitsplatz in ihre Küchen integriert haben – für Menschen im Home-Office, die keinen Schreibtisch zur Verfügung haben. Hille sieht diesen Trend bei seinen Kunden noch nicht angekommen. Nachgefragt werde ab und an ein Tablet-Halter, mehr aber auch nicht. Überhaupt betrachtet er so manche Neuerungen kritisch. Stichwort: Smart Home. Das hat auch in den Küchen Einzug gehalten. Ein Kühlschrank, der eine Nachricht schickt, wenn die Milch fast leer ist, oder ein Backofen, der sich meldet, wenn das Essen droht anzubrennen – klingt im ersten Moment ganz praktisch.

Küche Design

„Mich hat noch nicht ein einziger Kunde nach einem intelligenten Kühlschrank gefragt“, winkt der Küchenexperte ab. Andere technische Möglichkeiten finde er „ganz interessant“, trotzdem erlebe er meist, dass die smarten Funktionen gar nicht oder nur am Anfang genutzt werden. „Die Technologie kann das Kochen unterstützen und erleichtern“, findet der 57-Jährige, „wird dieses sinnliche Handwerk aber hoffentlich nie ersetzen.“

„Nicht zu viel machen“

Für ihn gehört es zu einem verantwortungsbewussten Umgang in der Beratung, seinen Kunden auch mal etwas auszureden. Beispielsweise Unterteilungen, Auszüge oder Tellerhalter. Er rät dazu, am Anfang auf solches Zubehör zu verzichten und erst nach vier bis sechs Wochen zu entscheiden, was es noch brauche. „Es ist wichtig, dass man nicht des Guten zu viel macht. Was man sich anschafft, sollte praktisch, sinnvoll und von guter Qualität sein.“ Generell abraten will er seinen Kunden von empfindlichen Arbeitsplatten – aus Beton oder noch schlimmer aus Glas. Wovon er hingegen viel hält, ist Naturstein. „Der macht vieles besser, als wir mit unseren künstlichen Materialien je erreicht haben.“

Eine neue Arbeitsplatte sei übrigens ein probates Mittel, um frischen Wind einziehen zu lassen, wenn man keine Rundumerneuerung möchte. Einen großen Effekt bringen auch indirekte Beleuchtung, Fliesen und Glas in allen erdenklichen Farben sowie Spülbecken ohne Rand oder Abtropfbereich.

Fließt dann nicht das ganze Spülwasser auf den Boden? Bei der Frage muss Hille lachen. „Ja, ja, die Befürchtung haben sie alle. Ich gehe dann mit den Kunden in eine unserer Showküchen und schütte ein ganzes Glas Wasser auf der Arbeitsfläche aus. Die Küchen sind so gerade gebaut, dass das Wasser einfach stehenbleibt.“

Küchentrends 2021

  • dunkle Farben
  • matte Oberflächen
  • Eiche und Nussbaum
  • individuelle Korpushöhen
  • indirekte Beleuchtung
  • intelligente und vernetzte Küchengeräte

Fotos: © Andreas Schaps