Neues Leben für historische Gebäude Schöner Wohnen | 03.04.2021 | Tanja Senn

Innenraum Haus Wie sich ein alter Brunnen in einen Wohnraum einbeziehen lässt, sieht man im Dreiseitenhof in Vörstetten.

„Historische Immobilien erhalten“ – der Firmenname des Waldkircher Planungsbüros von Joachim Goedecke ist Programm. Er hat sich darauf spezialisiert, jahrhundertealten Gebäuden neues Leben einzuhauchen. Das erfordert kreative Ideen außerhalb der Norm.

Bröckelnde Mauern, muffige Heuschober, dunkle Kammern – für die meisten Menschen sind die Scheunen, Fachwerkhäuser und Bauernhöfe, denen sich Joachim Goedecke annimmt, nicht mehr als abrissreife Ruinen. Doch wenn der Planer eine heruntergekommene Scheune betritt, sieht er etwas ganz anderes: einen offenen Kamin, perfekt eingepasst zwischen alten Holzbalken. Eine moderne Küche, die wunderbar mit dem alten Gemäuer kontrastiert. Oder eine filigrane Treppe mit stylischem Metallgeländer, die großzügige, helle Wohnräume miteinander verbindet.

Die Harmonie von modern und alt ist Goedecke wichtig: „Wir wollen schließlich kein Heimatmuseum bauen.“ Trotzdem setzt er auf uralte Baumaterialien wie Ton, Ziegel, Kalk, Lehm und Bruchsteine. In seinem Gewerk gebe es nichts Schlimmeres als zu historisieren, erklärt er. Ein falsches Fachwerkgebälk aufsetzen – so etwas käme für ihn nie in Frage. Ebenso wenig, wie einem Gebäude die Seele zu rauben, indem man es komplett entkernt. „Natürlich achte ich auf die Bedürfnisse meiner Kunden, aber noch wichtiger ist mir zu schauen, was zum Haus passt“, sagt der 58-Jährige. Einen standardmäßigen Grundriss gebe es meist nicht. 

„Mut zur Lücke“

Gewisse Eigenheiten müsse man dafür in Kauf nehmen – etwa wenn ein Fachwerkhaus nur eine Raumhöhe von knapp zwei Metern habe, wenn der Denkmalschutz in einer alten Scheune keine großzügigen Gauben erlaube oder wenn mitten im Zimmer die Überreste eines alten Brunnens zu sehen sind, die Goedecke mit bruchsicherem Glas verkleidet zum Hingucker macht. Denn eigentlich sind es gerade diese Eigenheiten, die seinen Immobilien ihren Charme verleihen. Bautechnisch sei hier alles „state of the art“, betont er. Dass die Preise ebenfalls hochwertig sind, versteht sich.

Raum mit Kamin

Die 1810 erbaute Scheune in Sexau war Goedeckes erstes Projekt.

Goedecke, der nicht nur Projekte für andere plant und leitet, sondern auch selbst Gebäude ankauft und saniert, traut sich an so manches Gebäude, das andere als hoffnungslos einstufen. Da sind außergewöhnliche Ideen gefordert. Sein Geheimnis: „Man muss Mut zur Lücke beweisen und Unzulänglichkeiten akzeptieren.“ Als Beispiel führt er eine um die Jahrhundertwende gebaute Lagerhalle in Waldkirch an, aus deren Fassade schon die Bäume sprießten. Sie herauszureißen wäre unmöglich gewesen, ohne die Patina zu beschädigen. Deshalb ließ er sie einfach kappen. Dass immer noch die Ansätze der Bäume zu sehen sind, tut dem mittlerweile zu einem modernen Loft ausgebauten Backsteingebäude keinen Abbruch. Dass die Sicherheit dennoch gewährleistet sein muss, ist für ihn selbstverständlich.

ehemalige Mühle

Die Ostseite steht aktuell zum Verkauf – samt Gartenhaus eine ehemalige Mühle aus dem Glottertal.

Vielleicht hilft es Goedecke bei seiner unkonventionellen Herangehensweise, dass er kein gelernter Architekt ist: Der Betriebswirt arbeitet als Unternehmensberater in der Schweiz, als er auf eine Zeitungsannonce stößt, in der eine Scheune von 1815 zum Verkauf angeboten wird. Zwei Jahre lang baut er das historische Gebäude zu einem Zweifamilienhaus um, in das er selbst einzieht. Als er dafür 2010 den Architekturpreis für „Neues Bauen im Schwarzwald“ verliehen bekommt, steht für ihn fest, dass er sein Hobby zu seinem Beruf machen will.

Heute arbeiten in seinem Büro in Waldkirch-Buchholz vier Mitarbeiter, eine Kooperation mit einem Architektenbüro ist in Planung, da Goedeckes Team all die Anfragen nicht mehr ganz allein bewältigen kann.  Nein zu sagen, wenn ihn eine Immobilie interessiert, fällt dem Planer sehr schwer. Schließlich kennt er die Alternative: „Es wird so viel abgerissen und dann ohne Rücksicht auf die Architektur im Umfeld etwas Neues hingestellt – da blutet mir das Herz. Ich bin glücklich, wenn ich dazu beitragen kann, ein Stück Kulturgut zu erhalten.“

Fotos: © Joachim Goedecke