Die Bauerngartenroute: Charme mit Struktur Freizeit | 13.07.2019 | Tanja Senn

Baumgartenroute

Stauden und Kräuter einträchtig neben Gemüse und Beerensträuchern: Alte Bauerngärten haben einen ganz eigenen Zauber. Über die Bauerngartenroute lassen sich die faszinierenden Gärten erkunden.

Was seinen Garten angeht, mag es Hubert King exotisch. Im Staudenbeet blühen japanische Pfingstrosen in einem dunklen Altrosa, im Gemüsegarten wächst Wasabi, ein paar Meter weiter sprießen auf einem Acker Süßlupinen, aus denen der Gärtner Kaffee brauen möchte. „Ich probiere immer wieder neue Pflanzen aus“, erzählt King, „wenn es passt, bekommen sie ein Visum.“

Ihre Raritäten auf dem Lienberg bei Schramberg zeigen Hubert und seine Mutter Maria King gerne anderen Pflanzenliebhabern. Dafür haben sie sich vor ein paar Jahren der Bauerngartenroute angeschlossen. 17 Gärten im Schwarzwald können Interessierte über diese Route erkunden. Es gibt verschiedene Bustouren für Gruppen, bei denen zwei bis drei nahe beieinander liegende Höfe besucht werden. Viermal im Jahr öffnen die Bauerngärten ihre Törchen zudem noch für einzelne Besucher.

Maria, Hubert King

Dahlien und Geranien sind die Leidenschaft von Maria King.

Die Idee dahinter: Das Wissen rund um alte Gemüsesorten und fast vergessene Blumenschönheiten weiterzugeben. Schließlich sind die Gärten ein wichtiger Bestandteil bäuerlicher Traditionen. Damit sie auch noch in der nächsten Generation erhalten bleiben, hat Projektleiterin Walburga Schillinger das Netzwerk „Bauerngarten- und Wildkräuterland Baden“ aufgebaut: „Es ist wie mit allem in unserer schnelllebigen Zeit: Nur wer sich vernetzt, wird auch wahrgenommen.“

Für die Bauerngärtnerinnen seien die Besuche eine tolle Art der Wertschätzung. „Für viele ist es etwas ganz Besonderes, dass Menschen kommen, nur um ihren Garten zu sehen“, so Schillinger, „einen Garten, den sie seit vielen Jahren pflegen, ohne dass sie dafür je groß Beachtung bekommen haben.“ Anschließen kann sich der Route jeder Bauerngarten – allerdings müsse der Fokus auf der Selbstversorgung und dem Gemüseanbau liegen. Anders als es manche Hochglanzzeitschriften suggerieren, mache ein mit Buchsbaum eingesäumtes Staudenbeet noch keinen Bauerngarten, so die Projektleiterin.

Auch bei Familie King nehmen die Gemüsebeete den größten Teil des Gartens ein. Bereits vor dem Bauernhaus sprießen in der warmen Mittagssonne Salate, Zwiebeln, Karotten oder Paprika. Vorbei an prachtvollen Staudenbeeten, in denen gerade mehr als zehn Sorten Pfingstrosen blühen, geht es in den hinteren Teil des Gartens. Hier gibt es neben weiteren Gemüsebeeten auch ein Gewächshaus und eine Pilzzucht. Zu den Raritäten zählen vor allem alte Sorten und Selbstgezüchtetes. Blumen spielen als Pflanzenschutz eine große Rolle. So sollen etwa Ringelblumen vor der Himbeerwelke schützen und lästige Fadenwürmer von Tomaten fernhalten.

Hubert King

Hubert King experimentiert gerne mit Exoten.

Weniger Arbeit durch eine klare Ordnung

Dazwischen finden sich immer wieder Rankhilfen, Gefäße und Skulpturen aus geflochtenen Weiden. An Kings Garten schließt sich eine Weidenplantage an. In Kursen bringt der gelernte Florist anderen bei, wie man Kreatives aus den Zweigen herstellt. So wild das Nebeneinander aus Gemüse, Blumen und Kunst auf den ersten Blick scheinen mag, Kings Garten ist – wie fast alle Bauerngärten – klar strukturiert. Entwickelt hat sich dieser Stil wohl ursprünglich aus den Klostergärten, in denen auf kleinem Raum möglichst viel Gemüse und Kräuter wachsen sollten. So dient die Symmetrie des Bauerngartens nicht in erster Linie der Ästhetik, sondern soll helfen, die Beete von den Wegen aus einfach bearbeiten zu können.

„Das Handling ist einfacher, wenn der Garten strukturiert ist“, sagt der 55-Jährige. Die meiste Arbeit fällt bei ihm im Frühling an, wenn das Unkraut gejätet werden muss: „Wenn man hier schlampert, muss man später büßen.“ Damit es im Sommer nicht wiederkommt und die Beete nicht so viel Feuchtigkeit verlieren, mulcht der Gärtner die Flächen regelmäßig mit Rasenschnitt. Ansonsten hält sich King auch gerne mal zurück: „Ich überlasse vieles sich selbst – das klappt ganz gut.“

Diese Erfahrung hat auch Anita Aberle-Schwenk gemacht: „Mein Garten ist nicht geschleckt aufgeräumt. Ich habe immer wieder Plätze, an denen auch Wildkräuter wachsen dürfen.“ Von Kings Garten aus geht es mit dem Auto über einen Höhenrücken in knapp zwanzig Minuten zum Christleshof bei Tennenbronn. Hier gärtnern Anita Aberle-Schwenk und ihre Mutter Else Aberle. Während sich die Mutter um das Gemüse kümmert, pflegt die Tochter vor allem den Beeren-, Kräuter- und Berggarten.

Anita Alberle-Schwenk

Mit den Kräutern, Gemüse und Beeren aus dem eigenen Garten versorgt Anita Aberle-Schwenk gemeinsam mit ihrer Mutter die ganze Familie.

Neben einer alten Hofmühle, wo früher eine Wiese war, hat Aberle-Schwenk einen großzügigen Garten mit Kräutern, Wild- und Teepflanzen angelegt. Wärmeliebende Gewürze wie Thymian, Bergbohnenkraut, Ysop oder Oregano wachsen in einer Kräuterspirale, deren Steine als Wärmespeicher dienen. Sie sind nötig, denn ein kühler Ostwind pfeift zu fast jeder Tageszeit durch den Garten, der auf rund 730 Höhenmetern zwischen zwei Berghängen liegt.

Eine ziemliche Herausforderung, der die Gärtnerin auf verschiedenste Weise begegnet. So schneidet sie etwa die Kräuter erst im Frühjahr zurück, damit sie genug Masse zum Zurückfrieren haben. Wärmeliebende Beeren oder Spargel werden nur im Berggarten gepflanzt, der zwar nochmals höher, aber dafür windgeschützt liegt. Und Paprika, Gurken sowie Tomaten bleiben das ganze Jahr über im Gewächshaus. „Es ist sonst zu frustrierend, wenn man die Pflanzen hätschelt und es trotzdem nichts wird, weil es zu windig und kalt ist“, sagt die 53-Jährige.

Wie in jedem Bauerngarten spielen auch bei ihr Stauden eine große Rolle. Die Landwirtin im Nebenerwerb setzt dabei vor allem auf insektenfreundliche Blumen. „Nach der Heuernte Mitte Juni finden die Insekten oft nichts mehr. Da haben wir als Landwirte eine besondere Verantwortung.“

Was in dem Klima gedeiht und was nicht, findet sie meist durch Ausprobieren heraus. Doch auch die Tipps der Gartenbesucher und anderer Bauerngärtnerinnen des Netzwerks seien hilfreich. Einmal im Monat treffen sich die Gärtner und tauschen nicht nur ihr Wissen, sondern oft auch Samen oder Setzlinge aus. Jeder bringt dabei seine Expertise mit ein. So ist etwa Aberle-Schwenk gelernte Kräuterpädagogin. Löwenzahn, Schafgarbe oder Spitzwegerich gehören bei ihr nicht nur in den Garten, sondern stehen ganz selbstverständlich mit auf dem Speisezettel.

Überhaupt setzt die Hobbygärtnerin nur auf das, was ihr und ihrer Familie schmeckt. Ist eine Tomate wässrig oder hat eine Bohne zu viele Fäden, wird sie nicht mehr angebaut. Während ihre Mutter allerdings fast nur auf Hybriden gesetzt hat, führt die Hauswirtin immer mehr alte Sorten ein und gewinnt seit ein paar Jahren auch ihr eigenes Saatgut.

Einen Marktstand oder Hofladen hat sie nicht – Obst, Gemüse und Kräuter erntet sie nur für ihre Familie. Was nicht frisch geerntet auf dem Tisch landet, verarbeitet sie zu Saft oder friert es ein. Die Blätter von Himbeeren, Johannisbeeren, Brombeeren und Erdbeeren kombiniert sie mit Zitronenmelisse, Malven, Minze oder griechischem Bergkraut zu Teemischungen. Viel Arbeit, aber eine, die sich lohnt, ist sich Aberle-Schwenk sicher. „Immer wieder werde ich gefragt: Warum kaufst du nicht einfach Saft im Supermarkt?“, erzählt sie. „Aber ich weiß, wo meine Lebensmittel herkommen und wie sie angebaut wurden – das ist den Aufwand wert.“

Info

Tage der offenen Tür:
31. Juli, 28. August und 25. September,
je ab 14 Uhr
www.kraeuter-regio.de/bauerngartenroute

Fotos: © Tanja Senn