Für Autofahrer: Tour der Kontraste Freizeit | 07.07.2019 | Hans-Jürgen Truöl

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Le Corbusiers beseelte Architektur, Idylle am Lac du Malsaucy und die Bollwerke von Belfort: Eine Autotour in den östlichsten Teil der französischen Region Franche-Comté bietet zahlreiche kulturelle und landschaftliche Reize.

Die REGIO bietet einige Kleinode der zeitgenössischen Baukunst. Eines der harmonischsten Gebäude ist sicherlich die Kapelle Notre-Dame-du-Haut oberhalb von Ronchamp. Das von Le Corbusier entworfene Gebäude, das einen Hügel namens Bourlémont krönt, ist ein Meisterwerk aus der Epoche der Klassischen Moderne. Kein Zweifel, dass es den Titel „Weltkulturerbe“ verdient.

Die Besichtigung des Ensembles von Ronchamp stellt den Höhepunkt einer Autotour dar, die durch die französische Region Franche-Comté führt. Franche-Comté, die unbekannte Nachbarin, gelegen zwischen dem südelsässischen Sundgau im Osten, dem Doubs-Tal im Süden, Burgund im Westen sowie dem südlichen Teil Lothringens und dem Regionalpark der Belchen im Norden.

Von Freiburg aus erreicht man den Wallfahrtsort Ronchamp in knapp zwei Stunden. In der Ortsmitte biegt man scharf rechts ab und unterquert ein Viadukt. Von nun an geht’s steil bergauf, lichter Laubwald säumt das Sträßlein. Das Auto auf dem Parkplatz abgestellt, die Glieder gereckt, dann zum Eingang mit Kasse (freier Eintritt mit Museumspass, sonst acht Euro) und Souvenirshop.

Mit diesem weltberühmten Sakralbau hat Le Corbusier die Kirchenarchitektur revolutioniert. Eine zweiteilige Betonmuschel überragt und schützt das Kirchenschiff, das – von unten betrachtet – über dem Hügel zu schweben scheint. Ein erstaunliches Bauwerk, das die Möglichkeiten des Baustoffs vollendet zum Ausdruck bringt. Mit dieser Maria geweihten Kapelle hat Le Corbusier in den 1960er-Jahren eine Ikone der modernen Architektur geschaffen. Und so pilgern nicht nur Gläubige aus der Umgebung, sondern auch Kunstfreunde und Architekturliebhaber auf den Bourlémont und halten – je nach Gusto – angesichts dieses beseelten Bauwerks ihre ganz persönliche Andacht. Eine wunderbare, beruhigende, meditative Stimmung – falls nicht gerade Hochbetrieb herrscht.

Nun noch ein Rundgang um Notre-Dame-du-Haut herum. Der Blick fällt auf eine Stahlkonstruktion mit drei Glocken, bevor es zur „Pyramide des Friedens“ weitergeht, errichtet aus Steinen der ursprünglichen Kapelle. Sie ist den 1944 gefallenen französischen Soldaten gewidmet. Seit 2009 wird Le Corbusiers Ikone von einem etwas tiefer liegenden Klarissenkloster ergänzt, geplant von Renzo Piano, ebenfalls ein Großer seiner Zunft. Wer diese Bauwerke mit allen Details auf sich wirken lassen möchte, sollte sich viel Zeit nehmen – eine Stunde mindestens, auch zwei Stunden vergehen wie im Flug. Es fällt schwer, diesen Ort zu verlassen, doch es steht noch einiges auf dem Programm: Nächstes Ziel ist der Lac du Malsaucy.

Talwärts geht es zurück nach Ronchamp und auf der N 19 Richtung Belfort. In Frahier biegt man links nach Évette-Salbert ab. Dort liegt der Lac du Malsaucy, der größte See des Territoire de Belfort. Er wirkt wie pure Idylle. Schilfgesäumte Ufer, ein feinsandiger Strand, die Wolken spiegeln sich im klaren Wasser und kontrastieren mit den nahen Vogesen. Spaziergänger und Radler genießen die ruhige Atmosphäre auf den gepflegten Wegen am Seeufer – ein Tipp auch für Ausflügler.

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Idylle pur herrscht am Lac du Malsaucy und am Lac de la Veronne – beide nur einen Tagesausflug entfernt.

In diesen entspannten Momenten kaum zu glauben, dass genau hier, auf der Halbinsel zwischen dem See von Malsaucy und dem See von Veronne, Anfang Juli wieder eins der größten europäischen Rockfestivals stattfindet, ein Pendant zu „Rock am Ring“ oder „Rock im Park“. Vom 4. bis 7. Juli ist bei den „Eurockéennes“ der Bär los: Angesagte Pop-, Rock-, Hiphop-, Punk- oder Elektropop-Bands heizen zigtausenden Fans auf fünf Bühnen ein. Da können die Wasservögel noch so viel schnattern, gegen die verstärkten Klänge der mehr als 60 auftretenden Bands kommen sie nicht an. Sogar David Bowie oder Depeche Mode gehörten zu den Stars, die in früheren Jahren am Lac du Malsaucy auftraten.

Nach einer Kaffeepause am See steigt man erfrischt wieder ins Auto und tritt über Belfort den Heimweg an. Wer vor der Heimfahrt noch Kraft und Zeit hat, ein weiteres Weltkulturerbe zu besichtigen, der sollte sich in Belfort die Zitadelle mit ihren gewaltigen, Furcht einflößenden Festungswerken ansehen. Vauban hat sie im 17. Jahrhundert konstruiert, doch das bekannteste Denkmal ist der von Auguste Bartholdi entworfene, 1880 fertiggestellte „Löwe von Belfort“, ein aus Sandstein gehauenes mächtiges Symbol der Unbeugsamkeit gegen Eroberer. Denn das preußische Kaiserreich verzichtete nach dem Sieg im deutsch-französischen Krieg 1870/71 darauf, das Territoire de Belfort zu annektieren – anders als das übrige Elsass-Lothringen, das wieder deutsch wurde.

Diese umkämpften Zeiten liegen glücklicherweise lange zurück. Während es über den Rhein heimwärts geht, merkt man nur noch an den Verkehrsschildern, dass man aus einem Land ins andere gelangt. Gut so.

Fotos: © Hans-Jürgen Truöl, Jean Becker